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Ausgabe:

1990

Spalte:

626-631

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Honecker, Martin

Titel/Untertitel:

Kirche und Gesellschaft 1990

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 8

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Der Band kann hellen, sich den für die Ökumene relevanten Fragen wortung am Problem der Kernenergie. Der Münchener Moral-
ZU stellen. theologe Wilhelm KortYskizziert ..Leitideen verantworteter Technik"

Rostock Jens Langer

(S. 109-122) und erörtert die Rationalität und soziale Akzeptanz der
Technik. Das Kriterium eines verantwortlichen Umgangs ist deren
„Optimierung", d. h. der bestmögliche Gebrauch, nicht der Verzicht
.... auf Technik. Helmut Simon ..Evangelische Verantwortung in einer
Harle. Wilfried [Hg ] unter Mitwirk, von Eberhard Stock: Kircheund demokratisch verfaßten Gesellschaft" (S. 123-134) stellt Entwick-
Ijesellschaft. Analysen-Rcflexionen-Pcrspektiven. Stuttgart: Wis- • a w ** a v u . a
senschaftl. Verlagsgesellschaft 1989. 203 S. gr. 8' = Marburger lun8' Aufgaben und ArbeUswr.se des Kirchentags vor und erForum
Philippinum.geb. DM68,-. läutert dabei die Einstellung des Protestant.smus zur Demokratie.

Die dritte Diskussionseinheit befaßte sich mit seelsorgerlichen
Das Forum Philippinum. eine Veranstaltung, die Öffentlichkeit Themen. Der Meinungsforscher Gerhard Schmidtchen „Triumphe
und Universität zusammenrührt, hat erstmals bei seiner 20. Veran- der Aufklärung und Katastrophen der Seele" (S. 143-151 ) diagnosti-
staltung die Theologie thematisch in den Mittelpunkt gerückt. Das ziert bei den Kirchen ein Defizit an ..Krafttraining für die Seele".
Leitthema war: ..Welche Aufgabe, welche Funktion hat die Kirche in prognostiziert ein Wachstum für die Sektenanhänger und empfiehlt
dieser Zeit?" Diese Themenwahl ist aufschlußreich: Nicht die Stel- den Kirchen eine Wiederbelebung der mystischen Tradition und
'ung der Theologie als Wissenschaft, nicht die Wahrheitsfrage, nicht emotionalen Kultur (S. 149). statt daß sie nur eine rationale Theologie
die Frage nach Gott (im Zeitaltereines weithin geltenden Atheismus!). vermitteln. Die empirische Basis dieser Meinungsäußerung wird freilich
! die Hermeneutik und die Aufgabe der Schriftauslegung - man lieh vorausgesetzt, so daß über Diagnose und Therapie des Meinungserinnere
sich an R. Bultmanns Entmythologisierungsprogramm - forschers schwer sachlich zu urteilen ist. Klaus Thomas ..Heilendes
steht in Marburg 1989 im Mittelpunkt der Diskussion - in eben die- und krankmachendes Wirken der Kirche" (S. 153-178) konfrontiert
sem Marburg, in dem 1529 Luther und Zwingli sich über der Abend- den Auftrag an die Kirche zu heilendem Wirken den praktischen
mahlsichre kirchlich trennten. Muß man von einem Perspektiven- Beobachtungen „ekklesiogener Neurosen" durch den praktizierenden
Wechsel in der Theologie deshalb reden - oder war che Konzentration Psychiater (S. 160ff). Nach diesen decouvnerenden und kritischen
auf das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft eher zufällig? Nach Beiträgen soll der praktische Theologe Dietrich Rössler „Gesell-
«eleitworten des Vorsitzenden des Universitätsbundes der Philipps- schartliche Erwartungen und der Auftrag der Kirche" (S. 179-188)
Universität Marburg. Hansgeorg Gareis. und dem Grußwort des Prä- Auswege aus der von seinen Vorrednern beschriebenen Misere aufknien
. Dietrich Simon, eröffnet der Beitrag des Schleswiger zeigen. Rössler stellt ehrlich fest: ..Die Evangelische Kirche ist die verBischofs
Karlheinz Stoll. ..Das Sclbstvcrständnis der christlichen wundbarste und verletzlichste Institution, die es überhaupt gibt."
Kirchen" (S. 13-29) die Erörterung des Themas. Ausgangspunkt ist (S. 183). Das dokumentiert gerade dieser Band unübersehbar. Sie leb.
die Frage nach der Relevanz der Kirche für ihre Mitglieder und die ausschließlich von der Loyalität derer, die zu ih'r gehören. Die Kirche
Beschreibung der Spannung zwischen geglaubter und erfahrener hat daher kein „Fortschrittsprogramm" (S. 185). aber eine Botschaft.
Kirche, also die Diskussion um die ..Volkskirche" (vgl. S. 20). Wil- das Evangelium. Rössler sagt am Ende zutreffend: „Was die Evange-
fned Härle fragt in seinem Schlußwort weiterführend nach dem Vor- lische Kirche allen gesellschaftlichen Erwartungen zu bieten hat. ist
«rag. wo der „verdunstete Glaube" bleibt, wenn der christliche Glaube diese Unterscheidung von Gesetz und Evangelium" (S 188). Wenn
keine Relevanz mehr für das Leben der Menschen hat. und vermutet: man am Ende informiert und gleichzeitig ratlos die Dokumentation
■•er wird zu einer Art religiösem Trcibgas und wir werden vielleicht des Forum Philippinum aus der Hand legt, dann wünscht man sich,
erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten die Ozonlöcher der Sinnlosig- daß die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium insgesamt klarer
keit und Hoffnungslosigkeit ganz wahrnehmen, die entstehen, wenn bedacht wäre. Das Buch ist als instruktive Bestandsaufnahme ein
Glaube so verdunstet-"(S 30) Spiegelbild heutiger Probleme und „Aufgaben . Aber Problem-
Wilfried Härle eröffnet sodann die erste Diskussionseinhei. mit bewußtsein allein, das Religion nur einer Kosten-Nutzen-Amdyse
einem Vortrag „Kirche und Gesellschaft - Orientierungspunkte in unterzieht, bleib, doch die weiterfuhrende Perspck,,^ schuldig. Willem
weiten Feld" (S. 33-40). in dem das Ausblenden der histo- fried Härle hat in seinem treftenden Schlußwort (S. 195-198) die
Tischen Dimension, der internationalen und der konfessionellen offengebliebene Frageste lung zusammengclaß, und die Au gaben der
Dimension begründe, wird und Begrillserklärungen angeboten wer- Kirche aufgelistet (S. .97). Daran weiterzuarbeiten sollte denn auch
tu . . . , r- v i/„„fm,.„ ,i,,.cps Forum und die Art und Weise, wie es angelegt war. Veranlas-
den. Anschließend behandeln der Soziologe Franz-Xaver Kaulmann dieses rorum uiiu u t

••Das Verhältnis von Glaube. Kirche und Gesellschaft aus soziolo- sung und Anstoße geben.

Bischer Sicht" (S. 41-58) und der Theologe Ellert Herms „Religion ßonn Martin Honecker

und Organisation. Die gesamtgesellschaftliche Funktion von Kirche
aus der Sicht der Evangelischen Theologie" (S. 59-86). Bcmcrkens-
werterweise äußert sich der katholische Soziologe eher explizit-
'heologisch als der evangelische Theologe (vgl. die Diskussionsbemer-
kung von Kaufmann S. 89). Herms versucht weit ausgreifend (und mit

einem breiten Anmerkungsteil) aus dem Organisationszweck von Eicheri peter [Hg.]: Neue Summe I heoloRie. 1: Der lebendige Gott.

Kirche als Institution zur Vermittlung von Religion (Glaube) mit ' 4S6 s Lw. DM 65.-. 2: Die neue Schöpfung. 460 S. Lw. DM 75,-.

Hilfe einer Theorie von Kirche als sozialem System die Beziehung 3: Dcr Dienst der Gemeinde. 528 S. Lw. DM 65,-. Fre.burg-

*wischen Kirche und Gesellschaft zu klären. Ein solcher Beitrag ist Basel-Wien: Herder 1988/89. gr. 8 .

zweifellos anregend, aber er gibt noch keine handh ab baren Kriterien französischen Sammelwerks »Initiation

•>n d,e Hand, was denn nun ein „eigentlicher" Auftrag und was ein Die« g Übersetzung,

..uneigentlicher" Auftrag, cm Opus alienum der Kirche ist. Arjume - pr «uc *tatN *» ^ ^ ^ ^

at.v geling, lediglich der Aufweis der Notwendigkeit einer „Organ a so Ncukor,zePfon" des fünmändigen Originals. Etwa

"°n" von Kirche, einer Sozialgcslal, und ihre Bedeutung für «™ ^ ^ ,„ ubcrnornmen. andere sind neu ergänzt

ehnstliche Leben (S. 73ff). wordcn Der Titel, einleitend vom Herausgeber erläutert, deutet das

In der 2. Diskussionscinhcit befassen sich drei Vortrage mit gescu- . K {^ .fl dem a||eg zusammengefugt wurde. „Neu"

^politischen Aufgaben. Der Synodalpräsidcn. M g- ^ ^^ fortschrcitenden geschichtlichen Entwick-

Nassau und Physiker Helmut Gärtner „Gesellschaftliche M, veran hclsgeschichtlich von Christus her im Sinne von

Ortung der Kirche" (S. 97-107) veranschaulicht diese Mitverant- lung. sondern g

Systematische Theologie: Dogmatik