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Ausgabe:

1990

Spalte:

763-765

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Koch, Kurt

Titel/Untertitel:

Der Gott der Geschichte 1990

Rezensent:

Wagner, Falk

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 10

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dieser Gestalt und ihres Werkes. Rückfragen und Analysen, die ins
einzelne gehen, würden die Ganzheit aufheben und den Weg zu
einem tieferen Verständnis verlegen.

Doch zugleich erhebt sich eine Frage: Muß es nicht auch jenen
anderen Theologen geben, dem Menschen begegnen können, die
aus dem Menschendrama des letzten Jahrhunderts nicht zu einem
Blick für den Sinn des Ganzen finden; die vom .Fragment' her sogar
an dem .Ganzen' scheitern? Daneben steht eine ebenso ernste und
dringende Forderung auf, nämlich die nach der Lösung zahlreicher
einzelner Fragen und Aufgaben, die von der Geschichtsforschung
her kommen (erinnert sei an Balthasars Kritik an der kritischen
Exegese, im Ganzen seines theologischen Entwurfs durchaus verständlich
und innerhalb seines Ansatzes weithin berechtigt), ferner
von der Religionswissenschaft, sodann heute in zunehmendem
Maß von Naturwissenschaft, Soziologie, Psychologie, Medizin u. a.
Solche Aufgaben werden heute für den Theologen zu einer Herausforderung
, oft auch zu einer Gefährdung, wobei ein Ausweichen
nicht erlaubt ist, um der Menschen willen, ja um der Kirche
willen, der er dient; denn auch er ist ja ein Mann der Kirche in dieser
Welt, wie sie nun einmal ist. Die Kirche braucht sie beide: die
Genies der großen Synthese und die Analytiker, die sich der Probleme
annehmen, die von den modernen Wissenschaften und
einem gewandelten Weltbild her auf die Theologie zukommen.
Von einer anderen Perspektive her fiel bei den Kirchenvätern das
symbolhafte Wort: „Lilien und Rosen sollen ihr (der Kirche) nicht
fehlen"; die Kirche bedarf der Bekenner und der Märtyrer. -

Bleibt noch ein Wort des Dankes an Herausgeber und Verlag für
die gediegene Ausstattung dieses Bandes. Er gibt dem Leser, was
er ihm mit dem Titel verspricht. Am Ende des Werkes ist ein Verzeichnis
der Herausgeber und Autoren angefügt, das zusammengefaßte
biographische und literarische Notizen bringt. Der Leser
wird auch dafür dankbar sein, weil es ihm indirekt das Bild Balthasars
abrundet.

Erfurt Fritz HofTmann

Systematische Theologie: Dogmatik

Koch, Kurt: Der Gott der Geschichte. Theologie der Geschichte bei
Wolfhart Pannenberg als Paradigma einer philosophischen Theologie
in ökumenischer Perspektive. Mainz: Grünewald 1988, 469 S.
gr. 8° = Tübinger Theologische Studien, 32. Kart. DM64,-.

In seiner 1967 von der katholisch-theologischen Fakultät Luzern
angenommen Dissertation setzt sich K. Koch (= Vf.) das Ziel, „die
geschichtstheologische Konzeption Wolfhart Pannenbergs in ihrer
genetischen Ausfaltung und in ihrer systematischen Entfaltung" darzustellen
und „als Paradimga einer philosophischen Theologie" zu
gewichten (19). Mit dieser Zielsetzung verbindet Vf. zugleich die weiteren
Absichten, sowohl Pannenbergs (= P.) Konzeption als eine
ökumenisch verankerte philosophische Theologie zu erweisen als
auch deren einseitige, von Vorurteilen bestimmte Rezeption innerhalb
der deutschsprachigen - vor allem: evangelischen - Theologie zu
korrigieren. Seinem Vorhaben entsprechend beschäftigt sich Vf. vorrangig
mit den fundamentaltheologischen Grundlagen P.S. so daß er
nur dort, wo es im Zusammenhang der geschichtstheologischen,
anthropologischen, religions- und christentumsgeschichtlichen Darlegungen
als notwendig erscheint, auch material-dogmatische
Aspekte in die Diskussion einbezieht. Diese Zielsetzung wird im
ersten Hauptteil (21-53) unter Berücksichtigung biographischer und
rezeptionsgeschichtlicher Gesichtspunkte erläutert.

Im zweiten Hauptteil (55-276) behandelt Vf. nacheinander den
Zusammenhang von Geschichte und indirekter Selbstoffenbarung
Gottes (56-121), die fundamentaltheologisch angelegte Anthropologie
, die im Sinne einer Kritik der Religionskritik die religiöse Dimension
der menschlichen Bestimmung offenlegen will (121-211),

und die in der Perspektive des Erwählungshandelns Gottes gesichtete
und im Hinblick auf die Neuzeit gewichtete Christentumsgeschichte
(211-276). Dabei geht Vf. jeweils so vor, daß er zunächst den theo-
logie- und geistesgeschichtlichen Hintergrund skizziert, um dann die
betreffende Konzeption P.s zu entfalten, die er schließlich in Auseinandersetzung
mit der bisherigen P.-Kritik zu erhärten versucht. Abgeschlossen
werden diese Bemühungen durch jeweils parallel gehaltene
Formulierungen (120, 210f, 275f, 2790, die der Hauptfrage der
Untersuchung gelten, ob und inwieweit P.s Geschichtstheologie als
natürliche bzw. philosophische Theologie zu gelten habe. Bei den
geschichtstheologischen, anthropologischen und christentumsgeschichtlichen
Untersuchungen gelangt Vf. zu der vorläufig-hypothetischen
Differenzierung des Begriffs der natürlichen Theologie. P.s
Theologie sei nicht in dem Sinne als natürliche Theologie zu verstehen
, daß sie in Anpassung an „einen ihr bereits vorgegebenen Rahmen
eines natürlichen Gottesbewußtseins" das christlich-theologische
Selbst-, Welt- und Gottesverständnis expliziere. Vielmehr
müsse P.s Geschichtstheologie insofern als zugleich philosophische
Theologie begriffen werden, als sie das an die alles bestimmende
Wirklichkeit Gottes gebundene Thema der Theologie „auf das Ganze
der gegenwärtig zugänglichen Erfahrungswirklichkeit des Menschen
zu beziehen und in diesem universalen Kontext einer kritischen
Bewährung auszusetzen" (280) habe.

Das so exponierte Verständnis philosophischer Theologie versucht
Vf., im 3. Hauptteil (277-423) und im zusammenfassenden „Epilog"
(425-431) anhand der Auseinandersetzung P.s mit dem Atheismus
und der radikalen Religionskritik zu vertiefen (280-306) und auf dem
Hintergrund des auch konfessionell geprägten Streites „um die Legitimität
von .natürlicher Theologie'" (306-403) zu bewähren. Daraus
zieht Vf. die Konsequenz, daß P. durch seine Konzeption natürlicher
Theologie konfessionsbedingte Engführungen und Grenzen insoweit
überschreite, als er unter Aufrechterhaltung der „Spannung von
theo-logixher Universalität und christologischer Konzentration"
(428) die philosophische als Offenbarungstheologie und umgekehrt
expliziere. Problematisch bleibt jedoch die katholische Sicht, derzu-
folge Vf. die philosophische Theologie P.s zu einer „sakramentale(n)
Theologie in ökumenischer Hinsicht" (403-423) auszuziehen
gedenkt. Logisch und sachlich gesehen bleibt unklar, wie sich der auf
den Begriff des Geheimnisses (mysterion) zurückgeführte Sakramentsbegriff
(406) mit der „Kategorie der Transparenz" (420) so verbinden
lasse, daß Transzendenz und Immanenz wechselseitig ineinander
scheinen. Die Begriffe .Geheimnis' und .Transparenz' in derselben
Hinsicht auf dasselbe logische Subjekt zu beziehen, ist offensichtlich
weder mit den logischen Grundlagen einer philosophischen Theologie
noch mit dem Begriff der Selbstoffenbarung vereinbar.

Obwohl Vf. sich fortlaufend mit den Kritikern P.s auseinandersetzt
und zu Recht eine Reihe von Einwänden vor allem aus dem Lager der
Wort-Gottes-Theologie als durch Vorurteile und Unkenntnisse belastete
Mißverständnisse zurückweist, verbindet er mit seiner eigenen
Darstellung in weitem Maße apologetische Absichten. Nur an einer
Stelle greift er die von J. B. Metz geäußerte Kritik an dem ...idealistischen
' Grundzug" der Geschichtstheologie P.s auf, der dazu führe,
daß der sozialgeschichtliche Charakter hinter die einseitig geistesgeschichtliche
Auffassung der Geschichte zurücktrete (3930- Trotz
der durchaus berechtigten Stoßrichtung dieser Kritik dürfte aber ihre
von Metz übernommene Begründung allzu plakativ und vordergründig
ausfallen. Denn für den Idealismus eines Kant, Fichte und Hegel
gilt gerade, daß Geschichte nicht bloß als „Reflcxionskategorie",
sondern als „Kategorie der praktischen Vernunft" (bzw. des objektiven
Geistes ) vergegenwärtigt wird. Und die Behauptung, daß P. die
„gesellschaftliche Dimension" wegen „seiner prioritärcn Option für
die ,rechte' Wirkungsgeschichte des Denkens des Idealismus" (394)
vernachlässigt habe, läßt sich schon deshalb nicht so aufrecht erhalten
, weil die „rechten" Hegel-Schüler mitnichten bloß apolitische und
gesellschaftsferne Theoretiker gewesen sind. Die sozialgeschichtlichen
Desiderate einerseits und die zu einer religiösen Einheitskultur