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Ausgabe:

1990

Spalte:

804

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Werner H.

Titel/Untertitel:

Einführung in das Alte Testament 1990

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 11

804

zunächst die Verwurzelung des Candomble in der „afrikanischen
Kosmosvision" freigelegt (6), die in „existentieller Konjunktion ...
alle Teile " des sichtbaren und unsichtbaren Kosmos „in wechselseitiger
Abhängigkeit" miteinander verbindet (9).

Weiterhin wird dargestellt, wie in dieser kosmischen Einheit, in der
zugleich auch Bedrohung aller durch alle waltet, der nach Schutz und
Heil suchende Mensch, der Höchste Gott (Olorum), die Götter
(Orixäs) sowie der diese Einheit garantierende oder wiederherstellende
Candomble-Kult je ihren Platz finden. Schließlich zeigt
Teil 1, wie es der Candomble den Sklaven ermöglichte, die verlorene
afrikanische Heimat nach Brasilien herüberzuretten und zugleich zu
mythisieren. Der Kultplatz, der Terreiro, ist mythische und soteriolo-
gische Heimat in einem. Damit die Religion der Orixäs in der katholischen
Umwelt des kolonialen Brasilien überleben konnte, nahmen
die dort verehrten Götter (Oxalä, Xangö, Ogum etc.) und Göttinnen
(lemanjä), allesamt Mittler und Mittlerinnen zwischen dem fernen
Höchsten Gott und den Menschen, Züge katholischer Heiliger an.
Candomble trage ein synkretistisches Kleid, dieses Kleid sei jedoch
der leicht ablegbare Schutzmantel, unter dem die Religion der Orixäs
im tiefsten afrikanisch geblieben ist.

Diesem informativen Teil 1 folgen als Teile 2 und 3 die systematischen
Entfaltungen dessen, was im Candomble und im Christentum
als Heil verstanden sowie in der Praxis der Kulte erfahren wird
(57-161). Teil 4 enthält eine „Gegenüberstellung" beider Heilsverständnisse
anhand der - den entsprechenden Dekreten des Zweiten
Vatikanischen Konzils sowie der Theologie Karl Rahners verpflichteten
- Unterscheidung von „Vorspiel" und „Fülle" des Heils
(162-204). Den „Schluß" bildet eine knappe Zusammenfassung der
Ergebnisse (205-211). Im „Anhang" schließlich findet sich ein
hilfreiches Glossar der Terminologie der afro-brasilianischen Kulte
und deren synkretistischer Entsprechungen (212-214).

Die Klammer der systematischen Analyse und der Gegenüberstellung
bildet der Gedanke, daß „Heil, . . . Befreiung vom Übel im
weitesten Sinne ... das erklärte Ziel aller Religionen" sei (57). Dabei
wird unter Heil zum einen Gesegnetsein in Form von Fruchtbarkeit
(Fortpflanzung), Geborgenheit und Ordnung, zum andern Gesundung
, Schutz und Bewahrung von, vor und gegenüber Übeln
verstanden. Heiland ist dementsprechend, wer solche Segnungen zu
bringen vermag (571)- Dieser Ansatz macht noch einmal den Synkretismus
verständlich, in dem es zu einer Reihe frappierender Entsprechungen
zwischen den Orixäs und Riten der afrikanischen Kulte und
den Heiligen bzw. der Sakramentspraxis der katholischen Kirche
kommen konnte. Den tieferen theologischen Grund solcher Entsprechungen
sieht die Autorin im Hingeordnetsein aller Menschen
auf das Heil (1461T). Dieses „übernatürliche Existential" (1461)
verdanke sich der Zuwendung Gottes zu allen Menschen und lasse
sich trotz vielfacher Entstellungen auch im Candomble verifizieren.
Die Vfn. bezeichnet die theologische Ermöglichung dieses übernatürlichen
Existentials auch als „Offenbarung", die sich freilich von
der thematisch und kategorial eindeutigen Offenbarung in Christus
dadurch unterscheide, daß sie indirekt, unthematisch und vorbereitend
sei (1490- Beide Offenbarungen verhalten sich zueinander
wie „Vorspiel" und „Fülle" (162IT).

Den wesentlichen Unterschied zwischen Candomble und Christentum
sieht die Verfasserin in dem unterschiedlichen Verständnis von
Geschichte (209). Candomble mythisiere die Geschichte, indem der
einzelne durch ekstatische Trancezustände aus der schlechten Gegenwart
in die verlorene Vergangenheit zurückgebracht wird. Diese
Mythisierung der Geschichte fördere aber die Vereinzelung und den
Egoismus des Menschen und verhindere „eine Haltung opferbereiter
Liebe", der „Hingabe an den Nächsten" und der „geschichtlichen
Umformung der Gesellschaft" (211).

Im „Geleitwort" hat Hans Waidenfels die Kategorien „Vorspiel"
und „Fülle" mit dem Hinweis kritisiert, „daß sich Kulte dieser Art in
Lateinamerika erst nach der christlichen Missionierung ... voll
etablierten" (V). Dieser Kritik hat sich die Vfn. freilich mit einem

doppelten Gedanken schon im vorhinein gestellt. Nicht die Religion
als Institution sei „der eschatologischen Botschaft Christi gegenübergestellt
" und von ihr abgeschafft worden, vielmehr seien es „immer
Einzelpersonen", die von Christus in „eine .Krisis' versetzt" und in
eine Lage gebracht werden, „in der sie sich entscheiden müssen"
(160). Zum anderen könne die Verbindung der christlichen Botschaft
mit einer bestimmten Kultur eine Schranke aufrichten, die diese
Botschaft unverständlich macht'(1610- Es wäre wohl für das
Verständnis der Etablierung des Candomble in Brasilien hilfreich
gewesen, wenn an diesem Punkt von der Vfn. weiter gedacht worden
wäre. Es stellt sich ja die Frage, ob nicht die Erscheinungsform des
Katholizismus und der katholischen Gesellschaft im kolonialen
Brasilien als Religion der Herrenhäuser die Sklaven notwendigerweise
in ihre mythisierte Vergangenheit zurücktreiben mußte und
muß.

Berlin Wilhelm Hüftmeier

Altes Testament

Schmidt, Werner H.: Einführung in das Alte Testament. 4., erw. Aull.
Berlin (West) - New York: de Gruyter 1989. X, 430 S. 8° = de
Gruyter Lehrbuch, geb. DM 52,-.

In einem Abstand von vier Jahren ist der 3. Auflage der bewährten
„Einführung in das Alte Testament" von Werner H. Schmidt die
4. Auflage gefolgt.

Bis zu S. 339, dem Ende von § 29 (Das Hiobbuch), ist der Text
weiterhin unverändert geblieben. Doch anschließend daran gibt es
erhebliche Erweiterungen und Umgestaltungen. Während zuvor die
Untersuchungen über „Die Frage nach der Einheit des Alten
Testaments. Aspekte einer ,Theologie des Alten Testaments'" und
„Für und wider das Alte Testament. Themen altteslamentlicher
Hermeneutik" als § 30 und§ 31 mit unter Abschnitt IV „Dichtung aus
Kult und Weisheit" geführt worden waren, sind sie nun sachgemäßer
unter einem besonderen Abschnitt (V) „Theologie und Hermeneutik"
zusammengefaßt. Dieser Abschnitt wird mit einem neu hinzugekommenen
Paragraphen „Zur Rede von Gott im Alten Testament"
eingeleitet. In ihm wird ein Stück alttestamentlicher Theologie und
israelitischer Glaubensgeschichte geboten, und manches, was zuvor
bereits angesprochen worden war (etwa in § 2a) wird noch vertieft. An
den letzten Paragraphen (jetzt § 32) wird eine Zusammenfassung von
Thesen angehängt, die sich an EvTh 47. 1987, 457-459 orientieren.
Sie fassen das zusammen, was das Alte Testament auch uns Christen
Bleibendes zu sagen hat. Durch beide Hinzufügungen bekommt, was
zu begrüßen ist, der theologische Aspekt des Buches ein größeres
Gewicht.

Erheblich erweitert ist das Literaturverzeichnis. Das betrifft zum
geringen Teil den neuen §30, wo lediglich auf TRE XIII, 1984,
608-626 Bezug genommen wird, und den Schluß von §31 (zuvor
§30). Umfangreich sind hingegen die „Nachträge zum Literaturverzeichnis
".

Es ist zu wünschen, daß diese Nachträge und weitere noch zu
erwartende in der nächsten Auflage in das allgemeine Literaturverzeichnis
eingearbeitet werden und daß, wie vom Rezensenten
bereits in der Besprechung der 3. Auflage (ThLZ III, 1986, 2631)
angeregt, der laufende Text bis S. 339 überarbeitet wird.

Berlin Ludwig Wächter

Floß, Johannes P.: Kunden oder Kundschafter? Literaturwissenschaft -
lichc Untersuchung zu Jos 2. II: Komposition, Redaktion, Intention
. St. Ottilien: EOS Verlag 1986. XIV, 187 S. 8" = Münchener
Universitätsschriften. Arbeiten zu Text und Sprache im Alten
Testament, 26. DM33,-.