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Ausgabe: | 1990 |
Spalte: | 635-636 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Lasst mich doch zu Hause sterben! 1990 |
Rezensent: | Winkler, Eberhard |
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Theologische Litcraturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 8
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Buchtitel angekündigt, zu wenig Raum erhält. Aber die sehr genaue,
au!" persönlichen Beobachtungen basierenden Beschreibungen eines
Nicht-Mediziners geben die Gesamtheit der milieubedingenden
Faktoren wieder, in deren Rahmen das heute vorrangig institutionalisiert
stattfindende Sterben eingebettet ist. Diese Erörterungen
werden regelmäßig von sehr subjektiven Beispielschilderungen in
emotional eindringlicher Weise durchbrochen.
Das Krankenhaus als Ort der sozialen und psychischen Isolation
bedeutet in jedem Falle individuelle Sonderformen des Erlebens trotz
rational bekannt geglaubter Situationen.
Die Autorin macht eindringlich deutlich, wie in einem hochtechnisierten
, personell durchaus perfekt organisiert ablautenden Krankenhausbetrieb
, aus dessen Kenntnis heraus erst eine effektive Sterbepflege
möglich wird, für den einzelnen Patienten immer wieder
psychische Erlebnisdefizite erwachsen, welche mit rein medizinischen
Mitteln nicht zu beseitigen sind. Abgeleitet daraus finden sich berechtigte
Forderungen nach sorgfältiger Auswahl der Krankenhausseelsorger
, deren Tätigkeit oft eher unterbewertet wird. Olfen bleibt die
Frage nach den sicher intensiierbaren Wechselwirkungen zwischen
Arzt und Seelsorger im Sinne einer Teamkonzeption.
Indem das Subjekt Patient mit seinen zutiefst sensiblen Reaktionen
auf Krankheit und Umgebung gleichzeitig Objekt eines hochtechnisierten
Ablaufes ist, wird das Krankheitserleben im Lebenslauf allgemein
als potentielle Vorbereitung auch auf das Lebensende aufgefaßt
und dargestellt. Und während der Kranke auf Heilung hofft,
erwartet der Schwerkranke Begleitung, der Sterbende Vollendung.
Dabei sollte das Sterben als menschlich würdevoller Prozeß gestaltet
werden, in dessen Ablauf nur behutsame Eingriffe vorzunehmen sind,
um dem Sterbenden möglichst bewußtes Miterleben bei gleichzeitiger
Schmerz- und Leidensminderung zu gewährleisten.
Patient, T herapeut. Seelsorger und Angehörige müssen das Sterben
gemeinsam annehmen lernen, in Bewältigung der Angst, mit dem
subjektiv angepaßten Maß an Wahrheit und Hoffnung und einem
Maximum an Würde.
Der Zwiespalt der ärztlichen Entscheidung zwischen technisch
möglicher Lebensverlängerung und ethisch oft wünschenswertem
Therapieabbruch (bei einer klaren Absage an jede aktive Euthanasie)
am Ende des Lebens und Leidens als nicht delegierbarer Konflikt des
Arztes aliein wird sehr objektiv dargestellt.
Das Büchlein bietet nachdenkenswerte Impulse für jeden Leser,
gleich, ob er sich dem Thema als direkt oder indirekt (auch potentiell)
Betroffener nähert oder an irgendeiner Stelle der Betreuung Kranker
und Sterbender einbezogen ist.
Dresden Andreas Dehne
Godzik, Peter, u. Petra-R. Muschaweck [Hg.]: Laßt mich doch zu
Hause sterben! Gütersloh: Mohn 1989. 154 S. 8°. Kart. DM
24.80.
Der im Buchtitel enthaltene Wunsch stellt Angehörige. Pfleger und
Ärzte vor schwierige Aufgaben, denen sie ohne Orientierungshilfen
und praktische Unterstützung oft nicht gewachsen sind. Die Autoren
berichten eindrücklich über Erfahrungen bei der Pflege Sterbender zu
Hause. Aus ärztlicher, psychologischer, soziologischer, pllegerischcr
und seelsorgerlicher Sicht werden die Probleme und Chancen der Begleitung
Sterbender in der eigenen Wohnung dargestellt. Vor einem
idealisierenden Wunschdenken warnt die Soziologin P. Christian-
Widmaier. ..Die Länge macht die Last" und steigert die Belastungen
der Pflegenden und ihrer Familien oft ins schwer Erträgliche (J. C.
Baucr/J. Bruder). Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige
können stützend wirken (I. Kruckis). ..Die Wahrheit am Sterbebett"
ersteht der Arzt J. E. Meyer als Chance, die verbreibende Lebensfrist
in Gemeinsamkeit zu erleben. Der Pädagoge F. Rest gibt Hilfen, die
Sterbebegleitung zu lernen. H. Obermann weist auf die Möglichkeiten
der Gemeindeschwester hin. während .). Senft Sterbe- und Trauerbeistand
als Aufgaben derGemeinde bewußt macht und auf Erfahrungen
bei Trauerseminaren Bezug nimmt. Nach einem Buchbericht von
P. Godzik bietet die Landärztin P.-R. Muschaweck. die den Band mit
einem Erfahrungsbericht eröffnete, einen knappen ..Leitläden für die
Begleitung Sterbender zu Hause", in dem sie besonders auf mögliche
Hilfen des Staates und der Gemeinschaft aufmerksam macht. ..Laßt
mich doch endlich sterben", überschreibt C. Kürten seinen bewegenden
Bericht vom Sterben eines f reundes. ..Laßt mich in Geborgenheit
sterben", ist die Bitte Ungezählter, deren Erfüllung dieses Buch in
guter Weise dient. E.W.
Ökumenik: Allgemeines
Bilheimcr, Robert S.: Breakthrough. The Emergence of the Eeume-
nical Tradition. Grand Rapids: Eerdmans; Genf: WCC 1989. X.
235 S. gr.8 Kart. sFr 27.50.
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, in
denen die institutionelle Anfängsphase der ökumenischen Bewegung
aus der Perspektive von unmittelbar Beteiligten dargestellt wird.
Besondere Beachtung haben die Autobiograhien von M. Boegner und
W. A. Visser't Hooft gefunden. Neuerdings ist die Darstellung von
L. Newbigin hinzugekommen. So mag man fragen, was ein weiterer
Band dieser Art noch beizutragen vermag, außer einigen sehr persönlichen
Erlebnissen.
Das Buch von Robert Bilheimcr ist freilich nicht in erster Linie als
Autobiographie geschrieben. Sein vorrangiges Interesse kommt im
Untertitel zum Ausdruck "The Emergence of the Ecumenical Tradition
". Er möchte nachzeichnen, wie die Vorstellungen entstanden
sind, die das ökumenische Denken bis in die Mitte der sechziger Jahre
hinein geprägt haben. Robert Bilheimcr. ein amerikanischer Presbyte-
rianer, 1917 geboren, war in seinen Studienjahren durch die christliche
Studentenbewegung in der ökumenische Arbeit hineingezogen
worden. Als Delegierter des SCM von New Engkind nahm er an der
Weltkonferenz der christlichen Jugend in Amsterdam 1939 unmittelbar
vor Kriegsausbruch teil. Unter dem Eindruck eines seiner theologischen
Lehrer nahm Bilheimcr 1947 die überraschende Einladung
an. das Besucherprogramm für die erste Vollversammlung des
Ökumenischen Rates der Kirchen in Amsterdam zu organisieren. Bis
1963 blieb er einer der wichtigen Mitarbeiter des ORK. zuletzt als
Direktor der Studienabteilung.
Der Band von Bilheimer behandet vor allem die entscheidenden
ersten fünfzehn Jahre des ORK. Er beginnt mit einer lebendigen Schilderung
der Gründung des Ökumenischen Rates bei der ersten Vollversammlung
in Amsterdam. Ein erster Teil blickt zurück auf die Vorläuferbewegungen
, d. h. den Internationalen Missionsrat. den
Ökumenischen Rat für Praktisches Christentum und die Weltkonferenz
für Glauben und Kirchenverfassung. Der zweite Teil kehrt
zurück zur Gründungsvcrsammlung in Amsterdam. Die Gründung
des ORK als Bundesschluß zwischen den getrennten Kirchen wird
interpretiert als eine Antwort auf das Ende des Corpus Christianuni.
Bilheimer schildert eindringlich, wie der Bundesschluß durch die
Korea-Krise sowie durch die Auseinandersetzung über die ekklesiolo-
gische Bedeutung des Ökumenischen Rates unmittelbar nach der
Gründung auf die Probe gestellt und gestärkt wurde.
Ein dritter Teil des Bandes unter der Überschrift „Christus der
Herr: Herrschaft. Einheit und Zeugnis" beginnt mit der Entfaltung der
Hauptakzente dessen, was Bilheimer die ..ökumenische Tradition"
nennt. Hierzu gehört die Überzeugung von der Herrschaft Christi über
die Kirche und die Welt, die Verpflichtung zur Suche nach der Einheit
und zum gemeinsamen Zeugnis. Im Hintergrund stehen die wichtigen
Weichcnstellungen in der Zeit bis zur Zweiten Vollversammlung
des Ökumenischen Rates, in Evaston 1954. besonders die großen
Konferenzen des Jahres 1952 in Lund und Willingen. Ein vierter Teil
schließlich konzentriert sich unter dem Titel „Ein Volk unter den