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Ausgabe:

1990

Spalte:

44-45

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Frossard, André

Titel/Untertitel:

Die Leidenschaft des Maximilian Kolbe 1990

Rezensent:

Rohde, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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kirche die weitgehende Übereinstimmung von beiden in politischen
Angelegenheiten. Wie es dagegen in Lübeck bis zum Frühjahr 1937
nach anfanglicher Anpassung an die neuen Verhältnisse zur Spaltung
in zwei ev.-luth. Landeskirchen kam, zeigt Wolf-Dieter Hauschild in
seinem Aufsatz „Kirche in Lübeck zwischen Anpassung und Widerstand
". Nach dem Scheitern des Befriedungswerkes des Reichskirchenausschusses
in Lübeck trat dieser zurück.

Die zentrale Figur in dem Aufsatz von Manfred Jakubowski- Ties-
sen, „Gemeinschaftsverein und Nationalsozialismus in Schleswig-
Holstein" ist Karl Möbius, der schon vor der Machtergreifung den
Nationalsozialismus aus seiner Glaubensüberzeugung heraus stark
kritisierte. Nach 1933 versuchte er als Vorsitzender des Gemeinschaftsvereins
Schleswig-Holsteins bei aller Entschiedenheit im Bekenntnis
, wodurch er ein bemerkenswerter Gegner der Weltanschauung
des Regimes blieb, deutlich zu machen, daß die Gemeinschaftsbewegung
nicht in Gegnerschaft zum Staat gesehen werden sollte.
Zwischen Bekenntnisbewegung und Deutschen Christen suchte er
eine Stellung für seinen Verein. In der Judenfrage wandte er sich zwar
gegen die Einführung des Arierparagraphen in der Kirche, nicht aber
gegen die vielen staatlichen Maßnahmen gegen die Juden.

Der Beitrag „- mit einem Schein des Rechts." Notverordnungsregime
und Machtergreifung der Deutschen Christen 1933 nach dem
„Kirchlichen Gesetz- und Verordnungsblatt für den Amtsbezirk des
ev.-luth. Kirchenamtes in Kiel" von Claus Jürgensen referiert kritisch
kommentierend und mit entsprechenden Fragen versehen aus dem
Inhalt des genannten Amtsblattes. Die zwar verständliche polemische
Bewertung ist noch keine Geschichtsschreibung. Sie gipfelt in Sätzen
wie diesen: „Ich halte diese Grundeinstellung nicht für überwunden.
Brauchen kirchenleitende Persönlichkeiten und Gremien die Synoden
wirklich, oder sind diese nur lästig, besonders dann, wenn sie
ihre Rechte in Anspruch nehmen?"

Joachim G. Vehse macht in seinem Beitrag „Das Jugendpastorat für
Schleswig-Holstein und die Auseinandersetzungen um die Eingliederung
der evangelischen Jugend in die Hitlerjugend 1933/34", verbunden
mit der Wiedergabe von Zeitdokumenten und einem Literaturverzeichnis
, vor allem an dem Verhalten der beiden Jugendpastoren
Prehn (1932/33) und Ehmsen (1934-1937) deutlich, daß „alle Verantwortlichen
für die evangelischen Jugendlichen in den Jahren
1933/34 in Schleswig-Holstein das drohende Unheil für die evangelischen
Jugendverbände zunächst völlig verkannt und später unkritisch
unterschätzt haben".

Walther Knoke grenzt seinen Aufsatz „Kirche in den ersten Jahren
der nationalsozialistischen, Herrschaft im Spiegel von Gemeindechroniken
aus dem ländlichen Raum Ostholsteins" auf die Kirchenkreise
Plön und Oldenburg ein. Er betont, daß die Quellengrundlage
weder vollständig noch repräsentativ ist, ist aber bestrebt, Kirchengeschichte
von der Basis der örtlichen Kirchengemeinde aus darzustellen
. Damit macht er allerdings auf einen Quellenbestand aufmerksam
, dessen umfassende und systematische Bearbeitung von größtem
Wert für die Zeitgeschichte ist. Die Art und Weise, wie der Vf. das in
diesem kurzen Aufsatz nur punktuell aufgenommene Material bearbeitet
, ist bemerkenswert, so u. a. auch der Abschnitt über den einzigen
„Volljuden" in der Pastorenschaft ScRleswig-Holsteins, P. Walter
Auerbach (1882-1954, seit 1913 in Altenkrempe) (S. 315ff).

Unter der Überschrift „Eine Volksmissionsfahrt durch die Propstei
Rendsburg vom 17. bis 28. Oktober 1935" wird von Gerhard Hoch
am konkreten Beispiel gezeigt, wie die von der 1. Bekenntnissynode
Schleswig-Holsteins vom 17. Juli 1935 geforderte Volksmission, die
sich gegen das Neuheidentum richten sollte, praktisch durchgeführt
wurde. Sie war nicht ein Akt des Widerstandes gegen den NS-Staat,
seine Ideologie und seine Maßnahmen, sondern gegen eine Kirchenleitung
, die die innere Ordnung und Verfassung der Kirche dem Herrschaftsanspruch
des Staates auslieferte.

Zur knappen Darstellung „Die Berufung und Amtseinführung von
Pastor Rudolf Sohrt in Steinberg, Propstei Nordangeln, durch die
Bekenntnisgemeinschaft 1935/36" läßt Peter Vogt vierzehn kurze

Dokumente abdrucken, die zeigen, wie es der Bekenntnisgemeinschaft
Schleswig-Holstein zum ersten Mal gelang, einen ihrer Kandidaten
ins Pastorenamt zu bekommen.

Zwei Aufsätze betreffen die Nachwirkungen des Kirchenkampfes.
Friedrich Hübner bedauert in einer Abhandlung „Die ,Barmer Theologische
Erklärung' von 1934 als bleibende Herausforderung für die
Nordelbische Evangelisch-lutherische Kirche und die Ökumene",
daß die Verfassung dieser Kirche von 1976 keine Bezugnahme auf die
„Barmer Erklärung" enthält. Deshalb sucht er bei aller kritischen
Betrachtung der Thesen vom lutherischen Bekenntnis her zu verdeutlichen
, wie sehr der Weg zu dieser Kirche eine Frucht der Wirkungsgeschichte
der ersten Bekenntnissynode von Barmen ist.

Kurt Jürgensen geht in seinem Beitrag „Die Schulderklärung der
Evangelischen Kirche in Deutschland und ihre Aufnahme in Schleswig
-Holstein" davon aus, daß die Stuttgarter Schulderklärung am
27. Oktober 1945 im Kieler Kurier vollständig veröffentlicht und damit
in Schleswig-Holstein bekannt wurde. Er befaßt sich mit dem heftigen
Widerspruch, der sich vor allem auch daran entzündete, daß in
dem Zeitungsbericht von „Kriegsschuld" die Rede war, aber dann
auch mit den Bemühungen Bischof Halfmanns, deutlich zu machen,
daß die Kirche nicht „Schuld im politischen Sinne" zu bekennen,
sondern von der „Schuld im religiösen Sinne" zu reden habe.

Nach diesen z. T. bemerkenswerten Aufsätzen bleibt zu hoffen, daß
eine Gesamtdarstellung der Vorgeschichte und Geschichte des Kirchenkampfes
und seiner Nachwirkungen in Schleswig-Holstein bald
geschrieben wird. Vervollständigt wird der Band durch eine Zeittafel
zur politischen, reichskirchlichen und landeskirchlichen Entwicklung
von 1919 bis 1945, eine Bibliographie zum Kirchenkampf in Schleswig
-Holstein mit 51 Titeln sowie Personen-, Orts- und Sachregister.

Emden Menno Smid

Frossard, Andre: Die Leidenschaft des Maximilian Kolbe. Eine Biographie
. Aus dem Franz. von T.-M. Bullinger. Stuttgart: Kreuz
1988. 180 S. 8". Kart. DM 26,80.

Wie der Untertitel aussagt, will dieses Werk des französischen
Autors, das von Theresa-M. Bullinger ins Deutsche übersetzt wurde,
eine Biographie sein. Sie ist dem heutigen polnischen Papst gewidmet,
der im Oktober 1982 Maximilian Kolbe auf Grund seines Märtyrertodes
in Auschwitz heilig gesprochen hat. Sechs Jahre vorher hatte
Papst Paul VI. ihn bereits selig gesprochen.

Diese Lebensbeschreibung ist nicht das Werk eines wissenschaftlich
-objektiv urteilenden Historikers, sondern eines glühenden Verehrers
des dargestellten Helden, und es ist daher für den Rez. schwierig
, ein Buch vorzustellen und zu beurteilen, das ganz aus dem Geiste
einer mystisch-katholischen Volksfrömmigkeit und Wundergläubigkeit
geschrieben ist. Er wird sich deshalb auf eine Inhaltsangabe
beschränken.

Kolbe wurde 1893 geboren und wuchs in einer kinderreichen Familie
auf. Sein Vater, von Beruf Weber, scheint auf Grund seines
Namens deutscher Herkunft gewesen zu sein, doch war er ein polnischer
Patriot, der in der Zeit des Ersten Weltkrieges sein Leben für die
Wiedererlangung der politischen Unabhängigkeit seines besetzten
und geteilten Vaterlandes einsetzte und verlor. Maximilian kam
bereits vor dem Ersten Weltkrieg in ein Franziskanerkloster in Lemberg
, also im österreichischen Teilungsgebiet Polens. Im Jahre 1912
wurde er von dort zum Studium an die päpstliche Gregoriana nach
Rom und an das dortige internationale Franziskanerkolleg entsandt.
1919 kehrte er als Doktor der Philosophie und der Theologie in sein
inzwischen unabhängig gewordenes Vaterland zurück.

Seine Bedeutung in der Zwischenkriegszeit scheint vor allem darin
gelegen zu haben, daß er eine außerordentlich erfolgreiche Zeitschriften
- und Publikationsarbeit religiösen Inhalts an verschiedenen Orten
ins Leben gerufen hat, zuerst in einem Kloster bei Grodno, dann in
Niepokalanow (der „Stadt der Unbefleckten") bei Warschau, schließlich
sogar in Japan, und das alles mit einer sehr angegriffenen Gesund-