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Ausgabe:

1990

Spalte:

594-595

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Clabeaux, John J.

Titel/Untertitel:

A lost edition of the Letters of Paul 1990

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 8

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für die Q-Vorlage (vgl. die Besprechung von A. Fuchs, in: Studien Ctebemix, John J.: A Lost Edition ofthe Letten »f Paul A Reassess-

mm ki -T- ii i. tA noom iah "»somit ment ol'the Text ol the Pauhne Corpus Attested by Marcion. \ a-

«im Neuen fes ament und seiner Umwelt 14 1990 . 24X-JMJ mu „;.,„,., !4 • louo

., km' a „„„„ shington. DC: The C atholic Biblical Association ol America 19X9.

Verweis aul die unzulängliche Erklärung der sog. Minor Agreements ^ ~ & g.aTheCatho,ic ßiblical Quarterlv Monograph Series.

bei Matthäus und Lukas gegenüber Markus: Lukas benutze ..eine Pb S8 50
Form des Markusevangeliums, die von den kanonischen nur wenig

■bweicht" [20]). Zu dem Bericht über die Taufe des Täufers mit üeist Ein Versuch, den Text des marcionischen Corpus Paulinum zu
und Feuer (3.16) ist mir die historisierende Rekonstruktion des rekonstruieren, ist seit Harnacks monumentalem Werk nicht unterWortlautes
(Was heißt hier ..wahrscheinlich"?) zu einfach (171). Zu nonimen worden, obwohl in der Forschung längst Einigkeit darüber
Standespredigt vermisse ich die wichtigen Ausführungen von F. W. besteht, daß Harnacks Ergebnisse revisionsbedürftig sind. Auch das
Horn (Glaube und Handeln in der Theologie des Lukas. Göttingen mer zu besprechende Buch enthält keine solche Textrekonstruktion:
'983. 91-97). die immerhin eine klare, wenngleich einseitige Positio- woh| aber hjetet es sehr wertvolle Vorarbeiten dazu. Der Ertrag der
nen beziehen. Streiten könnte man über die Quellenfrage in der Er- sorgfältig gearbeiteten Untersuchung liegt wenigeraufdem Gebiet der
'ählung vom Fischzug des Petrus (5.1-11): War tatsächlich Mk MarcionfOTSchÜng als vielmehr vor allem auf dem Feld der Textkritik
1.16-20 die Vorlage? Oder gab es*Berührungen mit .loh 21 bzw. eine DZW der (lateinischen) Tcxtgeschichtc. Das Buch ist denn auch dem
gemeinsame Vorlage? Man könnte noch manche Fragen zu Einzel- Vetus Latjna Institut in Beuron gewidmet, und Cl. beruft sich nicht
heilen stellen und mit dem Autor diskutieren, aber das kann nicht der sc|ten auf Gespräche, die er dort geführt hat.

Sinn dieser Besprechung sein. q sie||t im ersten Teil (S. 11-80) das Textmaterial vollständig dar
'eh möchte noch einmal auf das Grundsätzliche zu sprechen kom- ^ ^ ejnc methodisch m. E. überzeugende kritische Wertung
men: Lohnt es sich heute noch, Kommentare zu schreiben? Mit Recht ^ in Fragg |<orrimen(jen /;uue bei den Marcions Paulustext unab-
lsl gefragt worden, ob die herkömmlichen historisch-kritisch ausge- hangjg voneinander zitierenden Kirchenvätern Tertullian. Adamanrichteten
Kommentare, die sich auf spitzfindige Quellenscheidungs- ^ umJ Epjphanius: Wirkliche Zitate müßten klar unterschieden
Hypothesen kaprizieren und den Text bis in den letzten W inkel hinein werden VOn bloßen Anspielungen und inhaltlichen Zusammenfassun-
w'e mit einer 1000-Watt-Lampe ausleuchten, ihren Sinn noch erfül- ^ Im zweiten Tei| (S. 81-148) prüft Cl.. inwieweit die Für Marcion
'en können. Ich habe den vorliegenden Kommentar vom Anlang bis Ansprucn genommenen Lesarten nicht in Wahrheit bereits vor-
*ttni Ende gelesen und mich zum Schluß gefragt: Wer außer einer marcionisch sind. Zwei zusammenfassende Übersichten über die gc-
Handxoll Spezialisten profitiert von diesem Sammelwerk mit histon- wonnenen Ergebnisse und ein Exkurs zu besonderen Problemen in
sehen, religionsgeschichtlichen, sprachwissenschaftlichen Informa- Adam Dja| 5 sowie Bibliographie und Index beschließen das Buch.
''Onen und geistreichen Hypothesen über die Entstehungsgeschichte Ausgangspunkt Cl.s ist die Anerkennung der u. a. von N. A. Dahl
Ur>d die literarische Struktur usw.? Welchen geistlichen und theore- vcrtretcncn These, die ..marcionischen Prologe" der Paulusbriefe
'"sehen Ciewinn wirft das alles ab? Damit sind wir beim Thema: Muß stammten gar nicht aus der Kirche Marcions, sondern aus der Größter
Kommentar der Zukunft nicht ganz anders aussehen als die bis- kircne. dementsprechend seien zahlreiche scheinbar marcionische
herigen. die mehr oder weniger nach dem gleichen „Strickmuster" „marcionitische") Lesarten in Wahrheit vormarcionisch. Dies
arbeiten? Für mein Empfinden müßte die geistliche Dimension des ^ an dem yon Marcj0n unabhängigen Vorkommen solcher
Portes Gottes stärker herausgearbeitet werden. Litcraturwissen- Lesartcn in großkirchlichen Handschriften (so z. B. das Fehlen von
■cnaftlkhe Feinarbeit ist gut und wichtig, aber sie ist nur Vorarbeit ^ n/)0l/)>inrjY m Epn 2.20 [in wenigen lateinischen Handschriften]
Ur"d Hinführung. Beispielhaft sind nach wie vor die großen Klassiker ^ ^ Ejnrügung von Epn | ,21 in den Text von Gal 4,26 [im Text
aus der Väterzeit oder die theologischen Kommentare eines Martin ^ Kjrchenvatcrs Ephraem]; Cl. nennt zahlreiche weitere Beispiele.
Ll't'ier und anderer Reformatoren, die man heute noch mit großem zusammengeläßt in den beiden Appendices S. 150-168). Allzu oft
Gewinn liest. Man könnte hinzufügend hinweisen auf einige moderne ^ man jn der ForschUng Lesarten Marcions a priori für tendenziös
Außenseiter, die erkannt haben, worauf es bei der Bibclexegese geha|ten statt jn ihnen Zeugnisse für frühe abweichende Lesarten
ankommt. Die tiefenpsychologischen Ansätze zeigen trotz der metho- ^ möglicherweise sogar den Urtext zu sehen. Wahrscheinlich habe
d'schen Mängel doch mit aller Deutlichkeit, daß mehr gefordert ist als Marcjon überhaupt nicht einen neuen Paulustext geschaffen, sondern
nur das Seziermesser der historischen und literarischen Kritik. Wenn ^ bcrcjts existjerendes Corpus Paulinum übernommen, das mit Gal
das Wort von Karl Rahncr. der Christ der Zukunft müsse ein Mystiker begann Eph ais Uodicenerbrief enthielt und aus Rom nur Kap. 1-14
se'n. wenn anders er es noch sein wolle, so und in dieser Form richtig Das Messer-, das Marcion laut Tertullian benutzte, habe
lst- dann müßte die hermeneutische Neubesinnung und damit auch ^ wclligcr auf das Herausschneiden einzelner w orte als vielmehr
*• Kommentierung des Neuen Testamentes in diese Richtung aufdasAblrcnnen größerer Textpassagen bezogen. Im Unterschied zu
gehen. Harnacks Ansatz, möglichst viel ..marcionischen" Paulustext gewin-
dem vorliegenden Lukaskommentar, der immerhin auf drei ^ m w0,lcn versteht sich Cl. als ..Minimalist": 82 Lesarten inner-
B;'nde angelegt ist (Wer soll das bezahlen!), erlaube ich mir noch ein halb yon sjcben Pau|usbriefen (Rom und 2 Kor sowie die Past bleiben
Schlußwort: eine respektable Leistung mit einem erstaunlichen Inlor- unherücksjchtigt: für Phlm reicht die Textbasis ohnehin nicht) bas.c-
mations- und Wissensspektrum, von Homer. Plato über Plin.us, ren nachCLs Meinung auf einem vormarciomschen (also vor 140 exi-
^tarch bis hin zu Franz Alt! In theologischen Sachfragen überwiegt sljerendcn) Text, wobei 52 dieser Lesarten „falsch", 30 aber ..korrekt"
d,e ausgeglichene Position, wo es erforderlich ist. wird kritisch Stcl- sejen

lur>g bezogen, die eigenen Urteile sind in der Regel gut begründet. Ins- ^ abweichend von Ncstle-Aland2" hält Cl. z.B. folgende

gesamt ein großer Kommentar, der einen hohen wissenschaftlichen marcionische" Lesarten für ursprünglich: das Fehlen eines Geni-

Rang hat. Wenn von seilen des Rezensenten grundsätzliche Antragen bcj fyj^j, jn Gal 1.6: das Fehlen von mk vor looSaioi in

an d'e herkömmliche literarische Gattung des Kommentars gestellt | ^ ^ ^ Feh)en yon rfj. m)iflv,K vor 0,;x im)ir.i in I Kor 9.7c

^den sind, soll das die persönliche Leistung des Kommentators in ^ ^ ^ ^ jn Eph 3 ,„ QITenkundige Irrtümer zeigten

keiner Weise schmälern oder gar in Frage stellen. Die Frage, die sich [cö^kh die Freiheit der Schreiber der NT-Texte: tendenziös

m,r aber auch nach der Lektüre dieses Werkes auldrängt, bleibt doch ^ ^„.^ nur (),;,5,;m,r, anstelle von OÖX in 1 Kor 2.8 und die

drängend: Wohin treibt die Exegese? Werden unsere Kommentare Ejnrügungvon(Ä(),;;(^,¥,)r«,-)in IThcss2.l5.

dern Anliegen der Zeit noch gerecht? Überzeugend begründet Cl. seine Annahme, daß Tertullian ein

Paderborn JosefErmt grjechisches Corpus Paulinum der Marcioniten und nicht schon eine

lateinisch

e Übersetzung benutzt habe. Im ganzen überzeugend ist