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Ausgabe:

1990

Spalte:

51-53

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Müller, Wolfgang Erich

Titel/Untertitel:

Der Begriff der Verantwortung bei Hans Jonas 1990

Rezensent:

Wagner, Falk

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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durch die Hgg. (VII—VIII), eine biographische und persönliche Würdigung
durch seinen Sohn Reuven Avi-Yonah (IX-XI) sowie einige
Erinnerungen an den Lehrer, Kollegen und Freund aus der Feder
Abraham Negevs (XII). Im Zentrum von Avi-Yonahs Forschungen
als Archäologe und Historiker stand der Zeitraum vom Ausgang der
persischen Periode bis zum Anfang der islamischen Zeit. Die Beiträge
des Gedenkbandes beziehen sich in ihrer Thematik sämtlich auf diesen
Zeitraum. Sie bezeugen die mannigfaltigen Anregungen, die von
Avi Yonahs Wirken auf seinen großen Schülerkreis und überhaupt
auf die archäologische Arbeit im Heiligen Lande ausgingen. Sein
wissenschaftliches Erbe würdigt Eric M. Meyers ausführlich (Judaic
Studies and Archaeology: The Rochaeology: The Legacy of M. Avi-
Yonah, 21*-27*). Die Zahl der Beiträge ist groß. Hier seien nur Verfasser
und Titel der umfangreicheren Arbeiten mitgeteilt.

Non-HcbrewSeclion. C. Dauphine. Lecataloguedessitesby zantinesde la
Palestine: buts, methodes et limites d'une etude demographique (2*-9*);
L. Mildenberg, Baana. Preliminary Studies of the Local Coinage in the Fifth
Persian Satrapy (28*-35*); V.Tzaferis, The Early Christian Church and
Greek Inscriptions from Evron (36*—53*); G. D. Weinberg, Specialized Pro-
duction in a Late Roman Glass Factory (62*-70*).

Hebrew Section (mit Zusammenfassungen in englischer Sprache): R. Barkay
, Four Samaritan Sarcophagi of the Roman Period (6-18); M.Gichon.
The Courtyard Fortress in Roman Palestine (19-30); S. Dar & J. M intzker,
A Roman Temple at Senaim. Mount Hermon (30-45); R. Hachlili, On the
Mosaicists of the "School of Gaza" (46-58); Z. Yeivin, On the "Medium-
Sized City" (59-71); Y.Magen. The Western Mausoleum at Neapolis
(72-91); E. Netzer, The Augusteum at Samaria-Sebaste - A New Outlook
(97-105); A. Segal, Theatres in Eretz-lsrael in the Roman-Byzantine Period
(106-124); A. Kloner & Y. Hirschfeld, Khirbet el-Qasr - A Byzentine
Fort with an Olive Press in the Judean Desert (132-141); M. Rosen-Aya-
Ion. In Quest of the Early Roots of an Islamic Glazed Ware (142-152);
E.Stern, TheWallsofDor(l53-159);Z. Ilan. A Survey of Ancient Synago-
gues in Galilee (169-198); A. Biran & Y.Shoham. Remainsofa Synagogue
and of Sugar Installations at Yesud Hama'alah (199-207); O. Yogev, The
Synagogue at Ma'on - New Discoveries (208-215); J. Magness, The Potlery
from the 1980 Excavations at Ma'on (Nirim) (216-224); G. Foerster, The
Zodiac in Ancient Synagogues and its Place in JewishThought and Literature
(225-234); Z. Meshel & I. Roll, A Fort and Inscriplion from the Time of
Diocletian at Yotvata (248-265); J. Patrich & L. Di Segni, New Greek
Inscriptions from the MonasteryofTheoctistus in the Judean Desert (272-281);
Y.Shiloh, South Arabian Inscriptions of the Iron Agell from Jerusalem
(288-294); P. Benoit, Le pretoire de Pilate ä l'epoque byzantine (303-309);
M.Herschkovitz, The Pottery of the First and Second Centuries CE from
Giv'at Ram (314-325); R. Reich, "... From Gad Yawan to Shiloah" - On
the History oftheGihon Spring in the Second Temple Period (330-333).

K.-H.B.

Philosophie, Religionsphilosophie

Müller, Wolfgang Erich: Der Begriff der Verantwortung bei Hans
Jonas. Frankfurt/M.: Athenäum 1988. 148 S. gr. 8° = Athenäum
Monografien, Theologie, 1. geb. DM 48,-.

Das Wort „Verantwortung" ist gegenwärtig in aller Munde. Gleichwohl
konnte 1974 zu Recht festgestellt werden, daß „wir heute noch
weit davon entfernt sind, die Verantwortung als philosophischen
Grundbegriff hinreichend formulieren zu können" (J. Schwartländer.
Verantwortung, in: Hb. philosophischer Grundbegriffe, Bd. 6, München
1974, 1577-1588, hier 1577). Fünfzehn Jahre später scheint dieses
Urteil revidiert werden zu müssen: Als Folge des 1979 von Hans
Jonas (= J.) publizierten und sehr schnell populär gewordenen Buches
„Das Prinzip der Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische
Zivilisation" scheint der ethisch-sozialethisch verwendete
Verantwortungsbegriff auf eine offensichtlich solide Grundlage gestellt
worden zu sein. Wenigstens drängt sich dieser Eindruck auf,
wenn man den oftmals euphorisch klingenden Stimmführern der
Meinungsbörsen zu folgen geneigt ist, die dem hohen Lied der Verantwortung
zu einer stattlichen Marktgängigkeit verholfen haben. Eine
wohlfeile Redensart setzt sich allerdings ebenso schnell dem Verdacht
aus, die beschworene Verantwortung in ein modisch-leeres und somit
verantwortungsloses „Gerede" zu verkehren. Dieser kaum, zu leugnenden
Tendenz versucht Wolfgang Erich Müller (= M.), Privatdozent
für Systematische Theologie an der Universität Hamburg, durch eine
genaue und detaillierte Untersuchung des von J. explizierten Verantwortungsbegriffs
entgegenzuwirken. Durch die Offenlegung der meta-
physisch-ontologischen und der ethisch-deontologischen Grundlagen
sollen die Tragfähigkeit und Reichweite des „Prinzips Verantwortung
" überprüft werden, so daß schließlich auch die Frage beantwortet
werden kann, ob und inwieweit dieses Prinzip dazu tauge, zum entscheidenden
Grundsatz einer Ethik der ökonomisch-technisch-wissenschaftlichen
Zivilisation erhoben zu werden. So liegt das Schwergewicht
der Abhandlung M.s zwar auf einer kritischen Auseinandersetzung
mit den philosophischen Voraussetzungen der Verantwortungsethik
von J. Aber diese bis zur Destruktion ausgezogene Kritik
erfolgt auf der Basis eines Bewußtseins, das M. mit J. teilt : Die fachwissenschaftlich
als Nebenfolgen oder externe Effekte apostrophierten
negativen Auswirkungen der ökonomisch-technisch-wissenschaftlichen
Zivilisation für die menschliche Lebenswelt und ihre natürlichkulturelle
Umwelt machen die Ausbildung eines allgemein verbindlichen
sozialethischen Verantwortungsbegriffs notwendig. Aber das
gegen die Hypertrophie utopischer Hoffnungen gerichtete „Prinzip
Verantwortung" sollte sich seiner Selbstanwendung nicht verschließen
: Ein „Prinzip Verantwortung", das auf höchst fragwürdigen
Grundannahmen beruhte, nährte eitle Hoffnungen, die als nicht
gewollte Nebenwirkungen nicht weniger verantwortungslos wären als
die sogenannten externen Effekte, für deren Produktion und Kontrolle
sich die Ökonomie unzuständig weiß.

Im I. Hauptteil (13-65) stellt M. die J.sche verantwortungsethische
Konzeption so vor, daß er im Ausgang von den bekannten negativen
Folgen der.ökonomisch-technisch-wissenschaftlichen Zivilisation der
Moderne, die vorrangig an dem Utilitarismus verpflichteter Verwertbarkeit
der unbelebten und belebten Natur orientiert ist, den Begriff
einer teleologisch geleiteten Naturordnung akzentuiert, den J. auf der
Grundlage einer „metaphysischen Denkstruktur" (29) „zum Absoluten
" (28) erhebe. Die in der Selbstzweckhaftigkeit des Lebens gipfelnde
teleologische Naturordnung soll von vornherein die Pflicht zu
ihrer seinsmäßig-werthaften Selbsterhaltung einschließen. Der
Mensch habe der zweckbestimmten „Wertentscheidung der Natur"
(44) dadurch beizupflichten, daß er zusammen mit der Erhaltung der
Natur sein eigenes Überleben sichert. Ein aus der axiologisch gewendeten
Naturteleologie abgeleitetes Sollen ziele auf die Pflicht, durch
die Gestaltung des gegenwärtigen Daseins der Menschheit die Existenz
zukünftiger Generationen zu sichern. Diese „Notstandsethik der
bedrohten Zukunft" (52) soll insofern eine allgemein verbindliche
Geltung erlangen können, als sie sich aus der Zweck- und Wertbestimmtheit
des natürlichen Lebens ableiten lasse. Folglich sei das
Leben zugleich die Instanz, vor der und für die der Mensch verantwortlich
sei (65). J. versucht zwar auch, in Aufnahme des kabbalistischen
„zinzum"-Begriffs und durch eigene mythische Gedankenbildungen
eine Verantwortung des Menschen „vor sich für Gott" zu formulieren
; gleichwohl mißt er diesem Versuch nur „subjektive Gültigkeit
, aber keine Allgemeinverbindlichkeit" (65) zu.

Im II. Hauptteil (67-126) geht M. der „Verschränkung von Metaphysik
, Teleologie und Sollensproblematik" (12) nach, um auf diese
Weise die Grundvoraussetzungen der J.schen Verantwortungsethik
kritisch zu sichten. Dabei gelangt er zu weitgehend negativen Resultaten
: Ein Vergleich mit Leibnitz' Metaphysik der individuellen Existenz
zeigt, daß J. die „Pflicht zum Dasein künftiger Menschheit" (78)
nur auf zirkuläre Weise zu begründen vermag. Von dem immer schon
essentiell, nämlich wert- und zweckhaft bestimmten Sein des Lebens
wird umstandslos auf die Pflicht zu dessen Erhaltung geschlossen.
Diese Vorgehensweise setzt nicht nur die ungebrochene „Vorstellung
einer .. . heilen Welt der Natur" (84) voraus; sie ist überdies unab-