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Ausgabe:

1990

Spalte:

515-516

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Tierney, Brian

Titel/Untertitel:

Origins of papal infallibility 1990

Rezensent:

Zimmermann, Harald

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 7

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aber üblich. Freilich förderte Karl IV. seit 1348 die Universität Prag,
was zum Niedergang der Schulen in Erfurt führte. Erst 1392 wurde die
Universität Erfurt eröffnet, die aber nicht mehr an bestehende Traditionen
anknüpfen konnte, sondern neue Lehre* aus Prag berufen
mußte. Man kann aber behaupten: ,.ln Erfurt hat sich im 13. und
frühen 14. Jahrhundert eine von bisher in Deutschland noch nicht gekannte
Ausmaßen geprägte Hochschule entwickelt, die von ihren
Zeitgenossen keinesfalls zu Unrecht mit dem Namen Studium generale
belegt worden ist" (56).

Kapitel II „Das Lchrprogramm" verweist immer wieder auf Zusammenhänge
mit anderen Orten in Europa, besonders Paris. Das
Lehrprogramm bestand zunächst vor allem aus Grammatik und den 7
freien Künsten. Rückschlüsse ergeben sich aus Bibliotheksbeständen
(72-75). Um 1300 wird mit Thomas von Erfurt „erstmals im Erfurter
Schulleben ein Repräsentant des neuesten Forschungs- und Erkenntnisstandes
einer Wissenschaft läßbar. Mit ihm bewegte sich der
Grammatikunterricht in Erfurt auf der Höhe der Zeit" (77). Aber
auch „Bearbeitungen von Teilen des Logik-Corpus" könnten Thomas
de Erfordia zugeschrieben werden (87). Es läßt sich zeigen, „wie rasch
unter Umständen die Ergebnisse des Pariser Wissenschaftsbetriebes in
Erfurt Aufnahme finden konnten" (98). Verschiedene Hinweise und
Nachrichten „lassen den Einfluß der verschiedenen geistigen Strömungen
sichtbar werden, die an den europäischen Artistenfakultäten
wie Paris, Oxford und Bologna ihre Vertreter besaßen" (102). Die
These wird vertreten: „Fast alle Bücher, die in den Pariser Statuten
erwähnt werden, haben im Erfurter Schulleben eine Rolle gespielt
" (107). Zwar gibt es keine Statuten für Erfurt, dafür kann eine
Erfurter Quaestionensammlung ausgewertet werden (107-134).
Johannes von Erfurt ist ein Zeuge für „wachsende Bedeutung der
Mathematik und insbesondere ... der Astronomie" (149). „Kompu-
tistik wurde an den Universitäten von Prag, Krakow, Wien und mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch von Heidelberg und Erfurt auf
der Grundlage des Computus chirometralis betrieben", den Johannes
von Erfurt aufgestellt hatte (149). Bemühen um medizinisches Wissen
wird in Erfurt „erstmals 1320 faßbar" (157). Für Philosophia moralis
und Musik gibt es keine Überlieferung, für einen Rhetorik-Unterricht
gibt es „immerhin einige Hinweise" (159). Kapitel III „Die Lehrer
und ihre Werke" (161-328) ist ein komprimiertes Stück Arbeit, das
sich zum Nachschlagen eignet. Es ist alphabetisch aufgebaut, von
Albertus de Saxonia (165-168) bis zu Ulricus, magister puerorum am
Marienstift (327) und dem ungenannten „Rector scholarium apud
Scothos" (328). Manchmal sind es nur kurze Informationen, mitunter
werden aber auch ausführliche Werksammlungen mit umfangreichen
Handschriftenangaben im Kleindruck geboten, die für weitere speziellere
Arbeiten eine gute Voraussetzung bieten könnten.

Rostock Gert Hacndlcr

Tierney, Brian: Origins of Papal Infallibility 1150-1350. Study on
the Concepts of Infallibility, Sovereignty and Tradition in the
Middle Ages. 2nd Impression with an Postscript. Leiden-New
York-Kopenhagen-Köln: Brill 1988. X, 327 S. gr. 8' = Studics in
the History of Christian Thought,6, Lw. hfl 125.-.

Dic Erstauflage des Buches ist in der Theologischen Litcratur-
zeitung98, 1973, 770ff besprochen worden. Dem Nachdruck wurde,
wie im Titel angekündigt, ein Postscriptum auf S. 299-327 beigegeben
. Hier setzt sich der Autor mit einigen seiner Rezensenten und
mit einigen Neuerscheinungen zum Thema der Infallibilität auseinander
. Im wesentlichen wahrt und verteidigt er seinen Standpunkt als
das Ergebnis historischer Forschungen vor allem gegenüber theologischen
und kanonistisehen Einwendungen, auch indem er die eigene
Ausgangsposition und das Entstehen seines Werkes klarlegt. Freilich
geht es ihm auch um die Zurückweisung von auf falscher Basis beruhenden
Kritiken, wie etwa von Remigius Bäumer in bezug auf
Bonaventuras Einstellung zur Irrtumslosigkcit. Tierney gibt zu. daß er

sein Buch ein zweites Mal anders schreiben und manche vernachlässigte
, aber im Ergebnis - wie er meint - nichts ändernden Autoren des
Mittelalters in die Betrachtung einbeziehen würde. Man darf dankbar
sein, daß man es in vorliegender Fassung besitzt. Das Aufsehen, das es
seinerzeit erregte, mag sich aus dem Gebrauch des Wortes Infallibilität
erklären, das seit 1870 in der katholischen Kirche dogmatischen
Charakter hat. Für den Historiker bleibt die von Tierney bewiesene
I lerleitung der Unfehlbarkeitsidee aus dem franziskanischen Armutsstreit
und der von den Minoriten im Kampf gegen den Papst behaupteten
Unmöglichkeit des Widerrufs päpstlicher Entscheidungen
wichtig. Diese Zusammenhänge sind nach wie vor sensationell. Es ist
gut, daß Tierney's Buch nachgedruckt wurde und weiter diskutiert
wird.

Tübingen Harald Zimmermann

Bayer, Hans: Abälard-Heloise-Briefwechsel und Conte du Graal in ihrer Zeil
(ZKG 100,1989,3-32).

Bigaroni, Marino: San Damiano - Assisi: the flrst church ol'St. Francis (FrS
47, 1987,45-97).

( altin, Yves: Dieu d'amour et Dieu de colere. Justice et misericordc dans Ic
Proslogion (ch. Vl-Xl) d*Anselme de Canterbury (RhPR 69. 1989.
265-284).

Krumwicdc, Hans-Walter [Hg.]: Die mittelalterlichen Kirchen- und Altar-
patrozinien Niedersachsens. Ergänzungsband. Hg. von der Gesellschaft für
niedersächsische Kirchengeschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

1988. XIII. 222 S. gr.8'. Kart. DM 58.-. (s. Bespr. ThLZ 89,1964,40-42).
Padberg, Lutz I". v.: Wynfreth-Bonifatius. Wuppertal-Zürich; Brockhaus

1989. 189 S.m. 34 Abb. kl.8' = R. Brockhaus Taschenbuch. 1104. R. Brockhaus
Bildbiographien. Kart. DM 15.80.

Richter, Vladimir: In search of the historical Ockham: historical literary
remarks on the authenticity of'Ockham's writings (FrS46. 1986.93-105).

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Cochlaeus, Johannes: Responsio ad Johannem Bugenhagium Pomera-
num. Ed. by R. Kcen. Nieuwkoop: de Graaf 1988. 178 S. gr. 8" =
Bibliotheca Humanistica & Reformatorica, 44. Lw. hfl 80.-.

Im späten Frühjahr 1525 entstand durch - irreführende- Nachrichten
, die der dänische König Christian II. nach Wittenberg übermittelte
, bei Luther und seinen Freunden der Eindruck, der englische
König, Heinrich VIII., neige nun doch der Reformation zu. Im Wir-
kungsfcld von Überlegungen, wie diese - vermeintlich günstige "
Entwicklung in England seitens der Reformatoren gefördert und
genutzt werden könnte, kam es nicht nur zu dem bekannten, im Endeffekt
für ihn außerordentlich peinlichen Versuch Luthers, das gespannte
Verhältnis zu Heinrich durch einen devoten Entschuldi-
gungsbricf(vom I. September- WABr 3,62fT) zum Guten zu wenden-
Offenbar bereits in der 2. Maihälfte war Bugenhagen mit seiner lür die
Wittenberger und ihre Theologie werbenden „Epistola ad Anglos" 'n
diesem Kontext aktiv geworden. Sein am Vorbild paulinischcr Briefe
orientiertes „Sendsehreiben" wurde für Cochlaeus zum Anlaß, in1
Fcburar 1526 eine umfängliche „Responsio..." zu publizieren-
Darin ginges ihm um den Aufweis, daß England in jedem Falle bei del
katholischen Kirche beharren würde. Bei gleichzeitiger Polemik
gegen alle Erscheinungsformen der Reformation diente seine Abschnitt
für Abschnitt an Bugcnhagens „Epistola" entlanggehende
Schrift insgesamt der Verteidigung der römischen Kirche und ihres
Glaubens.

Diese „Reponsio . . ." hat R. Kcen, Chicago, auf der Basis einer
Kollation von vier "surviving eopies" des Druckes von 1526 (deren
Verhältnis zueinander dem Rez. nicht ganz klargeworden ist) unte1
Zugrundelegung des in Wolfenbüttel vorliegenden Exemplars heraus-