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Ausgabe:

1990

Spalte:

18-19

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Zwischen Gericht und Heil 1990

Rezensent:

Kaiser, Otto

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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Zürich Rcinhardü. Kratz

Bereich der ersten Möglichkeit, wobei (mit R. F. Mclugin) eine Vor- freilich mehr noch in Tritojcs und hier wie dort wohl nicht ganz so

geschichte im Sinne des zweiten Modells nicht gänzlich in Abrede neutestamentlich gedacht - Texte dieser Art gibt, ist gar nicht zu

gestellt, aber ihre Rekonstruktion für beinahe aussichtslos und im bestreiten. Die Frage ist nur, ob der Sinn des einen in den anderen

übrigen Tür irrelevant erklärt wird. Spuren des Wachstums können Text eingetragen werden darf, obwohl die Texte unterschiedlich tat-

von ihr nicht gefunden werden, da für sie jeder einzelne Text, so wie er muliert sind.

heute vorliegt, ohne Ausnahme im Dienst einer einheitlichen theolo- Das letzte Beispiel führt wieder ins Zentrum der eingangs exponier-
gischen Konzeption und ihr entsprechenden Komposition der Schrift ten Frage nach der Einheit. An ihm wird deutlich, wie schwierig und
steht, daraufhin gesammelt, ausgewählt, bearbeitet oder neu formu- methodisch fragwürdig es ist. die „Endgestalt" des überlieferten Texts
liert wurde. Den theologischen und literarischen Plan, der dem an und für sich interpretieren wollen. So wichtig und richtig die Frage
zugrunde liegt, entdeckt Vfn. in einem „durchs Wort gewirkten". nach dem „Sitz im Leben" einer jeden Einheit ist (vgl. S. 23.315.317
umfänglichen Heilsgeschehen, identisch mit dem „Plan Gottes", den u. ö.), sie muß vielleicht doch anders gestellt werden. Angesichts der
das Werk selbst in Form des ..Heilsdramas" als Wortgeschehen in auch von Vf. zugestandenen Mehrsinnigkeit einzelner Texte (für sich,
seinem Ablauf abbildet und den sie in der Auslegung von Anfang bis im größeren Abschnitt, im Buchzusammenhang, vgl. S. 23) möchte
Ende nach- und mitvollziehen möchte (S. 20-31. vgl. S. 312-320). man gerne wissen, auf welcher Sinnebene man sich gerade bewegt und
Entsprechend ist die Arbeit gegliedert in zwei einleitende Abschnitte von wo aus Perspektive und Position einer Aussage im Buchganzen
(S. 9-31), den Durchgang durch Dtjes in der hier vorgeschlagenen bestimmt werden können. Das aber setzt, will man nicht der Willkür
Aufteilung und Sinnbestimmung der Schrift (S. 32-307) und einen freien Lauf lassen, notwendigerweise die literarkritische'formsynthetischen
Teil zum Schluß (S. 308-428); beigegeben sind ein geschichtliche und redaktionsgeschichtliche Differenzierung voraus,
knappes Lit.-Verzeichnis (S. 429-432) und ein Stcllcnregister wobei gerade die vorhandenen, von Vfn. allerdings fast völlig aus-
(S. 433-447). geblendeten literarischen Querverbindungen innerhalb des Buches.

Die Hauptthese, das Postulat des „Dramas", das die Einheit in der jede einzeln auf die Abhängigkeitsverhältnisse geprüft, eine wichtige

Stimmenvielfalt stiftet, ist an sich nicht neu. sondern wird - ohne daß Hilfe sein könnten.
Vfn. sich davon beeinflußt zeigte - vor allem in der holländischen
Dtjes-Forschung (W. A. M. Beuken und neuerdings H. Leene) ver-

gt. besonders problematisch daran und recht gewagt erscheint aller-
■ngs. wenn die antiken Texte völlig ungeschützt, d. h. ohne ein- Wallis, Gerhard [Hg.]: Zwischen Gericht und Heil. Studien zur altgehende
methodische und historische Differenzierung, und in sehr testamentlichen Prophetie im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. Im
konkretem Sinn dieser Literaturgattung in der Definition von Auftrag der Alttestamentlichen Arbeitsgemeinschaft in der DDR
W Kaysers „Kleinem Lit. Lexikon" (Vorwort, vgl. S. 31. 320) zu- h& Berlin; Evan8- Verlagsanstalt 1987. 120 S. 8" Pp. DDR M 8.-;
geordnet werden Ausland DM 12,-.

Die Durchführung der These bietet in der Einzelexegese eine Fülle Der im Auftrag der Alttestamentlichen Arbeitsgemeinschaft in der

ungewöhnlicher (teils älterer) Ergebnisse jenseits der - aufgrund der DDR herausgegebene Sammclband enthält vier Aufsätze zur Prophe-

w inmaligkeit des Werkes" weitgehend ignorierten (s. Vorwort) - tie, von denen sich zwei mit allgemeinen Problemen derselben und

Ute üblichen Forschungsmeinungen. Das muß kein Schaden sein, zwei mit je einem Propheten, nämlich Jeremia und Ezechiel beschäf-

^enn nur die Argumentation an den Texten selbst evident wird. Ob tigen. Als eigentliche Adressaten des Bändchens wird man sich nicht

"eses ^'e' erreicht ist. mag der Leser für sich entscheiden. Im Sinne den Forscher, sondern den Pfarrer und Lehrer vorzustellen haben, der

^'ner Problemanzeige sei jedoch auf zweierlei besonders hingewiesen. ebenso sachliche Informationen über die Prophetie wie Aspekte für

^ ™ einen leuchtet nur schwerlich ein, wie aus stilistischen Besonder- eine den Texten angemessene Aktualisierung sucht. Diesem doppel-

RoI^n '3en aus 'nhalt und traditionsgeschichtlicher Prägung eine ten Anliegen wird gleich der erste, aus der Feder von Gerhard Wallis

0 enbesetzung hervorgehen soll. Stil. Inhalt und Traditions- stammende Beitrag „Prophet und Ämter im Alten Testament"

geschichte werden direkt in „dramatische" Handlung umgesetzt, wo- (S. 11-34) gerecht, indem er nach einer geschichtlichen Skizze des

ei die gedankliche Verbindung vielfach auf freier Kombination von Problcmfeldes besonders auf die zwischen der prophetischen Kritik

dg ungsinhalten beruht. Das führt dahin, daß etwa die 2./3.pl. in an den Institutionen und ihrer gleichzeitig vorausgesetzten Notwen-

Wenigsten Fällen Israel (immer 2.sg.). sondern fast durchgängig digkeit bestehende Spannung hinweist, um von daher ebenso gegen

e ganze Menschheit meint (vgl. S. 40f zu 4Q.I2ff; S. 65ff zu 4I,I7ff einen sich verabsolutierenden religiösen Individualismus wie einen

• ° ). darunter speziell angeredet sind die „Brudervölker" Israels als sich zum Selbstzweck erhebenden Institutionalismus Front zu beziehen
m 43.8-15. die ägyptische Priesterschaft in 45,11-13(14), hen. Winfried Thiel und der inzwischen verewigte Erfurter Alttesta-

daßf DaDV'onischc in 46,1 f (besonders konfus Jes 46 und 48); und mentler Joseph Reindl stellen in ihren Beiträgen Zeit, Buch, Gestalt

k aufgrund der Prägung nicht der Prophet spricht, sondern in und Botschaft der Propheten Jeremia bzw. Ezchiel vor. Dabei skiz-

^es 40-48 „die Weisheit" (S. 40). in Jes (48)49ff ein „Zions-Priester" ziert Thiel in seinem „Jeremia" (S. 35-57) u. a. auch die Genese des

• 'f, auch in 46.11 gemeint! S. 1460. von denen die eine „dem Buches, die von den möglicherweise schon bei ihrer Erstverschriftung
S '. c'er andere zusammen mit „dem Geist" (aus 40,12ff S. 34f; aktualisierten Sprüchen Jeremias mit progressiver Abnahme der

"Trinität" der Helfer in 41,25.27! S. 69ff)dem Ebed Jhwh als han- Nähe zum historischen Jeremia über die Selbst- zu den Fremdberich-

e nde Personen (DzurSeite stehen (vgl. S. 320ff.325ff.367ff.401 ff). ten, der deuteronomistischen Redaktion und den vermutlich unter-

um zweiten sei die Aufmerksamkeit auf die mit der These des schiedlichen postdeuteronomischen Redaktionen führt. Während

, as ' offenbar eng liierte, auch in der oben erwähnten holländi- man der deuteronomistischen Redaktion angesichts ihrer Intention,

en Forschung auffallende Tendenz zur Spiritualisierung der deu- der Jeremiaüberlieferung unter dem Einfluß der deuteronomistischen

jesajanischen Aussagen gelenkt, die sich hier in der Aufteilung des Geschichtsschreibung entnommene Gesichtspunkte zu aktualisieren

■ 'bestands in Textreihen niederschlägt; Reihe A mehr geschieht- und zu bewahren, noch die Schülerschaft zusprechen kann, besteht

'chen, Reihe B geistlich-religiösen Inhalts, im Verhältnis von A und eine solche Verbindung bei den postdeuteronomistischen Einfügun-

auch Teil I Jes 40-48 und II Jes 49-55 (s. im Überblick S. 308). Aus gen, darunter der Großteil der Fremdvölkersprüche, nicht mehr. Daß

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^em babylonischen Exodus und der Heimkehr der Diaspora nach Thiel ebenso die biographische Fixierung wie die Atethierung der

on wird so mehr und mehr eine Metapher für den „Weg" des alten Konfessionen Jeremias zurückweist, sei angesichts der gegenwärtigen

ein neues (alle belehrten und bekehrten Menschen umfassendes) Diskussion angemerkt. - Reindls eigentliches Anliegen bringt der

wh-Volk, aus dem allen in den neuen Äon. aus dem geistlichen und Titel seines Beitrags „Zwischen Gericht und Heil. Zum Verständnis

Physischen (!) Tod in die Heilsfülle ewigen Lebens. Daß es in Dtjes - der Prophetie Ezechiels" (S. 58-90) klar zum Ausdruck: Er sucht das