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Ausgabe: | 1990 |
Spalte: | 769-771 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Titel/Untertitel: | Chancen und Risiken der Gentechnologie 1990 |
Rezensent: | Honecker, Martin |
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Theologische Literaturzeitung I 15. Jahrgang 1990 Nr. 10
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GedankenlÜhrung (auch auf theologischem Gebiete!) ebenso beein- logie. z. B. zur Herstellung von Industriepflanzen als Rohstoffe, zur
druckend wie die Souveränität und Selbständigkeit des Urteils. Züchtung herbizidresistenter Pflanzen, in der Tierproduktion mit
dem Ziel einer Qualitätsverbesserung des Fleisches in Industrielän-
SchOneicbebei Berlin Hubert Kirchner
dem und der Steigerung der Quantität in Entwicklungsländern: zur
Verminderung von Umweltbelastung und in der gentechnologischen
Herstellung neuer Therapeutika, Impfstoffe und Diagnostika. Beson-
("atenhusen, Wolf-Michael, u. Hanna Neumeister [Hg.]: Chancen und dere probleme zeigen sich in der Humangenetik <S. XXVIlff und
Risiken der Genieehnolujiie. Dokumentation des Berichts an den § Gene(ischc Beratung und pränatale Diagnostik, Neugebore-
IXutschen Bundestag Enquete-Immission des Deutschen Bun- e nj und die Ausforschung mit Hilfe von Genomanalysen an
destages. München: Schweitzer 1987. LVII 407 S. m. 3! Abb. u 46 rür Versicherungen und im Strafverfahren machen
Tabellen 8 =dentechnologie. C hancen und Risiken. 12. Kart. UM , ,. . „ , . c a ■• ■, m cu..», a„
->4 X() besondere rechtliche Vorkehrungen erforderlich zum Schutz der
Betroffenen und zur Sicherung der individuellen Rechte und der
Der Bericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Menschenwürde.
Gentechnologie" enthält keine theologischen oder religiösen Aussa- Bei der pränatalen Diagnostik steht für evangelische Ethik zudem
gen und läßt auch nur indirekt ethische Wertungen und Argumenta- das Problem des Schwangerschaftskonflikts, der kindlichen Indikationen
erkennen. Er gibt Anregungen und Informationen für den ,jon und der Einstellung zu behindertem Leben zum Bedenken an. Im
Gesetzgeber, das Parlament, ist dabei weithin auch Bestandsauf- Blick auf genetische Eingriffe in das Erbgut menschlicher Zellen wird
nähme. Gerade die Fülle des in diesem Bericht enthaltenen Materials eine somatische Gentherapie - unter entsprechender Risikoabwägung
stellt freilich eine wichtige Grundlage auch für die theologisch- _ für zulässig gehalten, hingegen werden gentechnische E.ngr.fle in die
ethische Urteilsbitdung dar. Über Intention und Verfahren des Kcimbahn des Menschen zu Recht kategorisch abgelehnt, da derartige
Kommissionsberichts gibt das Vorwort von W. M. Catenhusen Aus- Therapieversuche prognostisch nicht zu überschauen sind und jedem
kunft (S. VII-XII). Gentechnologie wird folgendermaßen definiert: „Mißbrauch genetischer Techniken zu Zwecken der Menschenzuch-
•-Die gezielte Neukombination des Materials von Lebewesen". tungschonim Vorfeld entgegenzuwirken" sei (S. XXXVII).
<S. VII) Gentechnologie betrifft folglich alle Arten von Lebewesen, Die Querschnittsthemen in Abschnitt D (S. XXXV11I und S. 194111
Pflanzen, Tiere, Menschen. Ausgeklammert wird im Bericht die behandeln spezielle Fragen der Sicherheitstechnik bei gentechnischen
Anwendung von Reproduktionstechnologien beim Menschen (In- Arbeiten im Labor, der Arbeitssicherheit, der Auswirkungen be, der
vitro-Fertilisation). S. Vlllfsummiert knapp „Chancen" (Gentechno- Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in Landwirtschalt
logie als Schlüsseltechnologie. Bekämpfung von Krankheiten und und Umwelt, der Auswirkungen der Gentechnologie auf Arbeitsweit
Umweltzerstörung. Bedeutung in der Medizin) und „Risiken" (ökolo- Und Produktionsverfahren in Industrieländern wie gesondert, m der
»«Che Folgen. Mißbrauch zu militärischen Zwecken, genetischer Dritten Welt, der militärischen Anwendung. Hier werden Risiko-
Selektion. Menschenzüchtung und grundsätzliche Veränderung der Mißbrauchs- und Anwendungsprobleme erörtert und ein Überblick
^atur nach menschlichen Ziel- und Wertvorstellungen). In der Gen- über den Stand der Forschung und technischen Anwendung vorgelegt,
«echnologie werden überdies ürundsatzproblemc der Industrialisie- Daran knüpft Abschnitt E „Rechtsfragen der Gentechnologie an
rungder Landwirtschaf, und der umweltbclastendcn Lebensweise des (S. Llllff und S. 2821T). Es geht hier um zmlrcchtl.chc Haftung im
Menschen manifest. Der Bericht nimmt sehr differenziert zu Einzel- Schadensfall, die strafrechtliche Überwachung von Verstoßen gegen
fernen Stellung und sucht, u. a. wegen der Vielfalt der Anwendungs- gesetzliche Vorschriften und den gewerblichen Rechtsschu z (Sor en-
bereiche, pauschale Aussagen und Bewertungen zu vermeiden. Ein schutz und Patentrecht). Abschnitt F(S. LV11 und S HOtf) emphe t
absolutes apodiktisches Nein zur (Jentechnologie wie deren unkri- die Fortsetzung der Kommissionsarbeit: ..Enquete-Kommission als
^che Bejahung werden nach Meinung des Berichts der Komplexität Instrument der Technologiefolgeabschatzung und -bewertung beim
der Sachlage daher nicht gerecht. Besondere Probleme stellen Risiko- Deutschen Bundestag". Die sachgerechte Zuordnung von wissen-
"nd Sicherheitsfragen (z. B. bei der Forschung, Anwendung und vor schaftlicher Kompetenz und Prognose zu pol.üscher Verantwortung
a"em Freisetzung gentechnologisch veränderter Lebewesen) dar. jst freilich in der Sozialwissenschaft.eher.Diskussion umstritten
*>* ie der Eingriff in die Kei mbahn des Menschen, für den ein gese.z- Abschnitt G (S. 315-357) enthalt das Sondervotum de Vertreterin
'Whes Verbot gefordert wird der Fraktion „DieGrünen" zu allen im Bericht behandelten Themen.
Die Empfehlungen der Kommission ,S. XV-LV.I, sind gesondert Das Sondervotum war nicht fristgerecht vorgelegt werden und hatte
zusammengefaßt (Abschnitt A). Abschnitt B-F (S. 1-405) enthält in de„ vereinbarten Umfang um mehr als das
feinerem Druck zweispaltig den gesamten Kommissionsbericht (das Seine Veröffentlichung .m Rahmen des Berichts hatte also aus fo -
Verfahren der drucktecS ^h n Verkleinerung reproduziert die Bun- ma,en Gründen abgelehnt werden ^^^^^
destagsdrucksache). Der gesam.e Bericht enthält sehr viel fachspe- lichung dieses Gegenbench.s »«^S^S
*"*he, naturwissenschaftliche, medizinische, tiermedizinische. der Gentechnologie. ^^^i^^SST!^
-hUiene und ökonomische Informationen und Ausführungen. Es , hen ^J^^^^™^^
^nn ,n dieser Hinsicht auch Spezialisten geradezu als Handbuch Denn (einmal) enthalt dieser ie Kommissionsmitglieder
d'enl,chsein.Zusatzvoten(S.278ffzurFörderunggentechno.ogischer Gegenargumente zum Bencht der ubn^
Forschung und Entwicklung) und e.n Sondervotum des katholischen (Zum anderen) wird deutlich, daß v el Fo d ^ de^
MoraltheologenProf.Dr.TReiterzurgenetischenBeratungundprä- berichts g*^^^^^^m^
Natalen Diagnostik (S. 1530 markieren strittige Punkte m Einzel- Industrie-, Umwelt Gesundne.su h
^en.D,eAbschnitteAund«entsprechensichinderG„ederung: Berichtet sind^Die —
Nach der Einleitung (Abschnitt B) folgt ein Überblick über Anwendungs- nat.vstrateg.en berufen sich, au. Cl Verbesserung sei nur
I Biologische Stonumwandlung und Rohs.offversorgung ;'ung des Gegenberichts verfehlten Bewertung^ der Gentechnologie
2. Pflanzenproduktion liegt in einem „mechanisierten Denken", welches das Lebendige als
1 Tierproduktion komplexe Maschine beträchtet und deren Einzelteile zu begreifen
« Umwelt sucnt 0hne das Ganze zu verstehen (S. 354).
5. Gesundheit ^ B^h, „Chancen und Risiken der Gentechnologie" enthalt
6 Humangenetik (Genomanalyse und Gentherapie). «»ransforderuna an die ethische Reflexion. Zu bedenken
Prinzipiell befürwortet der Bericht die Anwendung der Gentechno- zweifellos Herausforderung