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Ausgabe:

1990

Spalte:

41-44

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Kirche und Nationalsozialismus 1990

Rezensent:

Smid, Menno

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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die der Band zu vermitteln hat, dennoch rezipiert wird und daß der ergebnisse vor, die an Hand von lokalen und regionalen Untersuchun-

unsch des Herausgebers in Erfüllung gehe: Der Band möge dazu gen die bisherigen Gesamtdarstellungen zum Komplex Kirche und

"tragen, daß „der, freie authentische Luther''. . . möglichst lange Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein ergänzen und nun diffe-

seine Wirkung tue" (Vllf). renziertere Urteile ermöglichen."

Berlin Siegfried Bräuer Erfreulicherweise ist der Vorgeschichte des Kirchenkampfes ein

breiterer Raum gegeben worden. Wie weit die Wurzeln jenes Denkens
und Handelns zurückreichen, das nach 1933 in der Kirche Platz griff,

Aland, Kurt [Hg.]: Lutherlexikon. 4., durchges. Aufl. Nachdruck. Mi* die AJ>handlunS v°n Gisela Siems; „Hauptpastor Friedrich

Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1989. 438 S. 8' = Uni- Andersen, Bund für Deutschkirche - Ein Wegbereiter des National-

Taschenbücher Theologie. 1530. Kart. DM 32,80. Sozialismus in der Stadt Flensburg". Andersen (1860-1940), ordiniert

1886, 1900-1928 Hauptpastor an St. Johannes in Flensburg, aus

Das Lutherlexikon war 1967 erschienen; wenn es jetzt nach einer streng-orthodox-pietistischen Richtung kommend, geriet bereits

Jahren eine 4. Auflage erhält, so spricht das für sich. Der Hg. am Anfang unseres Jh. in die Strömung jenes Denkens, „das mit der

krankte zunächst den Leserkreis ein: Für „gelehrte Theologen" sei Synthese seines religiösen, nationalen und antisemitischen Gedan-

es nicnt gedacht. Aber er sah mit gutem Grund voraus, daß „auch kengutes schließlich in die Weltanschauung des Nationalsozialismus

mancher Theologe zu diesem Band greifen wird". Es werden wohl mündete". Das bezeugte er in vielen Veröffentlichungen seit 1907.

aueh professionelle Lutherforscher mitunter nach diesem Hilfsmittel Noch in seinem Ruhestand nach 1928 leistete er in brauner Uniform

^griffen haben und auch noch greifen. Primär ist es gedacht „für die als Schulungsleiter und Amtswalter (nicht Amtsverwalter, S. 33) der

emeinde und alle Amtsträger der Kirche", denn „wie oft sucht man NSDAP engagierte Arbeit für die nationalsozialistische Sache.

"acn einem prägnanten Lutherwort zu dem Thema, das einen gerade Nur wenig jünger war Heinrich Kähler (1874-1941), ebenfalls

beschäftigt" (5). Das Buch enthält 1 727 Zitate, die rund 800 Stich- Pastor in Flensburg. Über ihn schreibt Gabriele Romig, „Heinrich

Korten zugeordnet sind: Von „Abendmahl" bis „Zwietracht". Die Kähler - ein christlich-deutscher, deutsch-christlicher Geistlicher".

'herzitate sind numeriert und können von verschiedenen Stich- Sein konservativ-nationales, christlich-deutsches Gedankengut ließ

worten aus gefunden werden. So bringt z. B. das Stichwort „Kirche" ihn bereits 1932 Hitler und die NSDAP bejahen. Als die Deutschen

auf den Seiten 192-195 die Zitate Nr. 767-777 wörtlich. Den elf Christen sich nicht in dem Maße durchsetzen konnten, wie er es

aten folgen 60 Ziffern, die auf andere Zitate des Lexikons ver- erwartet hatte, hatte für ihn picht die Partei, sondern die Kirche ver-

We'sen, dazu kommt der Hinweis „s. auch Gemeinde". Es folgt das sagt, da sie verpaßt hatte, auf den fahrenden Zug der Hitlerbewegung

ort -Falsche Kirche" mit einer Ziffer, dann das Stichwort aufzuspringen,

y lrchenbau" mit den Zitatnummem 778-780 und weiteren drei Auch noch in die Vorgeschichte gehört der Aufsatz von Christian

rlan^eisen auf andere Zitate sowie dem Hinweis „s. auch Gottes- Dethleffsen, „Pastorale Existenz in der Endphase der Weimarer Repu-

s ■ Unter „Kirchenleitung" findet man drei Zitate - Nr. 781-783 blik. Der ,Bruderkreis junger Theologen' in Schleswig-Holstein

dazu den Hinweis „s. auch Pfarrer, Prediger, Priester, Bischof'. 1929-1933". Jugendbewegung, Kriegserlebnis und neue Theologie

^} ^''chworten „Kirchenschmuck" und „Kirchenväter" folgt noch bestimmte diesen Zusammenschluß von bis zu 100 Theologen, der

Ba lrC'lenzucht" mit einem Zitat (Nr. 784) und dem Hinweis „s. auch sich gegen den Liberalismus wandte. Nach 1933 spaltete sich dieser

n • Alle Zitate werden in moderner deutscher Sprache gebracht Kreis in solche, die sich den „Deutschen Christen" und in solche, die

"ach Alands Ausgabe „Luther deutsch". Als Fundorte der Zitate sich der „Bekennenden Kirche" anschlössen. Hans Asmussen, der

he man Bahlen, die sich auf die Weimarer Lutherausgabe bezie- auch jenem Bruderkreis angehörte, ist der Aufsatz seines Biographen

n- Band, Seite. Zeile. Am Ende des Lexikons werden die Schriften Enno Konukiewitz, „Hans Asmussens Weg zum Altonaer Bekennt-

ma ^ ^ Weimarer Ausgabe folgend genannt (412-438). So kann nis" gewidmet. Darin wird gezeigt, wie er die treibende Kraft des am

an 'eicht feststellen, aus welcher Lutherschrift das betreffende Zitat 11. Januar 1933 veröffentlichten Altonaer Bekenntnisses war, das

mt- Das Lexikon ist wohlüberlegt angelegt, es enthält viel Arbeit, weit über die Schleswig-Holsteinische Landeskirche hinaus Beach-

Und es kann reichen Nutzen bringen. Die Neuauflage und die Auf- tung fand. Zum 15. Februar 1934 wurde er wegen seiner theologisch-

nahrne in die Reihe Uni-Taschenbücher sind zu begrüßen. politischen Haltung in den Ruhestand versetzt und seiner Rechte und

&„,,„, _ ,, Pflichten als Pastor beraubt, war aber dann an führender Stelle inner-

tock Gert Haendler

halb der Bekennenden Kirche tatig.
Wie der Weg sowohl in die Anpassung als auch in die Gegnerschaft
KirchenoeSChichte- Neuzeit zur nat'ona'soz'a''stischen Kirchenpolitik offen war, zeigt die Ab-

** " handlung von Klauspeter Reumann, „Der Altonaer Pastor und Flens-

Reu burger Propst Karl Hasselmann". Vor und noch bis in das erste Halb-

Ge^n uKlaUSpe,er; Na,i°nals°zialis™Beitrage zur jahf ,„3 waf Hasselmann, Pastor in der Altonaer Luther-West-

^«tnichte des Kjrchenkampfes in den evangelischen Landeskirchen
cTliTZ. •"«"nill1 "ra" j- ""I"."■'"'.'ov."JX">"t ■ LrTu! Gemeinde, Mitarbeiter am Altonaer Bekenntnis und dessen Verteid

"cnen Schleswig-Holsteins. Für den Arbeitskreis für kirchliche . . '

^'tgeschichte hg. Neumünster: Wachholtz 1988. 442 S„ 16 Taf. 8er- kntlsch gegenüber dem Nationalsozialismus. Herbst 1933 wurde

8r. 8'. er Mitglied der Deutschen Christen und als solches Propst in Flensburg
. Bis Ende 1934 war er entschiedener Gegner der Bekenntnis-

Ur die damals selbständigen evangelisch-lutherischen Landes- gemeinschaft. Danach trat er wie Landesbischof Paulsen aus den DC

nen des Stadtstaates Lübeck und des oldenburgischen Landes- aus. Er scheiterte bei der Bildung einer Mittelfront zwischen DC und

1 Lübeck (Eutin) gibt es Gesamtdarstellungen über die Zeit des BK, zog sich aus den Auseinandersetzungen zurück und wechselte

rchenkampfes. Für Schleswig-Holstein erschien bisher weder eine 1941 zur Bekenntnisgemeinschaft. Damit warerauch nachdem Krieg

' Otlographie noch eine Dokumentation von wissenschaftlichem tragbar. Für die hier angedeutete wechselhafte kirchenpolitische Stel-

ng über diesen Zeitraum. In dem hier zu besprechenden Buch wird lung von Hasselmann werden die tieferen Ursachen und Begründun-

7* Lücke zwar nicht geschlossen, aber doch eine bedeutende Vor- gen aus den Quellen überzeugend dargestellt.

dafür geleistet. Der Beitrag von Lawrence D. Stokes, „Die Eutiner Landeskirche

kjnt Vorwort zu diesem Aufsatzband heißt es (S. 7): „Seit 1983 zwischen Novemberrevolution und Nationalsozialismus" mit drei

teht im Rahmen des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchen- Dokumenten von 1933/34 nennt als Hauptgrund für die relativ

^schichte e'n Arbeitskreis für kirchliche Zeitgeschichte. Er legt mit reibungslosen Beziehungen zwischen Staat und Kirche während des

n 'n diesem Band zusammengestellten fünfzehn Beiträgen Arbeits- Dritten Reiches neben der Unkirchlichkeit in dieser kleinen Landes-