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Ausgabe: | 1990 |
Spalte: | 692-693 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Titel/Untertitel: | Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts 1990 |
Rezensent: | Bräuer, Siegfried |
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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 9
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sind übersichtliche synoptische Vergleiche zu einzelnen Texten beigegeben
. Nur einige Aspekte der Kommentierung können hier
erwähnt werden. Der Traktat über die beiden Wege stammt aus dem
Umfeld Jüdische(r) religiöse(r) Gemeinschaften von 'Erweckten'",
denen er ..als Gemeinschaftsregel gedient hat" (S. 87). Die ,,Sectio
evangelica" in l,3b-2,l ist keine späte Glosse, sondern sie stammt
vom Didachisten, ..der seine Vorlage an dieser Stelle unterbricht und
durch eine Reihe von Reminiszenzen aus der synoptischen Tradition
anreichert" (S. 94; lediglich 1,4a sei wirklich nachträglich - in unterschiedlichen
Formulierungen - interpoliert worden, S. 1041); einen
solchen redaktionellen Zusatz des Vf. findet N. auch in 6,2f. Beide
Ergänzungen sollten dazu dienen, den Traktat zu christianisieren
(S. 152-157). In 7,1-10,7 verwendet der Didachist eine „Agende" der
kultischen Handlungen Taufe und 'eucharistia', wobei außer der
redaktionellen Überleitung 7.1 und der Anweisung über Fasten und
Gebet 8,1 -3 vor allem 9.5 und 10.7 vom Didachisten stammen. (Hingegen
sei das Gebet über das Salböl im Anschluß an 10,7 erst um 200
in den Text interpoliert worden, „wobei die archaische Sprache der
vorangehenden Gebete imitiert wurde", S. 209). Die vieldiskutierten
Mahlgebete in Kap. 9. 10 gehören als Teil eines Agapemahls zur Vorbereitung
der Herrenmahlfeier, die sich an die in 10,6 ausgesprochene
Einladung anschloß (r.i'r/apimia in 9.1 bezeichne also offenbar noch
ein nicht-sakramentales Mahl, S. 180). Als offenes Problem bleibe,
warum die Einsetzungsworte zum Herrenmahl nicht überliefert sind.
Den Hinweis auf die Arkandisziplin weist N. mit Recht zurück, da
eine solche zu dieser Zeit in der Kirche noch nicht existierte (S. 179f);
aber gerade dann wäre m. E. von 9.5 her (Ausschluß der Ungetauftcn,
den auch N. auf das Sakrament bezieht, S. 191) zu fragen, ob es sich
nicht um ein sakramentales Mahl handelt, das mit dem Herrenmahl
nicht identisch ist (N. deutet an, daß das Gebet „beinahe den Charakter
eines 'Deutewortes'" trägt, S. 191). so daß die Einsetzungsworte
überhaupt nicht „fehlen" würden.
In der Kirchenordnung in Kap. 11-15 stammen nur die Aussagen
über die Wanderapostel und -propjieten (11,4-12) aus einer Vorlage;
das übrige hat der Didachist selbst formuliert, weil er sich genötigt sah,
die Tradition, der er treu bleiben wollte, „an die Gegenwart anzupassen
, also Anweisungen für die neuen sozialen Verhältnisse zu
geben" (S. 211). Diese vordidachistische Tradition sei sehr alt - der
Kreis der dnöaroXoi ist noch offen, und man kennt, wie 11,5c zeigt,
das Wort i//evöam')ozo/.OQ noch nicht (S. 215). Die wandernden Propheten
stehen, wie 11,8 erkennen läßt, „in der Kontinuität mit der
Lebenspraxis Jesu" - es bestehe „ein sozialer und traditionsgeschichtlicher
Zusammenhang" (S. 219).
Innerhalb von Kap. 16 sieht N. in V. 3-8 „eine kleine, aber gut
disponierte christliche Apokalypse", die in V. 7 redaktionell erweitert
worden sei (S. 260). Der ursprünglich folgende Schluß, vermutlich
eine Schilderung des Weltgerichts, sei weggebrochen; die - freilich
sehr problematische, S. 44f - georgische Übersetzung habe offenbar
eine noch vollständige griechische Vorlage gehabt (S. 269).
Die „Lehre der zwölf Apostel" ist sicher keine bedeutendes theologisches
Werk, wohl aber ein kirchen- und liturgiegeschichtliches
Dokument von hohem Rang. N.s Kommentar wird, gerade weil er auf
komplizierte Hypothesen und kühne Rekonstruktionsversuche verzichtet
, die künftige Arbeit an dieser Schrift entscheidend bestimmen
.
Bethel Andreas Lindemann
Babcock, William S.: Tyconius: The Book of Rules. Transl., with an
Introduction and Notes. Atlanta, GA: Scholars 1989. XIV, 153 S.
gr. 8" = SBL. Texts and Translations, 31. Early Christian Literature
Series,7. Kart. $9.95.
Das um 380 entstandene .Liber regularum' ist neben dem Fragment
eines Apokalypse-Kommentars das einzige Werk des Donatisten
Tyconius (Ticonius), das uns überliefert wurde. Es hatte als erste lateinische
Hermeneutik eine große Bedeutung, die sich u. a. durch die
Aufnahme in Augustins .De doctrina christiana' (3,30-37) ausdrückt.
Augustin zitiert die sieben Regeln ausführlich und würdigt sie kritisch
, worauf die langanhaltende Nachwirkung des kleinen Werkes
vor allem beruht. Gennadius v. Massilia erwähnt das Buch dann auch
in seiner Fortsetzung von Hieronymus .De viris illustribus' (18) als
Regeln zur Erforschung und Sinnfindung der Schriften.
Eine kritische Edition durch /•'. C. Burkitt in der Reihe "Text and
Studies" 3,1, Cambridge 1894, löste den Druck bei Mignc,
PL 18,15-66 ab. Babcocks Ausgabe beruht nun völlig auf der
kritischen Arbeit von Burkitt, modernisiert lediglich im- in in- und u
in v. Dem lateinischen Text gegenübergestellt ist eine moderne
englische Übersetzung, die im Gegensatz zum Original Bibelstellen
nachweist und weitere, aber nur wenige erläuternde Anmerkungen
anführt.
Hier liegt der Sinn dieser Ausgabe für den englischsprachigen
Raum. Der lateinische Text ist immer noch besser bei Burkitt zu
benutzen. Leider sind Babcock auch die Varianten zum Burkitt-Text
entgangen, die A. Souter'wn Journal of Theological Studies I I, Oxford
1910. 562f veröffentlicht hatte und deren Einarbeitung allein einen
dann verbesserten Neudruck gerechtfertigt hätte.
Wichtig sind lediglich einige Literaturangaben (S. XII) bis 1988. die
zeigen, daß die sieben Regeln des Tyconius gerade in den letzten
Jahren wieder verstärkt in das Interesse der Forschunggerückt sind.
Berlin Hans-Ulrich Delius
Kirchengeschichte: Reformationszeit
Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des
XVI. Jahrhunderts - VD 16 -. Hg. von der Bayerischen Staatsbibliothek
München in Verb, mit der Herzog August Bibliothek in
Wolfenbüttel. I. Abt.: Verfasser - Körperschaften - Anonyma.
Bd. 12: Lut-Mann. VI, 692 S. Bd. 13: Mano-Mik. VII, 663 S. Stuttgart
: Hiersemann 1988. 2°. Lw. je DM 260.-.
VD 16 zählt längst zu den Standartwerken der Druck-Bibliographie
. Dazu haben vor allem das zügige Erscheinen der Bände und
das Bemühen um Vollständigkeit beigetragen. Die Mängel, die gleich
zu Anfang von Rezensenten beklagt wurden (vgl. z. B. ThLZ 109,
1984, 333-336; 110. 1985, 441 f) haben daran nichts geändert.
Bearbeiter und Verlag können inzwischen auf eine ungewöhnliche
Leistung zurückblicken.
Der größte Teil von Bd. 12 (3-557) wird von der riesigen Zahl der
Lutherdruckc des 16. Jahrhunderts beansprucht (L 3307 - L 7642).
Den Bearbeitern standen hier die vortrefflichen Bibliographien von
J. Benzing bzw. H. Claus/M. A. Pegg zur VerFügung, die sich allerdings
auf die Drucke bis zu Luthers Tod beschränken. Die Stoffmenge
(weit mehr als 4300 Drucke) ist gemäß der Anlage von VD 16 nach
formalen Gesichtspunkten gegliedert, d. h., die Titel sind alphabetisch
nach dem Initienprinzip verzeichnet. Den Einzeltiteln ist eine Übersicht
aller Titel mit Fundnachweisen vorangestellt worden. Das
erleichtert das Auffinden. Die einzelnen Schriften sind nach Erscheinungsjahren
untergliedert, die Drucke einer Schrift im gleichen Jahr
wiederum alphabetisch nach Erscheinungsorten. Der Benutzer muß
dieses formale Gliederungsprinzip als Notwendigkeit akzeptieren.
Die Nachteile sind zumindest an einer Stelle unübersehbar. Der Erstdruck
einer Lutherschrift bleibt unerkennbar. Ein großer Teil der
Lutherschriften ist zuerst in Wittenberg erschienen. Die Wittenberger
Drucke stehen in VD 16 in der Regel am Ende der Drucke eines
Jahres, während die Auflistung mit den Augsburger Nachdrucken
eröt wird. Im Unterschied zu Benzing hat VD 16 die Schriften, bei
denen Luthers Autorschaft nicht eindeutig feststeht, als „untergeschobene
Werke" anhangsweise für sich gestellt (L 7600-7641).
Dazu gehört beispielsweise der „Tractatulus de his qui ad ecclesias
confugiunt", dessen Echtheit in jüngster Zeit wieder erwogen