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Ausgabe:

1990

Spalte:

54-56

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schlaudraff, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Heil als Geschichte 1990

Rezensent:

Fangmeier, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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^ingbar an die teleologische Auffassung der Natur gebunden, die in handlung „Der Weg der Theologie im 20. Jahrhundert" setzt ein mit

er Begründungsstrategie von J. die vakant gewordene Stelle Gottes einer eher sozialgeschichtlichen Charakterisierung der Geisteswelt des

^etzen so"- die freilich nicht, wie M. mißverständlich formuliert 19. Jh. und des Aufbruchs der Theologie im 20. Jh. Danach bündelt

0111 einer ..transzendentalphilosophischen Begründung" in Zu- sie unter drei Gesichtspunkten den Gang und die Hauptanliegen der

^mmenhang gebracht werden sollte. Die für J.' Denken schlechter- Theologie des 20. Jh.: das Bemühen um säkulare Relevanz (Pro-

sich^ entSC'1e'^enc'e Annahme der teleologisch bestimmten Natur, die gramm der Entmythologisierung, Säkularisationstheologie, Theologie

einer unzulässigen Verallgemeinerung einer subjektiven Erfah- der Befreiung); das Bemühen um christliche Identität (Bedeutung des

™ng der eigenen Leiblichkeit verdankt, unterzieht M. in Aufnahme AT, Christologie); die ökumenische Dimension der Theologie (von

' artmanns und der wissenschaftstheoretischen Grundlagen der einer Schilderung des Weges der Faith-and-Order-Kommission, deren

F ernen Biologie einer vernichtenden Kritik, die zugleich durch Mitglied M. lange Zeit war, bis hin zum Gespräch mit dem Judentum.

rse zur Teleologie bei Piaton und Aristoteles ergänzt und bestä- den übrigen Religionen, dem Bemühen um eine menschliche Welt).

(jgs Wlrd' ^urcn diese Kritik hat M. eine entscheidende Schwachstelle Die zweite Abhandlung des Büchleins, „Heutige Vermittlungen der

P^S '' sehen Verantwortungskonzepts aufgedeckt. Das teleologische Theologie", handelt über Existentialtheologie (R. Bultmann). Trans-

en, das auf die Formulierung menschlicher Handlungsziele zu zendentaltheologie (K. Rahner), Kulturtheologie (P. Tillich) sowie
tive enZen 'St' ^ann 'm ^hmen der Naturbetrachtung keine konstitu- über politische Theologie. Zum Teil überschneiden sich also die
fftr, **ec*eutuns erlangen, so „daß ein teleologisch verstandenes Sein Inhalte beider Aufsätze. Das Vorwort gibt Aufschluß über die spezi-
^_ die Begründung eines Sollens ... keine Basis abgibt" (110). Durch fische Absicht des Vf.: Nicht nur eine Darstellung gegenwärtiger
le -Erschütterung der Naturteleologie" (III) ist eine Verantwor- Theologie und auch nicht nur Vergegenwärtigung im Sinne der her-
°~ ethik gezwungen, das von ihr beanspruchte ethische Sollen auf meneutischen Vermittlung früherer Gestalten von Theologie will M.
Un^ere Weise zu rechtfertigen. In Aufnahme der von E. Tugendhat leisten. Vielmehr: „Gegenwärtige Theologie und die Vergegenwärtige
! toi ^'0'^un,ernornrneneri Überlegungen zum moralischen Sollen gung der Theologie zielen auf die .Gegenwart der Theologie' im gött-
tiv h!f *t. ZU dem ErSebnis- daß sich ein Sollen „nur als eine subjek- liehen KairosderZeit." (S. 90

jeweT81^11*3'^6 *r°rc'erun8" ('25) formulieren lasse, die von der Es ist der Reiz dieser Beiträge, daß sie im Zuge der Auswahl und

lgen Zielsetzung individueller Lebenskonzepte abhänge. Unter Akzentuierung des - jeweils nur in groben Zügen - Dargestellten die

bar ' gung 'st jedoch die Behauptung M.s nicht nachvollzieh- engagierte und wertende Handschrift des Vf. sichtbar machen. Daß

sierte"11 S°'len ^erantwortungsbegrilT „das Substrat einer säkulari- christliche Theologie von der Eschatologie her entworfen werden

Ve Cp t'le0'O8'sc'1en Ethik" erblicken zu wollen, „der die unbedingte muß (S. 31) und daß sie im Zentrum Kreuzestheologie (zwischen

abl lcntung zu einem Tun nicht mehr von dem Gebot eines Gottes Erinnerung und Hoffnung, also in Ablösung der Alternative .Christo-

"lit^d6' SOnc'ern aus c'ern der Natur inhärenten Sollen" (126). Denn logie von oben oder von unten') zu sein habe (S. 44f), das sind grund-

er Destruktion der Naturteleologie entfällt auch die Berechti- legende Aussagen der Theologie J. Moltmanns. Daß unter den

■"aurn/011 e'nem "t*er Natur inhärenten Sollen" zu sprechen. Das Befreiungstheologien die „feministische Befreiungstheologie" beson-

Ethik' ^ 3UC'1 dann se'ber ein. wenn erj. vorwirft, seine teleologische dere Aufmerksamkeit verdient (S. 30), daß in der Hinwendung zum

sitze einem naturalistischen Fehlschluß auf( 134). Alten Testament und im Gespräch mit jüdischem Glauben von einer

der jCrsucnt 'rn "'• Hauptteil (127-146). die Begründungsdefizite „prophetischen Gemeinschaft" zu reden ist, derzufolge „durch die

^ ^ sehen Verantwortungsethik durch die Rezeption von Botschaft des Neuen Testaments .. . Menschen aus allen Völkern in

fragw"WeitZCrS ^u'turetn'k zu korrigieren. Aber abgesehen von ihrer die Hoffnungen Israels hineingenommem" werden (S. 41. vgl. S. 83),

j^V~,Jjgen mystisch-religiösen Fundierung dürfte die Parole „Ehr- und daß die anthropologische Begründung der Theologie, wie sie bei

vor dem Leben" einer mystifizierenden Vcrharmlosung des Bultmann, Rahner und Tillich vorliegt, durch eine politische Theolo-

Selb n ur,d außermenschlichen Lebens und seines Dranges zur gie. die den Blick auf die Subjektivität des einzelnen Menschen über-

der Sternaltung gleichkommen. Die unbeabsichtigten Folgeproblemc schreitet, überholt werden muß (S. 94ff, vgl. S. 84). das sind ebenfalls

Mod °'<0norn'sch-technisch-wissenschaftIichen Zivilisation der deutliche und bekannte Optionen des Vf. Daß dies auch dazu führt,

nat 'assen s'cn weder durch die Aufwärmung mystischer oder Fragestellungen de facto auszublenden, wie sie z. B. durch die Deu-

e'eologischer Denkweisen noch durch Versuche zur Revitalisie- tung der Neuzeit und insbesondere des neuzeitlichen religiösen
sn^ulrj* ^enaturalisierung der sozial gesteuerten Kultur lösen. Eine Bewußtseins bei T. Rendtorff, W. Pannenberg, aber auch bei G. Ebe-
p ,'a konzipierte Verantwortungsethik hat sich in der Tat „um die ling aufgeworfen wurden oder wie sie das Gespräch mit den Human-
dann6" dese'genen Handelns in der Zukunft zu bemühen" (123). Aber Wissenschaften bis hin zur Sprachphilosophie mit sich gebracht hat.
,jes ^.lst es- w'e schon M. Weber wußte, entscheidend, daß die Folgen und daß unterwegs auch kaum vertretbare Pauschalisierungen begeg-
den nandelnden Subjekten oder Systemen zugerechnet wer- nen - etwa in der Behauptung, die Kirchen und Theologen des 19. Jh.
gelöst °n denen <"ese Eolgen beabsichtigt oder unbeabsichtigt aus- hätten dem Liberalismus und der wissenschaftlich-technischen Ratio-
Einst i^erden' Nicht eine neue - in der Regel: reromantisierende- nalität im 19. Jh. „durchweg" Widerstand geleistet und politisch kon-
deri) . 8 zur Natur und zum Leben ist das Gebot der Stunde, son- servativ votiert (S. 15, vgl. S. 14) -, zeigt kritische Punkte dieser in
eine Sozialethik, die negative Folgen des Handelns den diese Fol- ihrer Weise genialen Einblicke in die Theologie unserer Zeit,
erzeugenden Svstemen zuzurechnen weiß. . . .

w. Leipzig Ulrich Kühn
len Falk Wagner

e„ . SchlaudratT, Karl-Heinz: „Heil als Geschichte"? Die Frage nach dem

systematische Theologie: Allgemeines

heilsgeschichtlichen Denken, dargestellt anhand der Konzeption
Oscar Cullmanns. Mit einem Vorwort von O. Cullmann. Tübin-
M°'tmann. Jürgen: Was ist heute Theologie? Zwei Beiträge zu ihrer gen: Mohr 1988. XXI. 282 S. gr. 8' = Beiträge zur Geschichte der
^rgegenwärtigung. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1988. 102 S. biblischen Exegese, 29. Lw. DM 128,-.

8 =Quaestiones Disputatae.il 4. Kart. DM 19,80. ' .„ , ...... .....,

Gewiß geht es in diesem Buch letzlich mehr um die theologische
"t. legt in dieser Veröffentlichung zwei Abhandlungen vor, die Sache als um Personen. Und doch kann die Arbeit von Schlaudraffals
(j.^Prunglich 1984 und 1986 für die in Rom erscheinende „Enciclope- eine Monographie über Oscar Cullmann gelten: den langjährigen
a del Novecento" verfaßt und nun dankenswerter Weise auch dem Basler (und Pariser) Ordinarius für Neues Testament und alte Kir-
•schsprachigen Leser zugänglich gemacht wurden. Die erste Ab- chengeschichte, der im frankophonen und angelsächsischen Raum.