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Ausgabe:

1990

Spalte:

20

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Altes Testament 1990

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

20

Bild der Verkündigung des Propheten zu zeichnen, der „zwischen
Gericht und Heil, zwischen Untergang und Neuanfang, aber auch
zwischen den Hoffnungen und Befürchtungen seiner Leidensgenossen
und dem Anspruch, den Jahwe in dieser Stunde an das Haus Israel
stellte", (S. 83) wirkte. Dabei wird deutlich, daß Reindl mit nach-
ezechielischen Fortschreibungen rechnete, bleibt aber unklar, welche
Kriterien er für die Ermittlung des Ursprünglichen anlegte. - Joachim
Conrad greift in seinem abschließenden Beitrag „Überlegungen zur
Bedeutung und Aktualität der vorexilischen Schriftpropheten"
(S. 91-105) die bereits von Wallis angesprochene hermeneutische
Frage wieder auf, nachdem er zunächst die Grundgedanken der
Unheilsbotschaft in ihrem inneren Zusammenhang dargestellt hat.
Seine anschließende Untersuchung der Untreue Israels und des durch
das Gericht zum Heil führenden Weges des Volkes verbindet die
historische Skizze mit der hermeneutischen Reflexion. Conrad sieht
dabei den Schuldspruch über das ganze Israel darin begründet, daß
nicht allein die Oberschicht in der Folge der sozialen Entwicklung der
Königszeit zu Reichtum und Macht kam, sondern auch der Benachteiligte
und Bedrückte damit noch nicht a priori schuldlos war, insofern
er nach beidem begehrte. Demgemäß ist Kirche für ihn dort, wo
Gottes Liebe erwidert und die Brücke der Liebe und des Vertrauens
zum Nächsten nicht durch Fronten aufreißende Programme zerstört
ist. Andernfalls steht auch die Kirche in einer der von der Unheilsankündigung
der Propheten betroffenen analogen Situation. Die üblichen
Verzeichnisse (S. 106-120) erleichtern die Benutzung eines
Büchleins, dessen hermeneutische Überlegungen sich wohltuend von
mancher ideologisierter Prophetenauslegung der Gegenwart unterscheiden
.

Marburg (Lahn) Otto Kaiser

Schmitt, Armin: Das Buch der Weisheit. Ein Kommentar. Würzburg:
Echter 1986. 140 S. 8".

-: Weisheit. Würzburg: Echter 1989. 88 S. gr. 8° = Die Neue Echter
Bibel*Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung
.

Im Rahmen der Erarbeitung der Neuen Echter Bibel hatte der Vf.
die Kommentierung des Buches Sapientia übernommen. Weil er den
geistesgeschichtlichen Hintergrund umfassend durchsah, um der
Erklärung und Aneignung eine solide Basis zu geben, weitete sich der
Stoff in einer Weise aus, die für die Zielsetzung der Echter Bibel nicht
akzeptabel war. Verhandlungen mit dem Verlag erbrachten dessen
Einverständnis, zunächst das ausführliche Werk [Das Buch der Weisheit
= B. d. W.] zu publizieren und danach die für die Kommentarreihe
erstellte Fassung [Weisheit = W.]1. Der alttestamentlichen Wissenschaft
ist dadurch ein unschätzbarer Dienst getan.

Die Einleitung in W. ist vielfach neu formuliert und anders
angeordnet gegenüber der von B. d. W., die erheblich mehr an Einzelnachweisen
, z. B. Stil und Sprache betreffend, enthält. Dagegen ist das
Literaturverzeichnis in W. um einige Titel umfangreicher. Die Kommentarreihe
kongruieren in Abgrenzung und Überschriften. Freilich
ist die Erläuterung in W. bedeutend knapper. Auch die Noten zum
Text sind gekürzt.

Vf. hat die Interpretation zu Recht vor der jüdischen und gleichermaßen
hellenistischen Kulisse vorgenommen. Der Autor von Sap
lebte als Jude in der jüdischen Tradition, wie sie in der kanon. und
nichtkanon. Literatur ihren Niederschlag gefunden hatte, aber auch
im Umfeld seiner Zeit (griech. u. röm. Lit., Qumran. Philo von
Alexandrien). Er konnte von daher den jüdischen Glauben der griechischen
Welt verstehbar machen, wendete sich aber gegen Erscheinungen
, die der biblischen Gottesauffassung widerstreiten.

Erwähnung bedarf, daß W. nicht lediglich eine gekürzte Form von
B. d. W. bildet. Beide Bücher sind eigenständig. In W. ist vieles präzir
und übersichtlich gesagt. Mithin dient B. d. W. als letztlich notwendige
Ergänzung zu W. Natürlich wirkte sich die umfassende Durcharbeitung
des heranzuziehenden Materials förderlich auf W. aus, wo
einzelnes über B. d. W. hinaus neu anzutreffen ist. Die Beziehungen
von Sap zum NT sind dort sogar ausführlicher entwickelt.

Schmitts Erklärung tritt ebenbürtig neben ältere ebenso gründliche
Behandlungen des Weisheitsbuches. Sie stellt seine Besonderheiten
innerhalb des jüdischen Schrifttums der Zeit heraus und ist ausgezeichnet
durch den Fortgang der Forschung.

Leipzig Wolfram Herrmann

1 Rez. konnte in Gesprächen den Werdegang verfolgen.

Schmidt, Werner H., Thiel, Winfried, u. Robert Hanhart: Altes Testament
. Stuttgart-Berlin (West)-Köln-Mainz: Kohlhammer 1989.
216 S. m. 19 Abb. kl. 8° = Grundkurs Theologie, 1. Urban Taschenbücher
, 421. Kart. DM 22,-.

Der auf zehn Bände angelegte „Grundkurs Theologie" will einen
umfassenden, allgemein verständlichen Einblick in die Probleme und
Aufgabenstellungen, vor welche die wissenschaftliche Theologie
heute gestellt ist, vermitteln. Diesen Anforderungen wird der erste
Band, der sich rflit der alttestamentlichen Wissenschaft befaßt, voll
gerecht.

In einem ersten Abschnitt gibt W. H. Schmidt einen informativen
Einblick in den Stand der Erforschung alttestamentlicher Überlieferungen
: Vor- und Frühzeit (Erzväter, Mose, Amphiktyonie und
„Bund"), Pentateuch mit eingehender Behandlung von Forschungsgeschichte
und Wissenschaftsmethoden (Literarkritik, Überlieferungsgeschichte
, Redaktionsgeschichte), Psalmen, Weisheitsliteratur,
prophetische Literatur, um dann zu den Grundfragen einer „Theologie
des Alten Testaments" überzugehen. Schon die Überschrift „Einleitung
und Theologie" macht deutlich, daß Einleitungsfragen und
Erfassung der Theologie - und dazu kommt noch die Erhellung der
Überlieferungsgeschichte - sich in der Forschung nicht trennen lassen
und ineinander übergehen.

In einem zweiten Abschnitt entwirft W. Thiel einen nach Perioden
gegliederten Überblick über die Geschichte Israels von der Ansied-
lung der Frühisraeliten an bis in die hellenistisch-römische Epoche
Palästinas. Dem Stand der Forschung entsprechend, die einen
Schwerpunkt bei Fragen der Anfänge Israels hat, geht W. Thiel besonders
auf diese Epoche ein. In anschaulicher Form werden die voneinander
so stark abweichenden Bilder von der Ansiedlung der Frühisraeliten
nebeneinandergestellt: Eroberungsmodell, Einwanderungsmodell
, Revolutionsmodell, Evolutionsmodell.

Der dritte Abschnitt - gleichfalls von W. Thiel - behandelt die
Archäologie Palästinas in alttestamentlicher Zeit. Zuerst wird auf die
Geschichte und die Methoden dieses Wissenschaftszweiges eingegangen
, und dann werden die Ergebnisse der Ausgrabungen zu den Perioden
der Geschichte Israels in Beziehung gesetzt. Die dem Bande hinzugefügten
Abbildungen bieten hierzu gute Veranschaulichungen.

Im vierten Abschnitt bringt R. Hanhart einen gedrängten Überblick
über Entstehung, Geschichte und Textgeschichte der Septuaginta. Da
das Neue Testament eine Fülle von Septuaginta-Zitaten aufweist, und
überhaupt die Septuaginta die Heilige Schrift nicht nur des hellenistischen
Judentums, sondern auch des frühen Christentums war, ist mit
diesem Abschnitt ein guter Übergang zum 2. Band der Reihe - Neues
Testament und antikes Judentum - gegeben.

Der „Grundkurs Theologie" kann dem jeweiligen Fachgebiet nur
einen sehr beschränkten Raum geben. So können manche Probleme
nur angerissen werden, und man hätte sich dieses oder jenes ausführlicher
gewünscht, etwa bei der Darlegung der mit den griechischen
Bibelübersetzungen verbundenen komplizierten Sachverhalte. Aber
die Autoren haben jeweils, da sie zur äußersten Kürze gezwungen
waren, durch reichliche Literaturangaben einen Ausgleich zu schaffen
gesucht.

Berlin Ludwig Wächter