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Ausgabe:

1990

Spalte:

580-582

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wenham, Gordon J.

Titel/Untertitel:

Genesis 1 - 15 1990

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 1 I 5. Jahrgang 1990 Nr. 8

580

Die von ihm erstrebte Umwertung der afrikanischen Religionen
drückt sich schon rein sprachlich darin aus, daß er sie. wie heute allerdings
bereits überwiegend gebrauchlich, durchgängig nicht als traditionell
, sondern als traditional bezeichnet. Daß sie ..im tiefsten Sinne
.human'" sind (ebd.), ist allerdings noch nicht dadurch erwiesen, daß
sie „auf den Menschen hin ausgerichtet sind" (ebd.). Insofern könnte
man sie lediglich als „nominal" bezeichnen, womit bestimmte inhaltliche
Kriterien, die das Humanuni erst ausmachen, noch nicht
gegeben wären. Solche Kriterien im afrikanischen Menschenbild zu
entdecken ist allerdings - hierin ist dem Vf. völlig recht zu geben -
nicht möglich, wenn man sich den afrikanischen Religionen im
„Hochmut abendländischen Sendungsbewußtseins" nähert (ebd.) und
sie „unter dem Begriff der .Magie* zu subsumieren und von den sog.
.Hochreligionen' Asiens und Europas abzusetzen" sich bemüht (9).

Als für afrikanisches Bewußtsein grundlegend stellt Vf. in Kap. 1
heraus, daß „der Mensch und seine Beziehung zur Umwelt . . . nicht
vom Geist als dem eigentlichen, unvergänglichen, wesentlichen Teil
des Menschen geprägt" wird, „sondern der Geist wird geformt und
verändert durch das, was der Leib, wasdie Außenwelt ihm vermittelt"
(I 7). Dies aber bedeutet: „Wo Leben erfahren wird, ist der Transzendenzbezug
mitgesetzt. Leben ist immer mehr als vorfindliches Leben,
alles Vorfindliche überschreitet sich selbst. Leben besitzt sakramentale
Qualität" (21), aber nicht das Leben des einzelnen ist von
(rewicht. Vf. zitiert J. V. Taylor: „Menschsein gibt es nurals Familie"
(26). Als Ideal für das Leben generell gilt „das harmonische Gleichgewicht
aller Kräfte" (29). Daß Vf. vor jeder falschen Idealisierung auf
der Hut ist, zeigt crz. B. mit der Feststellung, „daß auch in der Familie
die Bedrohung und Ambivalenz anhält, denn Neid und Zorn sind
überall zu finden, die Familie eingeschlossen" (31). Sein wissenschaftliches
Gewicht erlangt das Buch nicht zuletzt durch das vom Vf. an
vielen Punkten geführte, zum Teil wesentliche Korrekturen anbringende
Gespräch mit namhaften europäischen wie afrikanischen Vertretern
der Religionswissenschaft, so etwa hinsichtlich des Verständnisses
dessen, was mit Mana eigentlich gemeint ist (42 u. ö.). Daß der
europäische Forseher nicht umhin kann, „europäische" Versuche
zum Verständnis Afrikas vorzulegen (44), hält Vf. ebenso für unerläßlich
, wie er sich umgekehrt der Problematik solcher Versuche auch
dann bewußt ist. wenn sie von einem europäischen Afrika-,.Experten
" unternommen werden. Auf jeden Fall ist aber schon viel gewonnen
, wenn Vf. z. B. hinsichtlich des so wichtigen Bereichs der afrikanischen
Symbolbildung (5011) feststellt, daß man hier völlig in die Irre
gehl, falls man etwa vom Freudschen Symbolverständnis ausgehen
würde (53).

Kap. II bringt anschaulich und umfassend die Fülle der Riten zur
Darstellung, weist aber ebenso ihren gemeinsamen Nenner auf. Sie
machen in ihrer Gesamtheit „die tiefe Verflechtung von gesellschaftlichen
Beziehungen, ethischen Normen und religiösen Überzeugungen
deutlich", aus denen niemand herausfallen darf (116).

Kap. III beginnt mit der Feststellung: „Der Mensch ist der
Ausgangspunkt afrikanischen Denkens . . . Afrikanische Religionen
können zu Recht als anthropozentrisch beschrieben werden. Doch
das darf nicht - aus einem barthianischen Religionsbegriff heraus -
pejorativ verstanden werden, sonst verfehlt man den Zugang zum
Herzen Afrikas" (124). Wie die Dependcnz. von der Vf. im Blick auf
das Selbstverständnis des Afrikaners spricht, zu verstehen ist. wird
durch Darlegungen z. B. der Tierverbundenheit und des Totemismus.
der Ahnenverehrung und der Geistbesessenheit verdeutlicht. Dies
führt Vf. zu gewichtigen Aussagen über das afrikanische Gottesverständnis
. Gott „ist präsent. Er ist kein .deus otiosus'" (202). aber
man kann ihm nicht mit dem Alltäglichen kommen, dafür sind Riten,
Ahnen. Geister usw. zuständig. Letztlich jedoch „ist es gut zu wissen,
daß es über den Ahnen und Geistern noch etwas gibt, was alles
begrenzt, daß das Unbegrenzte und nicht Verstehbarc bei Gott aufgehoben
ist" (ebd.)

Kap. IV eröffnet Vf. lapidar: „Afrikanern Moral abzusprechen
gehört zu den größten Fehlleistungen der Reisenden. Forscher und

Missionare des vorigen Jahrhunderts" (204). Unter der Überschrift
„Ehrfurcht vor dem Menschen" (20411") wird der Versuch unternommen
, dem tatsächlichen Ethos gerecht zu werden. So wohltuend
das Bemühen ist. sich von jeder Voreingenommenheit frei zu halten,
so unzulässig wäre es, die neu gewonnenen Einsichten in das Postulat
eines ethischen Pluralismus, d. h. Relativismus, ausmünden zu lassen.
Das wird an dem Unterabschnitt „Das Böse" (223111 deutlich. Völlig
zutreffend stellt Vf. fest: „Die afrikanischen Religionen kennen
keinen transzendentalen Dualismus" (223), doch ist-es christlicher
Theologie, auch einer theologisch fundierten Religionswissenschaft,
nicht erlaubt, auf das Hinterfragen einer solchen Feststellung zu
verzichten. Von hier aus auf das Ganze dieses sehr anregenden und
kenntnisreichen Buches zurückblickend, steht man einmal mehr vor
der Frage, ob die Kirche in Erfüllung ihres Sendungsauftrags zwar um
ernsthafte Inkulturation des Evangeliums in Afrika oder wo sonst
immer - doch unter Wahrung der vollen christlichen Substanz -
bemüht sein oder in diesem Prozeß grundsätzlich auf den Anspruch
verzichten soll, den zu verkündigen, der der Weg. die Wahrheit und
das Leben ist. Es ist dies eine Frage, die der Christenheit von jeher
gestellt war. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts aber dürfte es für sie
zur Schicksalsfrage schlechthin werden.

Leipzig Siegfried Krügel

Altes Testament

Wenham, Gordon J.: Genesis 1-15. Waco. TX: Word Books Puhl.
1987. LIM, 353 S. gr. 8' = Word Biblical Commentary, I.

Jeder neue Genesis-Kommentar-kann mit besonderer Aufmerksamkeit
rechnen, und das um so mehr, wenn es sich dabei um ein
Werk einer neuen Kommentarreihe handelt. Denn die Genesis-
Auslegung von Wenham. Senior Lecturer in Religious Studies at The
College of St. Paul and St. Mary in Chcltenham (England), eröffnet als
Bd. I den "Word Biblical Commentary". Für das AT hg. von John
D. W. Watts. Die Absicht der Herausgeber Hubbard und Barker war
es. einen neuen Bibelkommentar zu schallen, dessen Autoren akademische
Lehrer aus aller Welt und „evangelisch" sind: d. h.. daß sie im
positiven und geschichtlichen Sinn die Schrift als göttliche Offenbarung
verstehen. Weiter wird vorausgesetzt, daß die Autoren
englisch schreiben und die biblischen Ursprachen heranziehen.
Schließlich soll der Kommentar so gestaltet sein, daß mit ihm verschiedene
Lesergruppen angesprochen werden.

Hierzu äußert sich W. in Author's Preläce etwas ausführlicher. Er
weist daraufhin, daß er von seinen Vorgängern in der Auslegung der
(ienesis besonders Westermann und Gispen verpflichtet ist-aufgrund
der Zitationen müßte hinter Westermann noch Cassuto cingelug'
werden - und daß er mit seinem Kommentar drei Lesergruppen erreichen
will: Pastoren und Laien und Theologiestudenten bzw. Bibel*
schülcr. Für die Pastoren sind besonders die mit Comment und
Explanation überschriebenen Abschnitte da. die auch von Laien zu
lesen sind, weil sie keine Ilebräischkenntnisse voraussetzen und die'
Meinung des Textes wiedergeben unter Einbindung in eine breitere
theologische Diskussion. Den Theologiestudenten gelten die textkritischen
, syntaktisch-grammatischen Noten zur Übersetzung und
den Bibelschülern die Abschnitte "Introduction" und "I'orm/Struc-
ture/Setting". Übersetzung und Bibliographie sind für alle da.

In der soeben aufgeführten "Introduction" (XXI-LIII) äußert sich
W. zu den grundsätzlichen Fragen der (ienesis. Das gilt auch für den
Bd. 2 (Gen 16-50). „Einleitungen" zur Genesis sind seit Gunkels
Kommentar, und gewiß nicht erst seit diesem, für jeden Leser eine
besonders attraktive Lektüre. Das gilt auch für diese Einleitung. di<-'
einen vorzüglichen Überblick über die Forschungsgeschichtc der verschiedenen
Problcmfelder gibt und dabei mit großer Klarheit den
eigenen Standpunkt vorträgt, und das in einer Sprachgestalt, die in