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Ausgabe:

1990

Spalte:

495-497

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

L ' Apocalypse d'Adam 1990

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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495

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 7

496

Volksreligion und „das Dilemma des Christentums angesichts der
Volksreligion*'. Er sagt Ja zu ihrer rationalen Kritik, ohne einer
„rationalistischen Ausdörrung" das Wort zu reden. Bewahrenswert
am Konfuzianismus als einer humanistischen und moralischen Religion
seien Tugenden wie „Nüchternheit. Unvoreingenommenheit
und Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Kreativität und Voraussicht"
(120). Sodann vergleicht K. Selbstverständnis und Eigenprofil bei
Konfuzius und Jesus. Am Ende des 2. Kapitels geht es um das große
Thema „Humanuni als Grundnorm einer Ethik der Wcltreligionen"
(Gut und Böse, Menschen-, Nächsten-, Feindesliebe). Kap. 3 widmet
sich dem Taoismus, vor allem dem Zusammenhang von Heil, Heilung
und Heilkunst und damit dem ganzheitlichen medizinischen Ansatz
im T. Es folgt die Gottesfrage (was ist Tao?) und die Erörterung des
Verhältnisses von Yin und Yang. Das Resümee der hier nur angedeuteten
theologischen Reflexionen lautet: „Ziel (sc. derchristl. Weisheit)
ist nicht die Fähigkeit der Harmonie mit der Welt (K'ung Fu-tzu) oder
des Loslassens aller Welt (Lao-tzu). Ziel ist die Fähigkeit des Loslassens
aller falschen Gottesbilder, ist das Sicheinlassen auf den einen
Gott, das eine Tao .. . Das Sicheinlassen gerade so dann auf die Mitmenschen
, gute und böse" (220). Im letzten Kap. arbeitet Küng sieben
Modelle der Begegnung von Christentum und chinesischer Kultur
und Religion heraus und verknüpft damit die Frage der Inkulturation
des christlichen Glaubens in China und einer „kontextuellen Theologie
im chinesischen Gewand". Die sieben Modelle sind: 1. Äußerliche
Angleichung (nestorianisches Christentum in China), 2. Synkre-
tistische Vermischung (Manichäismus), Komplementäre Ebenen
(Chinamission des Matteo Ricci u. a.), 4. Missionarische Konfrontation
(17./18. Jh.), 5. Kulturelle Überfremdung (19. Jh. im Gefolge des
Kolonialismus), 6. Antimissionarische Reaktion (jüngere Geschichte
des Christentums in China, u. a. Drei-Selbst-Bewegung, Kulturrevolution
) und 7. die „denkbare" kontextuelle Inkulturation. Merkmale
einer „chinesischen Theologie für die Postmoderne" sind: Neuorientierung
am biblischen Glauben (nicht an einer westlichen Konfession
), Neuformulierung des Glaubens aus heutiger Erfahrung und
Situation, praktische Nachfolge und Erneuerung der Kultur durch
Religion. - Vieles könnte der Westen von der fernöstlichen Religion
lernen! Nötig wären z. B. der „Übergang von einem männlichaggressiven
, rational-analytischen Yang-Zeitalter zu einem mehr
weiblich-bewahrenden, empfänglich-synthetischen Yin-Zeitalter"
und der Paradigmenwechsel vom „Yang-Handeln, das auf das Ich bezogen
ist, zu einem neuen Yin-Handeln, das im Einklang mit der
Natur erfolgt", eine neue Harmonie „im Bewußtsein einer grundlegenden
Einheit von Mensch und Kosmos" (294f). Im Epilog wird
das delikate Problem einer „Doppelbürgerschaft" im ethischen Sinne
bzw. im Glauben reflektiert. Küngs Fazit: „So sehr. . . eine kulturelle
und ethische Doppelbürgerschaft möglich ist. . ., religiös im tiefsten,
strengen Sinn des Glaubens dürfte eine Doppelbürgerschaft ausgeschlossen
sein - und zwar bei allen großen Religionen". „Christliche
Inkulturation, nicht religiöse Doppelbürgerschaft muß die Leitlinie
sein!" (3060-

Wer alle diese Bände studiert hat, verfügt über ein Mindestmaß an
Sachkenntnis für die Beurteilung dieser Religionen und das Gespräch
mit ihren Gläubigen. Ob diese sich und ihre religiösen Vorstellungen
in den Darstellungen in jedem Falle wiederfinden, ist eine andere
Frage, die sich am besten im lebendigen Dialog beantworten läßt.
Jeder Band enthält weiterführende Literatur. Register. Zeittafeln und
Aussprachehinweise.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Morard, Franeoise: L'Apocalypse d'Adam (NH V, 5). Texte etabli
et presente. Quebec: Les Presses de PUniversite Laval 1985. XVII.
145 S. gr. 8' = Bibliothcque Copte de Nag Hammadi. Section «Textes
», 15.

Das interessante und fruchtbare kanadisch-französische Unternehmen
der «Bibliothcque copte de Nag Hammadi» (abgekürzt:

BCNH) zeitigt Produkte verschiedener Qualität (vgl. ThLZ 106, 1981.
194-196; 112. 1987. 109-113). Die jetzt vorliegende Nr. 15 von
BCNH Textes, die der Adamsapokalypse (=ApcAd) gewidmet ist.
einer gnostischen Schrift, die seit ihrer Erstausgabe im Jahre 1963 (vgl.
ThLZ 90, 1965, 359-362) in der Forschung eine große Rolle gespielt
hat und mit Recht als besonders wichtig gilt, ist nicht nur eine grundsolide
und vertrauenswürdige Leistung als Bestandsaufnahme des
Erreichten und als Arbeitsmittel für die französischsprachige Fachwelt
, sondern ein mit Respekt zu begrüßender eigenständiger Beitrag
zur Forschung.

Schon an die Einrichtung des koptischen Textes hat die Autorin
allergrößte Sorgfalt gewandt. Unterstützt wurde sie dabei von P.-H.
Poirier, der ihr Manuskript am Original in Kairo überprüft hat
(S. VII). Die von ihr verfolgten Prinzipien bringen es mit sieh, daß der
gebotene Text in der Markierung von Buchstaben als unsicher (durch
einen untergesetzten Punkt), in der (Vermeidung der) Rekonstruktion
von Textlücken und gelegentlich sogar in der Identifizierung von
Buchstabenresten sich von demjenigen MacRaes in dem U.S.amerikanischen
Parallelunternehmen (vgl. OLZ 79. 1984. 460-464) -
gelegentlich auch vorteilhaft - unterscheidet. In mancher Beziehung
hat sie es freilich zu gut machen wollen, z. B. wenn sie ihren kritischen
Apparat dadurch überlädt und für Druckfehler anfällig macht, daß sie
schon eine andere Unterpünktierung als varia lectio behandelt. Ich
glaube auch, daß sie um der Eigenständigkeit willen das Gewicht, das
den amerikanischen, in jahrelanger Teamarbeit an den Originalen
erarbeiteten Lesungen objektiv zukommt, im allgemeinen unterschätzt
. Als besonderes Beispiel für eine problematische Selbstbehauptung
vgl. auf p. 80,1 die Lesung t[ou]te (S. 50) mit dem ept-
sprechenden Eintrag im Register als «Variante nouvelle»(S. 138 b).

Der Kommentar zielt ab auf ein ganzheitliches Verständnis der
ApcAd und vermittelt dabei m. E. mancherlei neue Einsichten in den
Aufbau der Apokalypse und in Sinn, Zusammenhang und Stellenwert
seiner Motivkomplexc. Es zahlt sich dabei aus, daß die Autorin die
Anerkenntnis der ApcAd als eines Gliedes des sethianischen Text-
Corpus erstmalig in praktische Exegese umsetzt, also die ApcAd konsequent
im Kontext der übrigen sethianischen Texte erklärt. Bei diesem
religionsgeschichtlichen Vergleichsverfahren arbeitet sie in wohltuender
Beschränkung nur mit sorgfältig ausgewählten Parallelen, die
dann auch wirklich ausgewertet werden. Bei dieser Art von Kommentierung
kommen freilich exegetische Probleme von geringerer „Reichweite
", die unmittelbar mit dem koptischen Wortlaut der betreuenden
Stellen zusammenhängen zu kurz, wenn sie überhaupt in den
Gesichtskreis treten. Die besonders von C. W. Hedrick ins Bewußtseins
gehobene literarkritischc Perspektive (vgl. ThLZ 109, 1984.
447Q erscheint der Autorin nur am Ende der Schrift berechtigt, wo sie
in p. 84,4-28 und p. 85,19-31 sekundäre aus dem 3. Jh. stammende
Einschübe bzw. Nachträge zu erkennen glaubt, durch die der ursprünglichen
, vermutlich Ende des I. oder Anfang des 2. Jh. verfaßten
Schrift eine gegen die Wassertaufc gerichtete Tendenz aufgesetzt
worden sei (S. 126). Zur Erkenntnis, daß beim ersten Stück wirklich
anstößig nur Z. 5-8 mit der Nennung der Namen und der Funktionsbezeichnung
der drei sethianischen Taufengel sind, während die folgende
Scheltrede sich als Antwort genau auf die vorhergehende Klage
der gottlosen Menschen bezieht, kann vielleicht ein m. W. bisher verborgen
gebliebener Fayumismus (p. 84.1: nei für sahidisches na), der
den von M. in dem kurzen sprachliehen Teil der Einleitung (S. 50
gesammelten fayumisierenden Zügen hinzuzufügen wäre, nicht wenig
beitragen: nei ha nenpna heißt eben: „Erbarme dich unserer Geister!"
Wenige Zeilen später (p. 84,11/12) wird übrigens von M. ein längst
aus der Welt geschaffter Irrtum Böhligs wiederbelebt: das te am Anfang
von Z. 12 ist der Qualitativ von (;'. Was die Frage der bloßen Abgrenzung
der Litanei mit den 14 Vorstellungen über die erlösende
F.piphanie des F.rleuchtcrs. die der eschatologischen Klage vorausgeht
, anbelangt, so glaube ich gegen M. und die gesamte bisherige
Tradition, daß der Neueinsalz in p. 77.211' mit den Worten Im
ouplant erfolgt: „Dann werden die Engel und alle Geschlechter der