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Ausgabe:

1990

Spalte:

444-445

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Burkhardt, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von Alexandrien 1990

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 6

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Erlösung zeigt den Menschen angewiesen auf Gnade, als Empfangenden
, der er Zeit seines Lebens im Glauben, der nicht Tat des Willens,
vielmehr Entscheidung über unseren Willen ist, bleibt (S. 466).

Die theologische Position Cremers ist die Anerkennung der maßgeblichen
Autorität der Bibel als Wort Gottes. Nicht sowohl die Frage,
was die Bibel uns noch sein dürfte angesichts der Autorität der geschichtlichen
Forschung, als vielmehr die Frage, was sie uns. unserem
inneren Leben, sei und wie sie wirke, ist zu stellen (S. 383). Cremer
weiß sich hierin einig mit Schlatter. Der Briefwechsel mit ihm ist eine
theologische Fundgrube. „Das wars ja auch, was uns beide, Sie u.
mich, so fest an einander band, daß unser beider gemeinsames Interesse
am Wort nicht ein bloß wissenschaftliches war, daß uns - lassen
Sie mich einmal pointiert u. darum teilweise falsch es ausdrücken:
nicht das Glauben Mittel des Erkennens, sondern das Erkennen u. das
Wachstum in der Erkenntnis Mittel des Glaubens und des Lebens
nach Gottes Willen war." (S. 419) Es nimmt ob dieser Gemeinsamkeit
nicht wunder, wenn Cremer im Rückblick auf Schlatters Zeit in
Greifswald (1888-1893) schreibt: „Es war für mich der Höhepunkt
meines Lebens, als Sie hier waren" (S. 399). Das schließt indes Unterschiede
nicht aus. So ist die Distanz Schlatters zu Cremers (und
Luthers) Kreisen um Gewissensnot und Vergebungsglaube zu spüren
mit dem Ergebnis, daß Schlatter etwa Wahrheitsmomente an Har-
nacks Auffassung vom Wesen des Christentums durchaus gelten lassen
möchte (S. 437).

Einen ebenso wichtigen Teil des Buches nimmt Cremers über
20 Jahre währender Briefwechsel mit dem für die Wissenschaft zuständigen
Mann im preußischen Kulturministerium, F. Althoff, ein.
Cremer gehörte zu den Vertrauensleuten Althoffs für das Gebiet der
Theologie und beriet diesen in Personalangelegenheiten nicht nur der
Greifswalder Theologischen Fakultät, sondern weit darüber hinaus.
Nicht nur in diesen Partien wird der Leser die Nähe zur Gegenwart
empfinden. Stellt man die Briefe, die einen Zeitraum von über vier
Jahrzehnten umfassen (1858-1903) in die parallele Zeit 100 Jahre
später, so kann schon die Aktualität der damaligen Fragestellungen
und angebotenen Problemlösungen beeindrucken. Sie betreffen Aussagen
über das geistliche Leben, die theologische Ausbildung, die Aufgabe
der Systematischen Theologie, den Sinn der kirchlichen Trauung
(im Gegenüber zur weltlichen Eheschließung) und.das Selbstverständnis
der Kirche.

Wir nehmen Einblick in Berufungsverhandlungen. Gehaltsfragen,
in das Leben eines Landpastors, das Cremer bis zu seiner Berufung
nach Greifswald (1870) in Ostönnen/Westf. geführt hat, in das
Werden theologischer Publikationen, in Probleme mit Verlegern (s.
den Briefwechsel mit F. Steinkopf). Wir erfahren etwas von der Last
und der Freude angestrengter theologischer Arbeit. Abgedruckt sind
in diesem Buch ferner Vorworte zu Büchern, Synodalrcden, Verhandlungsdiskussionen
und persönliche Dokumente. Nicht zuletzt wird
durch die Briefe etwas vom Leben in Greifswald und der geistigkulturellen
Atmosphäre in Vorpommern plastisch.

Cremer gehörte zu den eifrigsten Briefschreibern aus dem akademischen
Raum in der 2. Hälfte des 19. Jh. Der Briefwechsel mit seinem
engsten theologischen Freund, Martin Kähler, mußte ausgespart
bleiben. Er wird, so hofft der Hg., gesondert erscheinen können.

Die besondere Situation der Greifswalder Fakultät, die. wie Cremer
verschiedentlich hervorhebt, ziemlich einzigartig sich in ihrer Einmütigkeit
darstellte, ließ ihn trotz mehrerer Berufungsanträge anderer
Falkultäten an Greifswald als Wirkungsstätte festhalten, um gerade
hier „der Überwinterung des Evangeliums zu dienen", welche er als
seine Aufgabe ansah (S. 417).

Die Arbeit des Hg. ist beträchtlich. Hinsichtlich der großen Briefwechsel
(Steinkopf, Althoff. Stoecker, v. Bodelschwingh und Schattier
) ist Vollständigkeit angestrebt. Im Blick auf Einzelbriefe schreibt
der Hg.: „Im übrigen fassen wir alles, was uns zugänglich war, zusammen
." (S. VIII) Eine sachkundige Einführung in Cremers Leben und
Werk steht der Dokumentation voran. Anmerkungen zu den im Text
genannten Personen und angesprochenen Sachverhalten geben weitere
Auskunft. Der Anhang umfaßt biographische Daten und wichtige
Kennzeichen der Cremer-Korrespondenteri, Cremers Bibliographie
sowie ein Personen- und Ortsregister. Ein rundum gelungenes Werk
liegt vor uns, das nicht nur in Greifswald lebhaftestes Interesse hervorrufen
dürfte.

Greifswald Bernd Hildebrandl

Eckermann, Willigis, u. Joachim Kuropka [Hg.]: Neubeginn 1945
zwischen Kontinuität und Wandel. Cloppenburg: Runge 1988.
189S. m. Abb. gr. 8' = Vechtaer Universitätsschriften, 4. Kart.
DM 16,80.

Die unter dem breiten Titel „Neubeginn 1945 zwischen Kontinuität
und Wandel" vorgelegte Publikation geht auf eine Ringvorlcsung
der Vechtaer Universität zurück. Zwei Aufsätze sind mehr der politischen
, drei der pädagogischen, ein Aufsatz der philologischen Entwicklung
nach 1945 gewidmet. Drei Beiträge beschreiben schwerpunktartig
Einzelfragen der Theologie aus katholischer Sicht.

Eine historische Epoche wie die Nachkriegszeit spiegelt sich in
einzelnen Forschungsbereichen naturgemäß unterschiedlich wider,
was die Erforderlichkeit interdisziplinärer Veranstaltungen ebenso
unterstreicht wie auch die Relevanz jener Geschichtsepoche erneut
verdeutlicht wird.

Die Beiträge: Joachim Kuropka: Britische Besatzungspolitik und Neubeginn
des öffentlichen Lebens (9-36); Hermann von Laer: Demontage des noch
nicht Zerstörten oder Grundlegung des Wirtschaftswunders? (37-60); Bernhard
Linke: Die Rückkehr zum Bildungssystem der zwanziger Jahre (61-76):
Hartmut Hacker: Grundlegende Bildung - Rückwendung oder Neubeginn?
(77-90); Holger Morawietz: Neubeginn und Entwicklung der Erziehungswissenschaften
nach 1945 mit Ausblicken in die Gegenwart (91-106); Wilfried
Kürschner: Der Rechtschreib-Duden (107-133); Willigis Eckermann :
Endzeit als Heilszeil (135-149); Franz Georg Untcrgaßmair: Neubeginn
und Durchbruch der kritischen Bibelexegese in der katholischen Kirche
(151-163); Karl JosefLesch: Umkehrund Erneuerung(165-185).

R. M.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Burkhardt, Helmut: Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von
Alexandrien. Gießen-Basel: Brunnen 1988. XI, 265 S. 8" = TVG
Monographien und Studienbücher, 340. Kart. DM 39,-.

Mit vorliegender Arbeit hat der Vf. im Jahre 1988 an der Universität
Göttingen promoviert. Der Doktorvater war Hartmut Stegemann.
Wenngleich der Autor, wie er im Vorwort selbst näher ausführt, aus
einer gewissen Verlegenheit heraus zu dem Thema dieser Arbeit
gekommen ist, so ist doch andererseits auch klar, welches ihr sachlicher
Ausgangspunkt und ihr Fernziel ist. Eigentlich geht es um das
rechte oder beste bzw. ein vertieftes Verständnis der christlichen Lehre
von der Inspiration der Heiligen Schrift. Die Vertiefung soll hier
durch einen indirekten Beitrag erfolgen (unter der Frage nach möglichen
religionsgeschichtlichen Wurzeln der traditionellen kirchlichen
Lehre), weil eben eine der Hauptlinien, die diese Lehre mit der
vorchristlichen Umwelt verbindet, zu Philo von Alexandria führt-
Philos Auffassung von der Inspiration heiliger Schriften also sowohl
als historische Wurzel (bzw. eine der Wurzeln) wie auch als sachliches
Vergleichsobjekt, an dem sich die/eine kirchliche Lehre messen läßt
(bzw. umgekehrt), in dieser Sache von allergrößter Relevanz ist. Es
gereicht m. E. aber nun dem Vf. zur Ehre und der Sache, der gedient
werden soll, zum Nutzen, daß von dieser Relevanz außer ganz vorn
im Vorwort und zu Beginn der Einführung und ganz hinten in der
Zusammenfassung überhaupt nicht die Rede ist und der Vf. sich voll
und ganz aufsein Philo-Thema konzentriert.