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Ausgabe:

1990

Spalte:

431-433

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kitzberger, Ingrid

Titel/Untertitel:

Bau der Gemeinde 1990

Rezensent:

Hübner, Hans

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 6

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den meisten Auslegern, Paulus seihst plane angesichts der nahe bevorstehenden
Freilassung neue Missionsaktivitäten und erbitte aus diesem
Grund dringend, daß Timotheus und Markus als Mitarbeiter zu
ihm kommen und die nötigsten Sachen mitbringen sollen. Meines
Erachtens lassen sich die Aussagen des Briefes viel besser unter der
Voraussetzung pseudepigraphischer Abfassung verstehen: Aus der
Sicht des pseudepigraphischen Verfassers gilt Paulus sowohl zum
Tode bereit (4,6) als auch bis zum Schluß als der große Missionar
(4,17). - Ein umfangreicher Anmerkungsteil, sorgfältig erstellte Literaturlisten
und hilfreiche Register beschließen das Buch. Auch werdie
Hauptthese nicht zu teilen vermag, kann eine Fülle wichtiger und
weiterführender Beobachtungen in ihm finden, die durchaus dem
besseren Verstehen des pseudepigraphischen 2Tim dienen.

Vallendar Alfons Weiser

Kitzberger, Ingrid: Bau der Gemeinde. Das paulinische Wortfeld
oixoSoßi']/(en)()ixoSoßdv. Würzburg: Echter 1986. X, 357 S. = Forschungen
zur Bibel, 53.

Daß diese Rezension des bereits 1986 publizierten Buches erst jetzt
erscheint, ist weder der Redaktion der ThLZ noch dem Verfasser dieser
Zeilen anzulasten, da der Verlag das Rezensionsexemplar erst sehr
spät zusandte.

Die Untersuchung ist die überarbeitete Fassung der 1984 von der
Theologischen Fakultät der Universität Salzburg angenommenen
Dissertation, die von Wolfgang Beilner betreut wurde. Ingrid Kitzberger
(K.) nennt in der Einleitung deutlich ihre Intention: Mit Hilfe
der linguistischen Methode der Wortfeld-Analyse will sie „die bisher
bewährten Methoden der historisch-kritischen Methode weiterführen
und teilweise . .. ergänzen" (S. 5). So versteht sie ihre Arbeit inhaltlich
als „Ergänzung und z. T. Korrektur" bisher zum Thema erschienener
Untersuchungen. Diese Intention ist zu begrüßen. Genau das ist
es nämlich, was wir innerhalb der neutestamentlichen Forschung an
linguistischen Werken brauchen! K. gebärdet sich nicht als messiani-
sche Verfechterin einerallein seligmachenden Linguistik. ZurGenügc
ist ja bekannt: Wo das „extra scientiam linguisticam nulla salus exege-
tica" zum Dogma wird, gilt nur allzuoft für das theologische Resultat
der Satz des Horaz: „Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus." Um
aber auch das andere schon zu Beginn zu sagen: Wie K. ihre Untersuchung
dann im einzelnen durchführt, entspricht durchaus der angegebenen
Intention. Was sie vorlegt, ist methodisch sauber und sorgfältigerarbeitet
. Läßt sich der Leser auf den von der Vfn. eingeschlagenen
methodischen Gang ein, so bleibt ihm geradezu nichts anderes
übrig, als ihr nun Schritt für Schritt zu folgen. Es ergibt sich fast alles
nahezu notwendig.

Doch schauen wir, ehe wir weiterurteilen, auf den Aufbau und Inhalt
des Buches! Nach Abschn. 1 „Einleitung und Fragestellung" skizziert
K. in Abschn. 2 „Methode" ihre Arbeitsweise. Wichtig ist hier
vor allem, wie sie ihre eigene Position zur Wortfeld-Forschung versteht
. Mit Recht verweist sie zunächst auf den eigentlichen Initiator
dieser Forschungsrichtung Jost Trier. Im Blick auf die Unterscheidung
Ferdinand de Saussures von parole und langue sieht sie als Ausgangspunkt
und Grundlage ihrer Untersuchung die parole der authentischen
Paulinen; folglich sei ihre Methode empirisch-induktiv
(S. 19): „Unser Interesse bei der Ermittlung der sprachlichen Felder
gilt den syntaktisch-syntagmatischen Beziehungen der zu untersuchenden
sprachlichen Einheiten . . ." Der Ermittlung des Wortfeldes
legt sie ein Raster zugrunde, das folgende Spalten umfaßt: I. Subjekt
, 2. tiefengrammatisches Subjekt; 3. Verb; 4. Objekt; 5. Äquivalentsbeziehungen
; 6. Oppositionsbeziehungen; 7. Funktion (S. 22).
Die Untersuchung selber erfolgt dann in vier methodischen Einzelschritten
: 1. Angabe des näheren und weiteren Kontextes des jeweils
zu untersuchenden Abschnitts; 2. Vorstellung des inhaltlichen Kontextes
und damit des Duktus des Gedankenganges: 3. Strukturierung

des jeweils behandelten Abschnitts; 4. Die eigentliche exegetische
Analyse mit dem Ziel, die für den „kontextuellen Worthorizont" relevanten
Elemente aufzufinden. Die abschließende Darstellung der Ergebnisse
erfolgt dann in Form einer Matrix. Im Anschluß daran werden
die Wortfelder relevanter Äquivalenz- und Oppositionsbeziehungen
erstellt.

Der 3. Abschn. „Wortfeld-Analyse" stellt das eigentliche Corpus
der Untersuchung dar. Zunächst werden die kontextuellen Worthorizonte
von oixoSofit'i und (in)oiXoSofielv herausgearbeitet. AufS. 153 IT
wird in einer graphischen Übersicht das Ergebnis optisch optimal aufbereitet
. Es folgt ein Unterabschnitt über die Minimal-Wortfelderder
Äquivalenz- und Oppositionsbeziehung. Der 3. Abschn. wird mit
einem synthetischen Arbeitsschritt abgeschlossen, in dem das Ergebnis
nach folgenden Gesichtspunkten dargestellt ist: 1. Grammatikalischer
Befund; 2. Subjekte und Objekte; 3. Verbindung mit Verben; 4.
Äquivalenz- und Oppositionsbezichungen; 5. Satz- und Wortfunktionen
.

Der 4. Abschn. „Implikationen und Konsequenzen des sprachlichen
Befundes" bringt den Ertrag der Untersuchung. Zunächst stellt
K. olxoöofiri und {i'm)otxoSoftdv als ekklesiologischen Begriff heraus,
dann die theo-logische, christo-logische. missionarische und schließlich
dynamische und eschatologischc Dimension. Das Ergebnis wird
dann in Thesen zusammengefaßt.

Der 5. Abschn. ist überschrieben „Ausblick - Die dcuteropaulini-
sche Weiterentwicklung des Wortfeldes". Behandelt wird das Wortfeld
im Eph. Das Ergebnis: Das Wortfeld im Eph darf als „legitime
Weiterentwicklung des paulinischen Wortfeldes" angesehen werden
.

Auf die gute Qualität der Arbeit wurde schon anfangs aufmerksam
gemacht. Ich konkretisiere dies im folgenden noch ein wenig: Leserfreundlich
ist z. B. die gute Gliederung der Ausführungen über die
kontextuellen Worthorizonte des untersuchten Begriffs. Dem tieferen
Verständnis der paulinischen Theologie dient die Darstellung der sog.
Minimal-Wortfeldcr der Äquivalenz- und Oppositionsbeziehungen.
Was sie etwa über das Wortfeld von elpipirj, äydm oder S6£,a sagt, ist,
um ihr eigenes Vokabular zu verwenden, eine sinnvolle „Ergänzung"
entsprechender Artikel in exegetischen Wörterbüchern. Aber genau
hier beginnt auch meine Anfrage: Zu einer Reihe von Äquivalenz-
und Oppositionsbeziehungen wurde das jeweilige Wortfeld, zumeist
überzeugend, erstellt, zu einem anderen Teil dieser Beziehungen hat
K. bewußt darauf verzichtet. Nun ist zuzugeben, daß diese Aufgabe
nicht bis in die letzten Verästelungen durchgeführt werden sollte. Es
gibt eine Grenze, hinter der eine solche Arbeit zum Selbstzweck degeneriert
und faktisch ertraglos wird. Es ist jedoch zu fragen, ob die Kriterien
, die K. zur Bestimmung dieser Grenze nennt, alle zutreffen.

Ein Beispiel: In Rom 14.17 ist Sixaiom'ivij parallel zu ripijvr] genannt; durch
dieses Wort wiederum ist V. 17 mit V. 19 verbunden, wo es in gleicher Funktion
wie otxotofut begegnet. K. behandelt nun StXCUOOÖVt] nicht, weil kein direktes
Verhältnis zu trixo6o[u) feststellbar sei. Könnte aber nicht auch über ein indirektes
Verhältnis Essentielles zur Struktur der paulinischen Sprache und somit der
paulinischen Theologie gesagt werden? Könnte nicht die Hcrausarbeitung einer
Hierarchie im linguistischen Gefüge wesentliche Aspekte der paulinischen
Theologie transparent machen? Ein anderes Kriterium zur negativen Entscheidung
nennt K. im Blick auf m dyaüöv Rom 15.2: Dieser Begriff sei zu weit und
zu allgemein (S. 160). Für Paulus ist aber im Rahmen seiner Paränese gerade
dieser Bcgriffentschcidcnd (Rom 12.2!).' Seinen hohen Stellenwert allein in der
stoischen Ethik ignoriert K.!

Bedenken habe ich auch wegen des bewußten Verzichts auf die dia-
chrone Fragestellung (S. 32). Bezeichnend ist immerhin, daß K. selbst
mit einer Entwicklung innerhalb des paulinischen Gebrauchs von
oixoSopdv rechnet (S. 292; s. auch S. I47ff). Das Argument, daß <J'C
Briefe des Paulus „in einem Zeitraum von wenigen Jahren geschrieben
wurden und folglich als synchrones Sprachmatcrial angesehen
werden können" (S. 31), läßt sich beim gegenwärtigen Forschungsstand
nicht mehr vertreten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die von der Vfn. erstellte Übersicht
über das Wortfeld von rfdcj« In der Spalte ..Funktion" der Übersicht zu diesem