Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

632-633

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Laan, Jaap H. van der

Titel/Untertitel:

Ernst Lange en de prediking 1990

Rezensent:

Liedtke, Kurt

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

631

Theologische Litcratutzeitung 1 I 5. Jahrgang 1990 Nr. 8

632

behutsame und kritische Behandlung feministischer Bestrebungen
kann die Tatsache nicht verdecken, daß Theologinnen in solchen
Fällen zuerst immer ihre eigene Position reflektieren, und dadurch
wird der Blick auf die Vielfalt der Gaben und Dienste von Frauen wie
Männern in der Gemeinde völlig verstellt. Eine genauere biblische Begründung
könnte auch hier klärend, ja erleuchtend wirken.

Die Religionskritik aus der Perspektive von Marxismus und
Psychoanalyse wird jeweils knapp mehr referierend als in theologischer
Reflexion vorgestellt, während die Kritik der Religionen.
Judentum und Islam, am Christentum jeweils in den entscheidenden
Punkten dokumentiert wird. Was freilich in diesem Zusammenhang
völlig fehlt, ist eine christliche Religionskritik, die nach Lage der
Dinge sich mit den religiösen Bewegungen und Surrogaten, wie sie
nicht nur neben der Kirche, sondern auch in den Kirchen auftreten,
auseinanderzusetzen hätte. Die Voraussetzungen dazu sind in diesem
Werk vorhanden, sofern es von der gegenwärtigen Wirklichkeit des
Wortes des Dreieinigen Gottes ausgeht und nicht von der Selbstinfragestellung
von Theologen, die nur meinen, ihre Existenzberechtigung
nachweisen zu müssen.

Der Epilog des Herausgebers zu diesem Band faßt zugleich das
ganze Werk in sachgemäßer und eindrucksvoller Weise zusammen in
einer theologischen und zugleich theologiegeschichtlichen Auslegung
des Vaterunser als ..Summe des Evangeliums". Darin zeigen sich
Inhalt und Ausrichtung dieser ..Neuen Summe Theologie". Denn was
kann es Besseres in einer Zusammenfassung von aller Theologie
geben, als die Einweisung in dieses Gebet des Herrn, in dem sich die
durch den Sohn Gottes begründete und erneuerte Gemeinschaft mit
Gott manifestiert und das mithin die Gewißheil der Erhöhung in sich
trägt.

Gerade wegen der theologischen Qualität des Epilogs und im Rückblick auf
den Ansatz des gesamten Werks wirkt es jedoch als schmerzhafte Dissonanz,
wenn 111.4931 mit Hinweis auf Hos 11.9 zur Anrede des Vaterunser, und sei es

auch nur in Klammern, bemerkt wird: .....daß die Heienden heute die

Metapher .Mutler' nicht zu scheuen brauchen, wenn sie die religiösen Projektionen
des modernen Paternalismus zu vermeiden suchen". An anderen Stellen
des Werks (z. B. I.33IT; 11.1230 wird völlig zutreffend gezeigt, wie der Name
Ciottes im Sein und Handeln Gottes begründet ist und daher nicht einlach als
Ergebnis von Projektionen menschlichen Bewußtseins aufgefaßt werden kann.
Schon deshalb sollten Gottesnamen nicht einfach als Metaphern bezeichnet
werden; sie sind außerdem auch zu unterscheiden von Vergleichen wie z. B. die
im Feminismus beliebte Bärin von Hos 13.8. Zudem wird ..is" in Hos 11.9 in
wohl allen Übersetzungen richtig generisch übersetzt mit ..Mensch". Vor allem
aber geht die Anrede Gottes als Vater davon aus. daß sie vom Sohn Gottes den
Jüngeren in den Mund gelegt wird, und dies wiederum ist nach Rom 8.1411'und
Gal 4.6 Zeichen Tür die Gabe des Geistes der Kindsehall. begründet in der
Taute, wie auch das Vaterunser das Gebet der Getauften ist. Es wäre schade,
wenn ein Werk, das in seinem Gcsamtenlwurf zur Grundlage der Goltes-
erkenntnis in dem Wort Ciottes zurückführen will, mit einem solchen überflüssigen
und falschen Hinweis die Geistlosigkeiten heutiger Theologie unterstützen
würde.

V.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Sorgfalt, mit der dieses Werk auch
in seiner äußeren Form gestaltet wurde. Die Nachweise sind soweit
möglich der deutschsprachigen Theologie angepaßt worden.
Personen- und Sachregister, nicht aber ein Bibelstellenregister, erschließen
die drei Bände. Eine nach den Hauptthemen gegliederte
Bibliographie bietet in den unvermeidlichen Grenzen einer Auswahl
weitere Informationshinweise.

So liegt eine dogmatische Gesamtdarstellung vor. die in ihrer Absicht
kirchenverbindend ist, indem sie von dem Wort des Dreieinigen
Gottes in der Heiligen Schrift ausgeht und dahin zurückführt. Das ist
nicht eine neue Theologie, wohl aber die einzige Quelle für die Erneuerung
der Theologie.

Erlangen Reinhard Slenczka

Praktische Theologie: Homiletik

Laan, Jacob Hendrik van der: Ernst Lange en de Prediking, Ecn

inleiding in zijn homiletische theoric. Procfsehrift. Kampen: Kok
1989. XII, 398 S. gr. 8° Kart, hfl 67.50.

Anfang der sechziger Jahre leitete Emst Lange Seminare an der
Kirchlichen Hochschule Berlin, in denen er seine aus der Praxis der
Ladenkirche entstandenen homiletischen Überlegungen zum ersten
Mal formulierte. Gegen Ende der sechziger Jahre erfolgte die
Veröffentlichung seiner inzwischen weitergeführten Gedanken im
Zusammenhang der durch Lange angeregten „Predigtstudien". 1974
nahm das Wirken Ernst Langes durch seinen tragischen Tod ein
frühes Ende. Seitdem hat es in vielen, zum Teil unsachlichen und in
von Mißverständnissen gekennzeichneten. Diskussionsbeiträgen Ablehnung
und Zustimmung zu seinem Konzept gegeben. Doch es
dauerte bis zum Ende der achtziger Jahre, che die Homiletik Langes in
einer Monographie umfassend dargestellt wurde. Aufgrund moderner
Textverarbeitungs- und Drucktechniken liegt diese Doktorarbeit von
J. H. van der Laan, Dozent an der Theologischen Universität
Kampen/Niederlande, aus dem Jahr 1989 bereits im selben Jahr als
Buch vor. Zudem konnten noch Veröffentlichungen aus dem Erscheinungsjahreingearbeitet
werden.

In Teil I (Inleiding) beschreibt van der Laan als Hintergrund seiner
Arbeit die relative Unbekanntheil von Langes Homiletik, die trotz der
zahlreich vorliegenden Zusammenfassungen und Verweise in vielen
Publikationen festzustellen ist. Da der Autor selbst erst durch häufiges
Lesen und Bearbeiten der Schriften Langes zu einem genaueren Verständnis
gekommen ist, möchte er Langes Sicht der Predigt und des
Predigtvorbereitungsprozesses interpretierend wiedergeben und so
diese Theorie der homiletischen Diskussion zugänglich machen.

Teil II (Ecn kennismaking met Ernst Lange) enthält ein Lebensbild
und die Darstellung der vier umfangreichsten Werke Langes, um
diesen auf diese Weise bekanntzumachen und seine Homiletik in den
breiteren Rahmen seines Lebens und Wirkens zu stellen.

Im Hauptteil der Arbeit (III Systematische samenvatting) wird zunächst
das 1960 von Lange begonnene ortsgemeindliche Experiment
der Ladenkirche am Brunsbütteler Damm in Berlin-Spandau als „Sitz
im Leben" seiner Predigttheorie beschrieben. Außerdem gibt van der
Laan einen kurzen Uberblick über die homiletische Diskussion im
deutschsprachigen Raum in den sechziger Jahren. Die damals erfolgte
empirische Wendung in der Praktischen Theologie bereitete dem
Ansatz Langes den Weg. Im folgenden bietet der Autor eine ausführliche
und immer wieder mit Zitaten belegte Wiedergabe von Langes
Homiletik anhand der drei Schlüsselbegrifl'e „Anfechtung",
„Christusverheißung" und „die Predigt als Verständigungsbemühung
".

Van der Laan arbeitet deutlich heraus, wie w ichtig in der Homiletik
Langes der Begriff..Anfechtung" ist. Für Lange ist die „Situation", die
zunächst nur im formalen Sinn Herausforderung für die Predigt ist.
immer theologisch qualifiziert als Situation der Anfechtung (S. 81 ff).
Umgekehrt fragt Lange zugleich nach dem Herausforderungscharakter
, der in jeder Anfechtung steckt, und benennt das Spannungsfeld
von Widerstand und Ergebung für eine aus dem Glauben kommende
Antwort auf die gestellte Herausforderung. Dabei geht er über
die reformatorische Theologie hinaus, indem er Widerstand als eine
Form der Ergebung in die Anfechtung versteht und somit als angemessene
Möglichkeit vom „Bleiben in der Verheißung" sieht
(S. I45IT). Vor diesem Hintergrund geht es in der Predigt um das
„Ver-sprechen" von Situation und Tradition. Anfechtung und Verheißung
. Dabei soll nach Lange ein neues, das „notwendige Wort"
gesprochen werden (11811). Van der Laan unterscheidet bei Lange
einen intentionalen (der Hörer als Thema der Predigt, als ihr Subjekt,
als kritische Instanz; S. 12511) von einem inhaltlichen (Bezeugung der
biblischen Überlieferung: S. 10311) Faktorder Predigt. Beide Faktoren
sind aufeinander bezogen und nicht voneinander zu isolieren. Neu ist