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Ausgabe:

1990

Spalte:

445-446

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Fischer, Norbert

Titel/Untertitel:

Augustins Philosophie der Endlichkeit 1990

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Seite 1

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Theologische Litcraturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 6

446

,n Kirche und Lehre viel und v.elscitig beschäftigter Mann Chorismos-Problematik. Bonn- Bouvicr 1987. 341 S. 8" = Mainzer
ist und er daher nicht kontinuierlich an diesem Projekt arbeiten Philosoph.sche Forschungen, 28. Pp. DM 89.-.
konnte, hat sich die Arbeit über mehr als zehn Jahre hingezogen. Ich ^ gedrängt geschriebenen, eine Stoffülle vor dem Leser aus-
wiederhole das aus seinem Vorwort nur, weil ich hinzufügen mochte, bniteodeB Bucn wird Augustin nicht psychoanalytisch gedeutet,
daß der Arbeit diese über zehn Jahre gutgetan haben, insofern als uns ^ ^ ^ nich| a!s Theologe, als Prediger und Missionar verstan-
nunmehr hier ein souverän gemachtes und völlig ausgereiftes Werk ^ ^ ^ ^ ^ >b phiIosoph vorgestellt. Die angedeuteten
vorliegt. Es gehört mit zu dem Besten, was ich überhaupt über Philo andercn Wegc wcrdcn kenntnisreich abgewiesen oder methodisch
diesen habe. Und ich habe es mit Genuß und Ciewinn gelesen. Abgc- ausgek|ammcrt Die einschlägige Literatur wird kritisch erörtert, zusehen
von der Souveränität überhaupt erscheint daran besonders her- ^ ^ Anmcrkungen jcxle Und ihre Interpretationen fesseln
vorhebenswert die bis zur Beängstigung des Lesers gehende Gründ- ^ Aufmerksamkeit des Lesers.

hehkeit in der Vorführung und Verzeichnung des relevanten Mate- ^ Untcrsuchung geht von Augustins Erfahrung des Todes, der

r,als (wobei dann auch manches Verdikt für seine Vorgänger mit End|jchkeit a|so aus; wje Augustin das verarbeitet, wie er also Zeit

abfallt), weil sie verbunden ist oder wenigstens ausmündet in eine verstem jst rur dcn yf. eine streng philosophische Erörterung. Die

w'rkliche und dem gespannten Leser Genugtuung verschaffende Aus- entfaltet das aus der Geschichte der Chorismos-Problematik.

Ortung desselben. jener Trennung" zwischen dem Sein der Ideen und den vergäng-

Gewundert hat sich der Autor im Laufe seiner Arbeit zweimal: cm- |jchen Dingen. Diese philosophiegcschichtliche. ja, philosophische

mal darüber, daß trotz der Fülle der Philo-Literatur die Frage, wie Grund|egung im Denken vor Augustin ist ungewöhnlich umfang-

philo eigentlich über die Inspiration der von ihm ausgelegten heiligen ^ dcs B(jcnes isl dem Chorismos-Thema bei Plato.

Schriften denkt, noch nie gezielt und für sich behandelt worden ist: Arjstotc|cs und Plotin gewidmet. Diese Anlage der Untersuchung

zum anderen, daß die gleichwohl vorhandene communis opinio, die macnt jn der Augustin-Hälfte fundierte Aussagen über den sog. Plato-

S|ch aus den vielen beiläufigen Äußerungen zu dieser Frage heraus- njsmus Augustins oder anderer Kirchenväter, auch grundsätzliche

^bildet hat und deren Gültigkeit bis in systematisch-theologische Thescn 7um Verhältnis des Chistentums zur Philosophie möglich.

Auswertungen reicht, falsch ist. Diese verbreitete falsche Meinung Anderersejts macht dieser Gang der Studie das vorliegende Buch nicht

besagt, daß Philo eine streng ekstatische, von griechischer Mantik und ^ ^ Patristiker interessant, sondern geht jeden an, der antike Philo-

Mystericnfrömmigkeit bestimmte Inspirationsvorstcllung gehabt nic zu verstcncn sucht. Der Eingang des Vorworts weist auch dar-

hahe, nach der bei der Entstehung der Schrift die Persönlichkeit des ^ ^ ^ philosophische Fragestellungen unseres Jahrhunderts.

Menschlichen Autors ausgeschaltet und gänzlich ohne Einfluß auf das ^ Husserls. des Vf. Aufmerksamkeit auf Augustin gelenkt

Ergebnis des Inspirationsvorgangs gewesen sei (vgl. vor allem S. 221). h.Ahen und nicht Probleme der Patrologie.

°lcichwohl erscheint diese communis opinio wohllündiert in dem, Wc|cne grundlegende Bedeutung haben Tod und Sterben für Plato? -
was Philo an bestimmten Stellen seiner Werke wirklich sagt: das sind beginnt das Buch. Was für eine Funktion hat bei ihm die Idee,
vor allem: vit.Mos. II 188; spec.leg. I 65; IV 49; rer.div.hcr. 258ff(vgl. ^ ^ ^ ücgebenc rür das Erkennen? Wie stellt sich Plato
z B S. 71). Aber diesen wenigen Aussagen steht nun eine kaum über- ^ Chorismos vor? Vf. weiß, daß er über das bloße Vorkommen
sehbarc Fülle von Stellen gegenüber, in denen Mose als Autor der so|chen philosophischen Vokabel hinausgehen muß: dem
Hc'hgcn Schrift genannt wird oder wo deutlich vorausgesetzt ist, daß m^tn konzipierten Eisler-Ritterschen Historischen Wörterbuch der
cr an ihrer Entstehung mitbeteiligt ist. Es handelt sich also um das phi|osophje wjrd er darum nicht gerecht. Vf. diskutiert engagiert die
n|eht unbekannte Problem der Interpretation mehrschichtiger Texte. posjtionen gegenwärtiger Plato-lntcrpretationen, die Grundthese des
w°hci es um die Suche nach einer optimalen Perspektive geht. 7 Briefes wird gewertet. Nach vier Plato-Kapiteln wird die Lehre des
11 ist nun. bestimmte schon vorhandene Ansätze in dieser Richtung Arjstotc|cs crörtert, dann wird Plotin dargestellt. Vf. wehrt nicht nur
au,nehmend, der Meinung, daß die merkwürdigen wenigen Stellen vorschne||cn Einordnung Augustins in den Neuplatonismus. die
von den vielen normalen aus erklärt werden müssen (und nicht umge- etwa von Plato abweichenden Positionen Plotins finden bis in die
kehrt). Daß man ihm das abzunehmen durchaus geneigt ist, hegt an posjtjoncn von Goethes Farbenlehre ihre Präzisierung. Das Nachher
überzeugenden Art, wie er das im einzelnen demonstriert, beson- dcnkgn uber das Verhältnis Chistentum und Piatonismus führt zu
d"s im dritten seiner drei Hauptabschnitte unter der Überschrift: überlcgungcn 7ur Dialogunlähigkeil der Theologie mit der Philo-
-Philos Vorstellung von der Entstehung der Heiligen Schrift" DifrCrenzen zwischen Plato und Plotin in der Bewertung des
,S 147-220; die beiden vorhergehenden Abschnitte bieten eine For- Todcs von soiml assäma werden für die Augustin-Deutung relevant
sehungsgesehiehte [S. 6-72] und eine sehr sinnvolle und instruktive eh,

Erörterung über „Begriff und Umläng .heiliger Schriften' bei Philo" ^ Augustin.Ha|f,e des Buches zeigt. Augustin habe seine Philoso-

lS( 73-l46]). Dabei liegt die Überzeugungskraft wesentlich an der njcn( ?um Zwcck dcr Mission benutzt. Die Grundbegriffe dieser

j"cllgions- und traditionsgeschichtlichen Methodik, die der Vf. wohl- phi|osopnie_ die Lehre von Freiheit und Gnade und von der distentio

eherrscht und unaufdringlich praktiziert. B. erklärt das Problem im brej( ent(a|tet, dabei werden dem Leser immer wieder

^,runde als die Kollision zweier Traditionen und Vorstellungen ustjnische Tex,e vorgeführt, deren Prägnanz eigenes Weiterden-

ÜCWeils mitsamt ihren arteigenen Sprachen), einer ekstatischen und ^ ? ß gaudcat etiam sie et amet non inveniendo invenirc

*** wcishcitlich-philosophischcn: und nur in der zweiten, sozusagen ^ inveniendo non invenire te" (296). Bei der Auseinander-

0mn'Präsenten. kommc phj|os cigent|iche Meinung in der Inspira- ^ der Forschung sieht der Leser den Vf. gelegentlich das

'onsfrage zum Ausdruck, während die ekstatische Tradition nur als üewjcht kritischer Einwände spüren, wenn er z. B. versichert, man

C'n gelegentlich gebrauchtes Interpretament in der Polemik gegen ^ doch nfch| gn dcn Kem mit dem Hinweis auf Gedanken,

enschliche Eigenmächtigkeit zu verstehen sei (vgl. besonders di A stinauch kenne.

•221). Djcsc sehr anregende und den Leser belehrende Studie lag der

Der Gebrauchswert von B.s Arbeit wird durch ein ausführliches Gutenherg.Univcrsität in Mainz als Habilitationsschrift vor.

' el|enregister (S. 240-261) und ein Autorenregister (S. 262-265) Peter Hcidrkh

"^erheblich gesteigert. Ros,ock

,1Cr"n Hans-Martin Schenke Alkonud. Sichtung des Korans. Erstes

Buch Auf der Grundlage des Textes der kritischen Au^neu

N0rbert: Augustins Phi.osophie der F.nd.ichKei«. Zur syste- *%£^^££S^1« M XIX. IMS.
"^tischen Entfaltung seines Denkens aus der Geschichte der