Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

587-588

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Bilde, Per

Titel/Untertitel:

Flavius Josephus between Jerusalem and Rome 1990

Rezensent:

Baumbach, Günther

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

587

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 8

588

naturwissenschaftliche Analysen. Dies beachtend darf man B.s zufällig-
nichtzufällige paläobotanische Dokumentation nicht vorschnell zu (unbegründeten
) Abgrenzungen von Anbau- bzw. Nichtanbaugebieten einzelner Pflanzen
benutzen!

4 Vgl. u. a. H. Donner. Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in
ürundzügen (Ciöttingen 1984 ATD/Erg. 4.1) 55 11'. 122-127; G. W. Ahlström.
Who were the Israelites? (Winona Lake. IN 1986); E. A. Knauf. Berg und Tal,
Stadt und Stamm. In; G. Völger et al. (eds.). Pracht und Geheimnis (Köln 1987)
26-35.

' Z. B.: J. L. Dybdahl, Israelite Village Land Tenure: Settlement to Exile
(Phil.D.diss.. Füller Theol. Seminary 1981).

* Benutzt ist z. B. die Auflage des BRL von 1937. nicht BRL:(I977)!
Bemerkenswert durch umsichtige, auch landwirtSchaftlichOvUmwelt und
Technologie. Geomorphologie. Klima, natürliche Vegetation. Böden sowie
"Population Landscape and Agriculture" einbeziehende Darstellung; D. C.
Hopkins. The Highlands of Canaan. Agricultural Life in the Early Iron Age
(Decatur.GA 1985).

Judaica

Bilde. Per: Hat ins Josephus between Jerusalem and Korne. His Life.
Iiis Works, and their Importance. Sheffield: JSOT 1988. 272 S. 8° =
Journal for the Study of the Pseudepigrapha. Suppl. Scries, 2. Lw. L
30.-.

Die vorliegende Studie stellt eine Weiterfuhrung der Dissertation
des Autors (,,Josefus som historieskriver", Kobenhavn 1983) dar und
will die Grundlage für eine sachgemäße Auswertung der Schriften des
Jos. bieten, wie B. in der Einführung (Kap. 1,13-26) angibt. In
Kap. 2 (27-60) wird anhand der konkreten Quellen unter Berücksichtigung
der Kriterienfrage und der Forschungsgeschichte die "Life
History" des Jos. entfaltet, wobei das schwierige Problem der unterschiedlichen
Aussagen über seinen Aufenthalt in Galiläa (vgl. Vita
28-30 mit Bell 2,562-568) ausführlich reflektiert wird. Vf. kommt
dabei zu dem Ergebnis, daß die Darstellung der Vita mit ihrem Blick
hinter die Szene, die durch innerjüdische Gruppenstreitigkeiten
beherrscht wird, historisch korrekt ist, während im Bell 2 "we are
presented with the formal and official side of the matter" (46). Jos.
leitete in Galiläa die Politik mit dem Ziel, die Revolte zu dämpfen und
zu begrenzen. Zu dem umstrittenen Verhalten des Jos. in Jotapa entscheidet
sich Vf. ebenfalls für eine positive Deutung: Jos. handelte als
erwählter Prophet, als neuer Jeremia, dem Gott eine Botschaft an
Vespasian und an sein eigenes Volk übergab (52). In Kap. 3 geht es um
die Schriften des Jos. (61-122), zunächst um das Bell, wobei B. mit
einer 1., aramäischen Fassung (um 75) rechnet, die seine jüdischen
Landsleute zur Umkehr, d. h. zur Loyalität mit Rom. bewegen sollte,
und mit einer 2., griechischen Fassung (75-79), gerichtet "to the
ruling class in Rome in a politieal-apologetie attempt. .. to restore
the favourable Situation the Jewish people enjoyed before the year66"
(77-78). Jos. schildert hier aus persönlicher Betroffenheit heraus den
Krieg als eine Trägodie und bedient sich dazu einer deuteronomi-
stischen Geschichtssicht. Insofern ist Bell "a work of theological
historical writing" (75). Auch in den Ant. abgefaßt 93/94, erweist sich
Jos. als "a preacher and a prophet" (97), der seinen hellenistischen
Zeitgenossen die göttliche Wahrheit der biblischen Bücher in einer
aktualisierten Deutung nahebringen will mit dem Ziel, das jüdische
Volk und dessen Rechte im Imperium Romanum zu verteidigen
(100/1): "Thus, the aim of Ant may in fact be said to be national
apologetic and in that sense the aim is the same as that of Bell"
(101).

Die als Fortsetzung von Ant gedachte Vita (93/94)vcrfolgt nach B.
einen doppelten Zweck: 1. "to eslablish his pricstly heritage which
made it possible for him to compose Ant (and his öther works) on the
basis ofthe holy scripturcs" und 2. "to teil us about his own partieipa-
tion in the Jewish War. since this is his fundamental . . . prerequisitc
for writing contemporary history. primarily Bell" (112). Die These
von Laqueur u. a. wird demzufolge von B. scharf abgelehnt. Für B. ist

Contra Apionem (nach 94) der Schlüssel für alle Schriften des Jos.;
denn hier wird am deutlichsten sichtbar, worum es Jos. geht: "In all
his works. it is essential for Josephus to counteract the 'hatred ofthe
Jews', to secure the rights ofthe Jewish people and to present Judaism
in such a way that its appeal to the non-Jews is clcarly evident" (122).
In Kap. 4 (123-171) untersucht B. die Haupttrends der modernen
Josephusforschung und gibt einen sehr instruktiven Forschungsbericht
, angefangen von der „klassischen Konzeption" (Jos. als
„copyist", "Compiler" und "editor") bis hin zur „modernen Konzeption
", die die Eigenständigkeit und besondere Motivation des Jos.
hervorhebt, wobei Cohen, Freyne, Momigliano, Attridge u. a. "repre-
sent an impossible compromise belween the two main coneeptions"
(171): denn "the classical coneeption of Jesephus . . . has come to an
end" (171)! In Kap. 5 "Interpreting Josephus" (173-206) begründet
B„ warum er sich der „modernen Konzeption" anschließt, die Leben
und Schriften des Jos. durch Kontinuität charakterisiert sieht: "From
his command in Galilee, Josephus constantly pursued the primary
aim, to avoid total war and to obtain a peaceful settlement with
Rome" (176). Insofern betrieb Jos. sein ganzes Leben lang "a natio-
nally disposed uppcr-class policy" (179). Mit Recht bemerkt B., daß
der soziale Faktor "is of decisive importance foe the correct Interpretation
of Josephus" (180). Als zur Oberschicht gehörender Priester
weiß Jos. sich prophtisch legitimiert zur Übersetzung und Auslegung
der Heiligen Schriften für sein Volk und demnach "as a continuer ol
the prophetic Jewish "writing of history'" (191). Darum lehnt B. die
„klassische Konzeption" ab, weil diese eine Wandlung des Jos. aus
seinen Schriften erschließen will (174). Auch im Blick auf die Verwendung
der Quellen widerspricht B. der „klassischen Konzeption":
denn "Josephus is certainly a creative author" (196). dessen Helleni-
sierung nur „formal" und „oberflächlich" ist. "He is to be related
closer to Old Testament and Jewish trädition than to Hellenistic lite-
rature and historiography. He is engaged in a strugglc against the
latter" (205). In Kap. 6 (207-234) kommt B. auf die unterschiedliche
Verwendung des Jos. in der christlichen und jüdischen Literatur zu
sprechen. Mit einer ausführlichen Bibliographie (235-247) uns 3 Indi-
ces (249-272) schließt die Untersuchung.

Wegen ihres ausgezeichneten Überblicks über den bisherigen Gang
und den gegenwärtigen Stand der Josephusforschung sowie über die
Hauptprobleme der Interpretation der Schriften und der Lebensgeschichte
des Jos. kommt dieser Studie ein hoher informativer Wert
zu. Aber hier wird nicht nur zuverlässig informiert, sondern auch
engagiert gewertet. Allerdings erhebt sich angesichts der von B. einseitig
bejahten „modernen Konzeption" die Frage, ob die überzeugend
nachgewiesene Kontinuität nicht auch Momente der Diskontinuität
enthält, die stärkere Beachtung verdienen. Keineswegs
können alle Thesen der „klassischen Konzeption" so einfach ad acta
gelegt werden, wie es B. will, wenn er zu der durchaus berechtigten
„alten" These, daß sich Jos. erst unter Domitian aus opportunistischen
Gründen zum Pharisäismus bekannte, bemerkt: "This classical
coneeption is scarcely more tenablc than the other classical
theses" (189). Daß "Josephus' 'Pharisaic' theology runs like a red
thread throughout his works" (189), hätte zumindest konkret begründet
werden müssen, wobei die Frage nach einem von seinem Sozialstatus
her naheliegenden Bezug zum Sadduzäismus unbedingt Beachtung
verdient hätte. Auch das Problem der Stellung des los. /um
Hellenismus und zu bestimmten Traditionen des Frühjudentums
(Messianismus. Eschatologic und Apokalyptik) hätte sorgfältigerer
Untersuchungen bedurft. Aber dem Vf. ist dafür zu danken, daß er
durch diese Studie eine Grundlage geschaffen hat. auf der nun weitergefragt
und weitergedacht werden kann.

Berlin Günther Baumbach