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Ausgabe: | 1990 |
Spalte: | 624-625 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Scholl, Norbert |
Titel/Untertitel: | Was der christliche Glaube will 1990 |
Rezensent: | Langer, Jens |
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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 8
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evangelischen Kirche und ihrer Vereinigung" (S. 78): 1874-1881
„russische Orthodoxe als wahre Kirche*', 1882-1889 Vereinigung der
Kirchen unter dem Papst, universale Theokratie durch Papst und Zar,
ab 1897 Vereinigung der drei Kirchen als endzeitliches Ereignis. So
nach Szylkarski. Nach L. Müller: bis 1881 antirömische Periode,
1884-1888 antiorthodoxe Periode, 1889-1890 „Periode des Bekenntnisses
zur .Religion des Heiligen Geistes'". G.s Vorschlag:
orthodoxe Periode (bis 1881), 1. universalkirchliche Periode
(1882-1883). römische Periode (1884-1888), 2. universalkirchliche
Periode (1889-1890). Der Zweite Teil: Philosophische und theologische
Wurzeln des Denkens Solov'evs über die Erfahrung (S. 80-126)
beschäftigt sich ausführlich mit dem Problemkreis „Erfahrung, Erlebnis
. Erkenntnis", hier zunächst mit besonderer Berücksichtigung der
Begrifflichkeit und der mystischen Erfahrung. In Abschnitt C behandelt
G. in intensiver wie extensiver, mir bisher unbekannten Weise
„Solov'evs Beurteilung der religiösen Erfahrung im Protestantismus"
(S. 118-126). Der Schlüssel zum Verständnis von Solov'evs weit
gespannten Vorstellungen von „Erfahrung" sieht G. im Begriff der
„Theosophie", die „eine Synthese eines im christlichen Glauben
erkannten religiösen Wissens und einer kritischen Erkenntnistheorie"
(S. 85) darstellt. Dabei spielt die Mystik der Kirchenväter (I. Reinigungsmystik
, 2. Gottmenschtum, 3. Abwehr des religiösen Subjektivismus
, vielmehr 4. Leben in der Kirche und 5. Leben in der
Liebe, S. 116-118) eine große Rolle. Im Dritten Teil kommt G. auf
die „Erfahrung als Grundlage der Erkenntnislehre Solov'evs. Überblick
über die Grundbegriffe seiner Erkcnntnislehre" (S. 127-286) zu
sprechen mit den Unterabschnitten: I. Erfahrung, II. Denken, III.
Glaube, IV. Intuition, V. Wahrheit, VI. Liebe, VII. Metaphysik und
Mystik, VIII. Zusammenfassung: Unmittelbares Erkennen der Wahrheit
. G. führt die bisherige Solov'ev-Forschung, wenigstens in ihrer
Majorität, zu einer geradezu provokativen Neuorientierung, insofern
diese Majorität den Philosophen „irreführend als Platoniker" bezeichnet
hat, während er, im Gegenteil, „ganz Kant gegen die platonische
Ideenlehre folgt", zugleich aber sich „ausdrücklich vom
Kantschen Erfahrungsbegriff" unterscheidet, „den er in seiner Begrenztheit
(von Raum und Zeit, O.) seines Anwendungsbereiches für
falsch hält" (S. I29f). Als Ergebnis des 3. Teils formuliert G.: „In der
Zusammenschau der Erkenntnislehre Solov'evs erweisen sich die
mystische und die religiöse Erfahrung und der philosophische und der
religiöse Glaube als die unmittelbarsten Bewußtseinsakte, die die
ontologische Grundlage und das Ziel aller Erkenntnis direkt erfahrbar
machen und anerkennen: die All-Einheit des Seins und das Gottmenschtum
als unmittelbare Einheit von Gott und Mensch" (S. 285).
Nicht ganz ohne einen Gegensatz, zum Postulat G.s vom invarianten
Gedankenmodell in der geistigen Entwicklung Solov'evs wendet er
sich im Vierten Teil der Erfahrung in der Entwicklung des Denkens
Solov'evs (S. 287-333) zu (I. Mystische Erfahrung und ganzheitliches
Wissen in der Entwicklung des philosophischen Denkens Solov'evs,
II. Religiöse Erfahrung und christlicher Glaube in der Entwicklung
des theologischen Denkens Solov'evs). der Schluß (S. 334-343) faßt
noch einmal die „Mystische und religiöse Erfahrung im theo-
sophischen Denken" zusammen, arbeitet „die Originalität des
Denkens Solov'evs über mystische und religiöse Erfahrung" vor allem
in der Vorstellung von der Alleinheit und dem Gottmenschentum
heraus, um schließlich „die bleibende Bedeutung Solov'evs für das
Denken über mystische und religiöse Erfahrung" in der ökumenischen
Entgrenzung der orthodoxen Theologie und Spiritualität zu
sehen. Ein umfängliches Literaturverzeichnis (S. 345-368) und ein
sehr hilfreiches Register (Namen-, Sachregister, Russische Begriff,
Griechische Begriffe) (S. 369-384) schließen das Werk ab.
Die Arbeit wirft einige Fragen auf, von denen ich hier nur zwei
nennen möchte: I. Vf. überzeugt mich nicht mit seiner These von der
„Kontinuität der Erkenntnislehre Solov'evs". Sie könnte zur Mythi-
sierung des „Theosophen" führen, mit unerfreulichen Fehlinterpretationen
, wie wir sie z. B. Dostoevskij erfahren haben. 2. Das Spannungsproblem
Platon-Kant, das G. mit Recht hervorgehoben hat.
wird von ihm nicht „durchgehalten". Das ist zu bedauern, weil es die
erkenntnistheoretische Dynamik Solov'evs beschreibt, die dieser
selbst in seinem großen Artikel über Kant im „Brockhaus-Jefron" als
seine Gegenposition zum deutschen Philosophen so formuliert: „die
konsequente Weiterentwicklung der Idee vom transzendentalen Subjekt
in seinem Gegensatz und seiner Wechselbeziehung zum empirischen
Subjekt. Hier würde auch die Materie eine legitime und angemessene
Stellung finden" (Wladimir Sotowjew, Philosophie, Theologie
, Mystik, Grundprobleme und Hauptgestalten, Freiburg Br. 1966,
S. 243 = Deutsche Gesamtausgabe der Werke von Wladimir
Sotowjew, 6). Diese und andere mögliche Diskussionsbeiträge wollen
Bedeutung und Wert der Arbeit von G. für die Solov'ev-Forschung
ausdrücklich betonen.
Halle (Saale) Konrad Onasch
Systematische Theologie: Allgemeines
Scholl, Norbert: Was der christliche Glaube will. München: Kösel
1988.243 S.8°. Pp. DM 29,80.
Daß Theorie und Praxis in ein hilfreiches Verhältnis zueinander
gelangen können, daß Theologie und Leben einander begegnen, darf
wohl als Intention dieses Entwurfes verstanden werden. In dieser Haltung
wendet sich der RKligionspädagoge von der PH Heidelberg an
eine breitere Leserschaft, bei der offensichtlich ein römisch-katholischer
Hintergrund vorausgesetzt wird im Bewußtsein einer unaufhaltsam
voranschreitenden Ausdifferenzierung der Gesellschaft
inklusive wachsender Komplexität. Die Antwort des Autors nun besteht
nicht im Aufruf zur Verstärkung eines Gehorsams gegenüber
kirchlichen Institutionen, sondern im Aufweis der Wurzeln des christlichen
Glaubens. Diese aber stellen sieh als ökumenisch-menschheit-
lieh dar und laden ein auf einen Weg gelungenen Lebens. (8)
Unter dem Stichwort „Grundlagen" setzt Vf. im Geiste weltotTencr
Apologetik beim letztlich unerklärlichen Geheimnis des Lebens ein.
das als Rahmen des Glaubens bedarf. (130 Der Mensch in seinen Entwicklungsphasen
vom „homo habilis" über den „homo faber" zum
„homo creator" wird sodann in seinem Suchen nach einem Woraufhin
veranschaulicht, das in das Phänomen der Religion führt. Sie wird
in ihrer Spannung zwischen „ordo ad deum" und „Unterbrechung"
(J. B. Metz) verständlich zu machen gesucht-bei kräftiger Ablehnung
von "New Age" unter Berufung auf A. Pestalozzi. Gotteserfahrung
und Glaube als personales Geschehen werden diesen Grundlagen
genereller Natur ebenfalls zugerechnet. Bei der Beschreibung der
Quellen fallen insbesondere der Einsatz beim alten Gottesvolk Israel
und die Betonung der Gestalt des Jesus von Nazareth auf, in welchem
„die Gotteserfahrung Israels eine letzte Aufgipfelung" erhält. (52)
Auch das dritte Kapitel „Entfaltungen" beginnt mit dem Alten
Bund: „Israel und die Kirche". Judentum und Christentum werden
als zwei Teile eines einzigen Gottesvolkes interpretiert. Was sodann
über Gemeinde, Mahlgemeinschaft und Taufe gesagt wird, ist Konsens
aus lebendiger ökumenischer Bewegung und Begegnung mit den
Ursprüngen. Etwas zwischengeschaltet wirkt das Kapitel „Verfremdungen
", das Gründe für die Entstehung der Differenz zwischen
christlicher Botschaft und kirchlicher Gegenwart anzudeuten sucht.
Die Grundvollzüge des christlichen Glaubens werden im folgenden
Kapitel als Martyria, Leiturgia, Diakonia und Koinonia entfaltet. In
alledem werden Fragen an die römisch-katholische Kirche deutlich
gestellt, und zwar in erkennbarer Loyalität und Freiheit. Polemik wird
vermieden. In ökumenischer Orientierung sprechen bekanntlich die
Fakten eine präzise Sprache. Dieser Eindruck verstärkt sich noch
einmal bei der Lektüre des Abschnitts „Ungelöste Fragen" (203-219).
In keinem Kapitel entsteht der Eindruck eines Anthropozentrismus,
und so schließt das Buch in eschatologischer Perspektive: „Unbegrenzte
Kommunikationsgemeinschaft".