Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

771

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Bewahrung der Schöpfung 1990

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

771

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 10

772

sind Folgeabschätzungen und Risikobewertungen (also teleologische
Überlegungen) wie die prinzipielle Einschätzung der außermenschlichen
und menschlichen Natur in der Sicht des Glaubens; das entspricht
dann einer deontischen Betrachtung, wie sie beispielsweise
Albert Schweitzers Grundsatz „Ehrfurcht vor dem Leben" gefordert
hat. Ziel- und Wertvorstellungen stehen ebenfalls zur Diskussion,
wenn als Beurteilungskriterien neben Wirtschaftlichkeit und technischer
Effizienz Wertmaßstäbe wie Sozial- und Kulturverträglichkeit
berücksichtigt werden. Der Bericht zur Gentechnologie gibt zur
ethischen Debatte einen ersten wesentlichen Anstoß und macht auch
eine theologische Stellungnahme notwendig.

Bonn Martin Honecker

Praktische Theologie: Allgemeines

Schneider-Grube, Sigrid, Bogdahn, Martin, u. Helmut Winter:
Bewahrung der Schöpfung. Kirche unterwegs in die 90er Jahre. Hg.
im Auftrag der Landessynode der Evang.-Luth. Kirche in Bayern.
Mit einer ökologischen Handreichung für Kirchgemeinden. München
: Claudius 1989. 239 S. m. Abb. 8'. Kart. DM 9,80.

Im April 1989 veranstaltete die Evangelisch-Lutherische Kirche in
Bayern in Günzenhausen eine Tagung ihrer Landessynode, die unter
dem Schwerpunktthema „Bewahrung der Schöpfung" stand. Der
Hand enthält die drei Grundsatzreferate, Berichte aus den sechs
Arbeitsgruppen (Energie, Gentechnik, Landwirtschaft und Landschaftsschutz
, neuer Lebensstil, Großprojekte, konziliarer Prozeß),
die Botschaft der Landessynode zur Bewahrung der Schöpfung, eine
ökologische Handreichung für Kirchengemeinden und auf rund 90
Seiten eine Dokumentation von Umweltaktivitäten durch zahlreiche
Gruppen und Personen, gegliedert nach den Betätigungsfeldern:
Kernenergie/Energiealternativen, Großprojekte (z. B. Rottach-
Speicher, Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf), Gentechnik,
Landwirtschaft/Natur- und Landschaftsschutz, Neuer Lebensstil,
Konziliarer Prozeß, Ökologisches Lernen. Es folgt ein Autorenver-
zeichnis und ein thematisch gegliedertes, knappes Literaturverzeichnis
mit rund 60 Titeln. Ein vierseitiges Stichwortverzeichnis erleichtert
die Orientierung in diesem thematisch weitgespannten Band, es
enthält Stichworte wie: Altglas, Aluminium, Atomwirtschaft, Brasilien
, Chemie im Haushalt, Dritte-Welt-Laden, Energiesparlampen,
Feuchtflächen, Hausmüllfibel, Kompost, Luftverschmutzung, Müllsortierung
, Ozonloch, Papierverbrauch, Plastikgeschirr, Putzmittel,
Recycling-Papier, Regenwald, SO-2-Telefon, SondermüllN Sonnenkollektor
, Streusalz, Tempolimit, Thermostatventil, Tourismus,
Tschernobyl (8 Stellen), ungeborenes Leben, Vollwert-Verpflegung,
Wasserverbrauch, WC-Reiniger, Wiesenbrüterprogramm. Der Bogen
ist also weit gespannt, und man wird sehr konkret.

Das Referat des Landesbischofs Johannes Hanselmann ist stark
durchgegliedert, bringt viele Stichworte und ist informativ, wenn auch
immer mehr andeutend als ausführend.

Ausgesprochen interessant liest sich die Bibelarbeit des Münchener
Alttestamentiers Jörg Jeremias über 1 Mose 1 -3. Sie bezieht auch eine
kurze Exegese von Psalm 8 ein und referiert kurz die Position von
Hans Jonas zum Begriff der Verantwortung.

Das Referat von Günter Altner zeichnet sich durch seinen stark
appclativen Charakter angesichts drohender Katastrophen und Fehlentwicklungen
aus und verdeutlicht ethische Implikationen und Konsequenzen
christlichen Schöpfungsglaubens und Menschenverständnisses
.

Hier ist von einer Synode konzentrierte und zugleich detaillierte
Arbeit zur Thematik „Bewahrung der Schöpfung" geleistet, die zur
Kenntnis zu nehmen nicht nur für die Christen und Gemeinden
Bayerns von Nutzen ist. Eine kritische Auseinandersetzung mit den
hier vertretenen Positionen lohnt sich.

Berlin Hans-Hinrich Jensscn

Praktische Theologie:
Katechetik, Religionspädagogik

Koerrenz, Ralf: Hermann Lietz. Grenzgänger zwischen Theologie
und Pädagogik. Eine Biographie. Frankfurt/M.-Bcrn-New York-
Paris: Lang 1989. VIII, 146 S. 8° = Europäische Hochschulschriften
. Reihe XXXIII: Religionspädagogik, 13. Kart. SFr 36.-.

„Landerziehungsheime", „deutsch" und „Religion" - diese drei
Begriffe, die für den Leser ganz verschiedene Assoziationen bei sich
haben, werden im vorliegenden Buch durch den Namen von Hermann
Lietz zusammengehalten, eines Mannes, dessen mitreißendes
Engagement, Begeisterungsfähigkcit und pädagogische Phantasie auf
dem Hintergrund kränkender Erfahrungen in öden Lcrnschulen und
der Autbruchstimmung der Reformpädagogik vom Ende des vergangenen
Jahrhunderts die Vision einer Erziehung religiös-sittlicher Charaktere
im Rahmen einer pädagogischen Gemeinschaft zwischen dem
vorbildlichen Erzieher und dem zu erziehenden Zögling entstehen
ließen.

R. Koerrenz, offensichtlich von der Gestalt und dem Lebenswerk
von Hermann Lietz fasziniert, versucht in drei Anläufen dem Phänomen
Lietz. das bisher noch nirgends aus dem Blickwinkel „Religion"
und „religiöse Erziehung" heraus gewürdigt worden ist. gerade aus
dieser Perspektive näherzukommen.

In einem l, Kapitel (5-27) referiert der Autor die Rahmenbedingungen
und einige Wirkungen der Person und Idee von H. Uetz,
indem er einmal frühere Arheiten über den Begründer der deutschen
Landerziehungsheime und Würdigungen des Pädagogen Lietz in Darstellungen
der Geschichte der Pädagogik skizziert, dann die nicht einfache
Quellenlage des Werkes von Lietz beschreibt und endlich die
pädagogische Aulbruchstimmung vom Ende des vergangenen' Jahrhunderts
(Jugendbewegung, Reformpädagogik, Arbeiterbildungsbewegung
, Entdeckung des Kindes . . .) zu vergegenwärtigen sucht.
Schade, daß die wichtige Arbeit von Jürgen Oelkers „ReformPädagogik
. Eine kritische Dogmengeschichte", Weinheim/Münchcn 1989,
dem Verfasser noch nicht zur Verfügung stand.

In einem zweiten Kapitel „Stationen eines Theologenlebens"
nimmt Koerrenz die gewiß nicht leichte Aufgabe in Angriff, aus z. T.
sehr verstreuten Aussagen über Theologie. Religion, Kirche, religiöse
Erziehung und Religionsunterricht aus der Feder von Lietz so etwas
wie eine religiöse Biographie unter Beachtung verschiedener Einflüsse
und ihrer individuellen Verarbeitung durch den jungen und auch den
erwachsenen Lietz zu entwerfen. Das christliche Elternhaus auf
Rügen, die orthodoxe Schule, das Theologiestudium bei Vermittlungstheologen
und Liberalen in Halle und Jena, erste Versuche mit
eigenem Religionsunterricht, bemerkenswerte Erfahrungen mit der
Schulaufsicht, Kriegserlebnisse und ihre Verarbeitung sowie vieles
andere führten bei Lietz offensichtlich zu einem Religions- und Theologieverständnis
, das sich sowohl dem Kulturprotcstantismus mit
seiner Hochschätzung der Religion für Erziehung und Gesellschaft als
auch der liberalen Unterscheidung zwischen dogmatischem und ethischem
Christentum verdankte. Wichtig aber auch das Verständnis
religiöser Erziehung, das bei Lietz weit über eine bloß historische
Information hinaus auf das religiöse Erlebnis und lebendige Nachfolge
Wert legt, die von vorbildlichen Erziehern geprägt und ermöglicht
werden.

In seinem 3. Kapitel unternimmt es der Vf., einige Aspekte des
theologischen Denkens von H. Lietz (das Verhältnis von Religion und
Sittlichkeit, die Stellung zum Alten Testament, Jesus als exemplarischer
Mensch, Religion und Verantwortung u. a.) näherhin in
Augenschein zu nehmen und kritisch zu würdigen.

Das religionspädagogische Interesse des Rezensenten veranlaßt
dazu, nach dieser Skizze wenigstens noch einige wichtige Aussagen
von Lietz zur religiös-sittlichen Erziehung und ihren Inhalten, wie sie
Koerrenz darstellt, hervorzuheben:

Das Erziehungsziel der Landerzichungsheimc lautet „Sittliche