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Ausgabe:

1990

Spalte:

427-428

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Das Gesetz im Neuen Testament 1990

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1

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427

Theologische ütcraturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 6

428

staben. Der Abschnitt über Phonologie (S. 25-42) behandelt die von
der Orthographie her zu schließende Aussprache der Gutturale,
S-Laute. Diphtonge. Akzentsetzungen u. a. Die beiden nächsten Abschnitte
behandeln direkt die Struktur def Sprache. In dem Abschnitt
über Morphologie (S. 43-68) werden zuerst Verbalfbrmen behandelt
in bezug auf Konjugationsarten und die in den Konjugationsarten
variierende Orthographie. Danach werden die Personalpronomen
untersucht, und schließlich werden auf wenigen Seiten die Formen
der im biblischen Hebräisch gebräuchlichen Nomen und deren unterschiedlicher
Gebrauch von Genus und Numerus dargestellt. Auf den
S. 70-85 führt ein Abschnitt über Syntax direkt auf Übersetzungsund
Verständnisprobleme der Texte hin, und schließlich folgen auf
den S. 87-115'sorgfältig erstellte Listen über den in der Literatur des
Toten Meeres vorkommenden Wortschatz im Verhältnis zu dem
biblischen und nachbiblischen Hebräisch.

Qimron faßt auf den S. 116-118 seine Untersuchungen in der Feststellung
zusammen, daß die Sprache in dieser Literatur sich aus dem
biblischen Hebräisch aus der Zeit des zweiten Tempels entwickelt hat.
Es gibt einen aramäischen Einfluß, aber nicht in dem Maße, wie eine
Reihe Forscher geneigt waren anzunehmen. Nicht alle haben indes
bemerkt, daß gewisse Parallelen zu der samaritischen Tradition zu
finden sind. Es gibt einige Lehnwörter aus dem Persischen, aber
augenscheinlich keine aus dem Griechischen oder Lateinischen. Es
gibt einige Wörter, wenngleich nur wenige, deren semitische Grundform
man nicht von der hebräischen Sprache außerhalb der Literatur
des Toten Meeres kennt. Aber obwohl es nur wenige sind, zeigen sie,
daß das Hebräisch der Qumransekte nicht ausschließlich als eine
Mischung hebräischer Sprachformen erklärt werden kann, sondern
als ein eigenständiger Dialekt aufgefaßt werden muß.

Das Buch ist natürlich vor allem Tür Sprachhistoriker von Wert.
Aber es ist als Handbuch auch für Exegeten, die sich mit der Literatur
des Toten Meeres allein auf der Grundlage von biblischen Hebräischkenntnissen
beschäftigen, von Belang.

Kopenhagen Svend Holm-Nielsen

Neues Testament

Kertelge. Karl [Hg.]: Das Gesetz im Neuen Testament. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1986. 240 S. 8" = Quaestiones Disputatae, 108.
Kart. DM 49,80.

Der Band dokumentiert die Arbeit der deutschsprachigen katholischen
Neutestamentier auf ihrer Arbeitstagung in Brixen 1985. Freilich
stammt einer der gewichtigsten und überzeugendsten Beiträge
von dem Belgier Jan Lambrecht (Löwen), der über das „Gesetzesverständnis
bei Paulus" handelt. Er tut das mittels einer kurzen Skizzierung
der „vor"paulinischen Stellung zum Gesetz, einer Darstellung
der gegenwärtigen Diskussionslage hinsichtlich des paulinischen
Gesetzesverständnisses sowie einer eindringenden Analyse von
Gal 3,10-14. Für Lambrecht verhielt sich „der irdische Jesus bei verschiedenen
Gelegenheiten nicht nur anti-Halacha, sondern auch anti-
Thora, d. h. gesetzeskritisch", und diese Haltung „entspringt seinem
Sendungsbewußtsein" (S. 90); in der Frühzeit der Gemeinde (bis zum
Jahre 50 etwa) bestand eine große Vielfalt der Stellung zum Gesetz
von der Forderung nach vollem Jude-Sein für alle Christen bis zur völligen
Abschaffung von Gesetz und Kult; Paulus erkennt, daß niemand
durch das Gesetz gerechtfertigt werden kann, weil niemand es ganz
erfüllt, Gott aber durch Christus Rechtfertigung bringt. Das ist zweifellos
eine weitgehend traditionelle Sicht, doch ist mit solcher Qualifizierung
natürlich noch lange nicht über ihre Gültigkeit entschieden.

Die Mehrheit der übrigen Beiträge geht andere Wege. Der einleitende
Aufsatz von K. Müller „Gesetz und Gesetzeserfüllung im Frühjudentum
" (S. 11-27) zeigt, mit welch weitgehender Freiheit schon
das vorrabbinische Frühjudentum seine Lebensordnung gestaltete, ein

wie großer Abstand zwischen Thora und Halacha im Frühjudentum
bestand. Das ist in der Tat unbestreitbar, aber in Wahrheit nicht der
Punkt, um den es beim Vergleich der Haltung Jesu und der seiner jüdischen
Zeitgenossen zum Gesetz geht. Er wird noch nicht einmal erreicht
mit dem zusammenfassenden Satz: „Es gibt gesetzliche Überlieferungen
im Frühjudentum, welche der Thora widersprachen"
(S. 16), sofern er ein Urteil von außen über halachische Anweisungen
des Frühjudentums darstellt. Entscheidend ist, in welchem Verhältnis
die gültige Ordnung des Lebens zur Thora gesehen und woher eine
neue Ordnung des Heils begründet wird. Und da dürfte denn doch die
Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß Jesus Heil auch an der Thora
vorbei mit Begründung in seiner besonderen Sendung von Gott verwirklichen
wollte. Damit ist die christologische „Aufhebung" der
Thora präformiert, die - so differenziert sie sich zunächst auch ausbildet
- alsbald das Christentum vom Judentum trennt und es als eigene
Größe erkennbar macht.

Die Studien von G. Dautzenbcrg „Gesetzeskritik und Gesetzesgehorsam
in der Jesusüberlieferung" (S. 46-70) und P. Fiedler „Die
Thora bei Jesus und in der Jesusüberlicferung" (S. 71-87) freilich
finden weder in der ältesten Tradition noch bei Jesus selbst eine
Ablösung der Thora von der Heilserwartung, wobei das Thoraver-
sländnis zwar ein besonderes ist, aber doch im Rahmen des früh-
jüdisch möglichen bleibt. Dabei macht es sich Fiedler insofern
etwas leicht, als er seine Argumentation im wesentlichen an dem Artikel
„Gesetz III" in TRE XIII von G. Klein orientiert, der bekanntlich
eine sehr exponierte Position vertritt.

Der Band präsentiert eine Reihe weiterer Beiträge zu Einzelthemen,
unter denen der von A. Weiser „Zur Gesetzes- und Tempclkritik der
.Hellenisten'" (S. 146-168) in behutsamer Analyse die „Hellenisten"
historisch nachvollziehbar einordnet in die Linie des Umgangs mit der
Thora, wie er von dem Anspruch Jesu auf souveräne Bindung an den
Gott, der in der Thora den Menschen begegnet, geprägt ist. H. Franke-
möllc „Gesetz im Jakobusbrief" (S. 175-221) hingegen läßt den Jak
ganz als ein - offenbar als christlich legitim verstandenes - Zeugnis
jüdischen Denkens erscheinen: „Glaube ist nach ihm ein .Werk-
Glaube', was genuin jüdisch ist" (S. 220); demgegenüber rückt durchaus
konsequent Paulus mit seinem christologisch zentrierten Denken
eher in eine Randstcllung: „Paulus als Ausnahmetheologe kann nicht
Norm und Maßstab für andere Theologen sein" (S. 197).

Der Band führt in anregender Weise in die gegenwärtige Diskussion
um das Problemfeld Gesetz und Neues Testament ein. Die Neubewertung
der jüdischen Gesetzestheologie hat zweifellos das Verständnis
des Neuen Testamentes und seines Verhältnisses zum Judentum
gefordert. Zu Fragen Anlaß gibt freilich der Tatbestand, daß diese
Neubewertung zum Teil in starkem Widerspruch steht zu der Bewertung
durch das Neue Testament selbst, und zwar gerade seiner jüdischen
Autoren; auch ihnen kommt doch wohl eine gewisse Zeugenfunktion
zu.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Boers, Hendrikus: Neither on this mountain nor in Jerusalem. A

Study of John 4. Atlanta, GA: Scholars 1988. XVII, 230 S. 8° =
SBL.MonographScries. 35. Kart. $ 19.95; Lw. $ 29.95.

Das Buch besteht aus zwei unterschiedlich langen und unterschiedlich
lesbaren Teilen. "In the first A.J. Greimas' semiotic theory is
used to investigate the text of John 4, and in the second the resu Its of
the semiotic investigation arc implemcnted in an interpretation ofthC
chapter"(xv). Den ersten Teil (1-143) schätzt B. selber ein "as mere
seaflölding in our endeavor to understand a text; it is not part of the
meaning of the text, but an abstraction" (147 Anm. 6; vgl. 105). Aber
diese Abstraktion bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf das
Textverständnis. Ich gestehe, daß meine Lektüre in diesem ersten Teil
unter großer Lustlosigkeit litt und daß ich darauf ohne weiteres einen
Seitenhieb B.s auf die Lektüre von Kommentaren bezichen kann: