Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

520

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kratzsch, Konrad

Titel/Untertitel:

Verzeichnis der Luther-Drucke 1990

Rezensent:

Petzoldt, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

519

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 7

520

Luthernotiz über die Einladung zur Thesendisputation am 31. Oktober
1517 (59) ist abgebildet in: Martin Luther 1483-1546. Dokumente
seines Lebens und Wirkens, Weimar 1983, 72:38.

Knapp die Hälfte des Bandes nimmt Otto Hermann Peschs stark
überarbeitetes Referat „Erträge des Luther-Jahres für die katholische
systematische Theologie" ein (81-154). Ihn interessiert allein die
Frage, ob und wie weit „die katholische Lutherforschung in der
katholischen systematischen Theologie etwas in Bewegung gebracht"
hat (85). Zunächst gibt Pesch einen Überblick über die Lutherthematik
in der kirchlichen Presse. In den Grundsatzartikeln fast aller
Blätter, die meist Verständnis für Luther bezeugen, ist nicht mehr die
Rechtfertigungslehre der kritische Punkt in der interkonfessionellen
Debatte, sondern die Frage nach Sakrament und Amt (88t). Die zu
recht ausführlicher dargestellte Stellungnahme in der Fachtheologie
hat erwartungsgemäß ihren Schwerpunkt nicht im Ausland (Frankreich
, Italien, Spanien, angelsächsischer Raum), sondern im deutschen
Sprachraum. Unter den weiterführenden Beiträgen referiert
Pesch vor allem die Gießener Ringvorlesung über den Vermittlungsversuch
zwischen Luthers Glaube-Werke-Problematik und der „politischen
Theologie", die Interpretation von Römer 7 durch den Neu-
testamentler Gerhard Dankenberg, Heinrich Petris Ausführungen zur
Kreuzestheologic. Stephan Pfürtners Anwendung der Paradigma-
Theorie Thomas Kuhns auf Luthers Rechtfertigungslehre, die
Reflexionen Peter Neuners und Friedrich Schrögers über die Lehre
von der „Klarheit der Schrift" bzw. Hans Jorissens über Luthers
Ekklesiologie, vor allem aber die beiden bündelnden und in die
Zukunft weisenden Beiträge von Heinrich Döring über das sola gratia
und Wolfgang Beinert über den theologischen Grundansatz Luthers.
Als methodisch inhaltliches Destillat kann Pesch folgende Grundtypen
der Argumentation festhalten: l. Eine Art Abzählverfahrcn
(jeweils Gegenüberstellung von Einzellehren), 2. Ökumenische Offenherzigkeit
(den ernst genommenen reformatorischen Lehren werden
recht verstandene katholische entgegengesetzt), 3. Vorbehaltlose
Unbefangenheit gegenüber Luther (Konsequenz: Totales Ja zu
Luthers Theologie). Pesch weist in diesem Zusammenhang auch auf
nach wie vor vorhandene neuralgische Punkte in der interkonfessionellen
Lutherinterpretation hin: 1. Das menschliche „Mitwirken" im
Heilsgeschehen, 2. Die sichtbare Kirche, 3. Die „Menschlichkeit"
(Einseitigkeiten, Überreaktionen u. ä.). Auch angesichts der kirchenamtlichen
Äußerungen gelangt Pesch zu der Feststellung, daß der
„.Ertrag' für die weitere Arbeit der katholischen systematischen
Theologie gar nicht so schlecht" ist. In bisher nicht dagewesener
Weise sei zur Forschung ohne Apologie aufgerufen worden, das heiße
auch, „Luthers Theologie in das Zeugnis der gesamten christlichen
Tradition einzubeziehen und also auch ihn als Zeugen des Evangeliums
zu hören" (141). Nicht als Einschnitt, aber als Ermutigung
könne der Ertrag des Lutherjahres somit für die katholische systematische
Theologie gewertet werden. Der wichtigste „Ertrag" liege aber
darin, daß eine sachgerechte Verschiebung der interkonfessionellen
Fragestellung erkennbar werde: „keine Suche nach Konvergenzformeln
mehr,. . . sondern die Suche nach einer begründeten Antwort
auf die harte Frage: Müssen wir uns gegenseitig verurteilen, obwohl
wir gerade nicht eine konvergierende Formulierung erreichen können
bzw. eine konvergierende Praxis" (142). Abschließend begründet
Pesch erneut seine Ablehnung von Peter Manns Formulierung „Vater
im Glauben" (ehancenlos im Blick auf allgemeine Anerkennung,
Interpretationsbedürftigkeit). Er sähe sie lieber ersetzt durch „Zeuge
des Glaubens".

Der Band hat sein Gewicht vor allem durch Peschs großen Überblick
über die katholischen Beiträge und Stellungnahmen, der auch
bibliographisch mit großem Aufwand dokumentiert ist. Mögliche
Ergänzungen, z. B. durch die nicht berücksichtigte Vechtaer Ringvorlesung
1983 oder Fragen zu einzelnen Formulierungen (z. B. zum
Begriff Lutherforscher, vgl. 108 u. ö.) ändern daran nichts. Die Dankbarkeit
für diesen gewichtigen Beitrag verhindert nicht aufkommende
Bedenken /um Titel der Publikation und damit auch zur Themaformulierung
der Tagung, auf die der Titel verweist. Mit „Bilanz" ist
ein Wort aus der Ökonomie seit einiger Zeit allzu unretlektiert eingewandert
in die Historiographie. Wenn „Bilanz" ursprünglich
„Gleichgewicht" bedeutet, so liegen die Defizite im Blick auf eine
Beurteilung des Jubiläums von 1983 auf der Hand. Es wird lange
dauern, bis eine wirkliche Bilanz des Jubiläums gezogen werden kann.
Daseinschränkende „Zur" im Titel ist demnach vollauf berechtigt.

Berlin Siegfried Brauer

Kratzsch, Konrad: Verzeichnis der Luther-Drucke 1517-1546. Aus

den Beständen der Zentralbibliothek der deutsehen Klassik. Weimar
: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen
deutschen Literatur 1986. 213 S. m. Abb. gr. 8° = Veröffentlichungen
der Zentralbibliothek der deutschen Klassik, 1.

Die herausgebende Bibliothek plant eine Reihe von Verzeichnissen,
„die einen vertiefenden Überblick über wertvolle Bestände" (5) vermittelt
. Der vorliegende Band, der durch das Lutherjahr 1983 veranlaßt
wurde, zeigt den Start dieses Unternehmens an. In der Gliederung
Benzings angelegt, bietet das Verzeichnis „einen vollständigen Überblick
über die in der Zentralbibliothek der deutschen KlasMk in
Weimar vorhandenen Luther-Drucke mit Ausnahme der Bibelausgaben
" (6). Der Bearbeiter verweist auf den Rückgriff auf bewährte
Ergebnisse aus der Weimarer Luther-Ausgabe sowie auf die biblio-
graphisch-druckgeschichtlichcn Arbeiten von Benzing, Claus und
Pegg. 980 Titel werden aufgelistet und beschrieben. Anschließend
helfen dem Benutzer ein alphabetisches Titelregister, ein Verfasserregister
, eines der Drucker und Verleger und eines der Druckorte.
Eine Konkordanz zur WA, Literaturverzeichnis und neun Abbildungen
von Drucken, die selten sind oder als Unikate gelten, runden den
Band ab. Benutzer, nicht nur der Weimarer Bibliothek, werden dem
Bearbeiter dankbar sein.

M.P.

Kirchengeschichte: Neuzeit

C'eyssens, Lucien, et Joseph A. G. Tans: Autour de l'Unigenitus.

Recherches sur la Genese de la Constitution. Leuven: University
Press; Leuven: Peeters 1987. XXVI, 845 S. gr. 8° = Bibliotheca
Ephemeridum Theologicarum Lovanicnsium, LXXVI. Kart. BF
2.500.

Im Vorwort würdigt .1. A. G. Tans das Lebenswerk des mittlerweile
85jährigen Lucien Ccyssens, der sich seit 50 Jahren immer wieder zur
Thematik des Jansenismus und seiner Nachwirkungen geäußert hat-
Es wird auf die Zeitschrift Antonianum verwiesen, die 1978 und 1985
bibliographische Zusammenfassungen mit 354 Nummern gebracht
hat (VI, Anm. I). Im hier vorgelegten Band werden 14 Aufsätze erneut
abgedruckt, die in den Jahren 1981-84 an schwer zugänglichen Stellen
erschienen waren (XXVI). In der Bulle „Unigenitus" hatte Papst
Clemens XI, im Jahre 1713 die Schrift «Nouvcau Testament en
franeois avec des Reflexions morales» des Pasquicr Qucsoel verurteilt
.

Teil I untersucht die Urspünge der römischen Verurteilung, insbesondere
die Voten des Papstes (115-139). Teil II ist überschrieben
«Les prineipaux Promoteurs»; Charles Augustin Fabroni, Guillauntt
Daubenton und Michel Le Tellicr. Teil III führt «Quelques < oopera-
teurs» näher vor Augen, darunter an letzter Stelle ErzbischolT cneloii:
er hatte der janscnislischen Bewegung nahegestanden, war aber nach
seiner Verurteilung 1699 total umgeschwenkt, so daß über ihn besonders
bitter geurteilt wird (521-79). Teil IV steht unter der bezeichnenden
Überschrift «Les deux victimes». Die „Schlachtopfer" waren
PasquierQuesnel (t 1719) und der Kardinal von Noailles(+ 1729). In
Teil V geht es noch einmal besonders um Papst Clemens XI. (t I 721 )•