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Ausgabe:

1990

Spalte:

375-378

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Koch, Traugott

Titel/Untertitel:

Mit Gott leben 1990

Rezensent:

Mildenberger, Friedrich

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375

Theologische Literaturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 5

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nun Glebe-Moller gelingt, diese Seite der Spätphilosophie Wittgensteins
konstruktiv aufzugreifen, geht er auf die andere Seite des Wittgensteinischen
Denkens, nämlich die mystische, die sich um den unaussprechlichen
Hintergrund der Welt bemüht, nicht ein. Gerade in
diesem Zusammenhang wäre es ein Gewinn für das Buch gewesen,
diese „kontemplative" Seite des Wittgensteinschen Denkens dem
„Aktivismus" zur Seite zu stellen. Ohne diesen Hintergrund nähert
sich Glebe-Mollers Deutung des Wittgensteinschen Sprachspieles als
Lebensform der Theorie Habermas' vom kommunikativen Handeln.
Christliche Nächstenliebe ist selbstverständlich nicht mit Fremdenhaß
, „Sündenbock-Denken" und engstirnigen Ehr- und Nations-
begriffen zu vereinigen. Diesen Sachverhalt beschreibt der Vf. am
Ende seines Buches mit folgenden Worten: „Deshalb muß die moralische
und praktische Dimension des Christentums in diesem Teil der
Welt in eine politische Sprache übersetzt werden. Und dies ist ein Teil
der Aufgabe, die der Theologie als akademische Wissenschaft zufällt."
(155)

Die bisherige Rezeption der Bücher Glebc-Mollcrs macht deutlich ,
daß es gerade dieser Teil seines theologischen Denkens ist, der auf
Widerspruch stößt und Kritik herausfordert. Dies war bei seiner
Politisk dogmalik (1982) so, und es käme einem Wunder gleich, wenn
dies mit seinem hier vorliegendem Werke anders wäre. Es ist immer
ein Wagnis, aus den esoterischen Höhen Wittgensteinscher Sprachphilosophie
in die wenig erbaulichen Niederungen aktueller dänischer
Asylantenpolitik zu steigen. Theologie ist hier nicht mehr „das
reine Spielen", sondern beides, Aktualität und Vergänglichkeit -
Vergänglichkeit, die konsequentes theologisches Denken einfach auf
sich nehmen muß.

Lund Alcksandcr Radier

' Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, Frankfurt/Main
I967.§§ 199,7,373.

1 Glebe-Moller stützt seine Analyse fast ausschließlich auf das Hauptwerk
Feyerabends Against Methode London 1978.

Systematische Theologie: Dogmatik

Koch, Traugott: Mit Gott leben. Eine Besinnung auf den Glauben.

Tübingen: Mohr 1989. VII, 405 S. 8'. Pp. DM 48,-.
Schäffer, Wilhelm: Glauben in dieser Zeit. Christsein verstehen und

leben. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. 318 S. kl. 8° = Herder

Taschenbuch 1609. Kart. DM 15,90.

Es macht Mühe, das Buch von Traugott Koch zu lesen. Aber das ist
wohl auch die Absicht des Autors. Denn er verweist nicht nur selbst
immer wieder auf Erfahrungen und bringt eine Fülle von Zitaten, in
denen verdichtete Erfahrungen zu Wort kommen. Er nötigt auch
durch die Art und Weise, wie er das vorbringt, was er zu sagen hat.
zum Mitgehen und Nachfragen, in das der Lesersich selbst einbringen
muß: Stimmt das. was da gesagt wird, mit der eigenen Erfahrung
überein? Wo bist du selbst mit dabei, kannst dich in dem unterbringen
, was da vom gelebten Glauben gesagt wird? Wo fordert das
Gesagte deinen Widerspruch heraus? Wie könntest und müßtest du es
anders und besser sagen, was da besprochen wird? Sicher ist der
kritische Fachkollege und Rez. nicht unbedingt jener Leser, den sich
der Autor wünscht und von dem in der Einleitung auch die Rede ist.
die die Absicht des Buches erläutert. Aber darin hat er recht: Ein
unbeteiligtes und distanziertes Verslehen kann es bei der hier verhandelten
Sache gewiß nicht geben, bei der Frage danach, wie der
Cilaube an Gott gelebt werden kann.

Nach der Einleitung, in der sich der Autor über sein Vorhaben und
dessen Schwierigkeiten samt möglichen Mißverständnissen erklärt,
beschreibt ein erstes Kapitel, wie man zum Glauben an Gott kommt:
So könne das geschehen, daß die Begegnung mit einem Menschen, der

an Gott glaubt, die Frage nach sich selbst in das Verlangen verwandelt
, Gott zu finden: Die Einsicht, daß ich gewollt und im Guten
gemeint bin. Auch im ausdauernden Gebet um das Glaubenkönnen
kann es zu solcher Erfahrung Gottes kommen. Es ist die Erfahrung
unbedingten Sinnes, eingetreten in der Begegnung mit einem anderen
Menschen. Es ist die Erfahrung von Wahrheit und Liebe, die selbst
wieder zur Wahrhaftigkeit und Liebe verpflichtet. Ein Zusatz zum
Verständnis von „Bewußtsein" sucht klarzumachen, daß im Inneren
eines Menschen mehr ist als das, was ihm reflcx bewußt ist. Wie die
Sprache mehr ist und meint, als uns je wirklich bewußt sein kann* so
ist es mit jenem Wissen von Gott, das sich im Glauben eröffnet. Ein
zweites Kapitel bespricht, was es heißt, an Gott zu glauben. Zunächst
wird dabei vom Glauben selbst geredet, der als Lebensbewegung Einvernehmen
mit Gott sei. Mut zur eigenen Endlichkeit sei der Glaube;
sein Empfinden sei schwankend, je nachdem stark oder schwach, aber
gerade dann auch getragen von einem anderen. Er sei nicht gegen
Zweifel gefeit, noch nicht einmal gegen eine abgründige Verzweiflung,
der Enttäuschung ausgesetzt, gar so, daß es zum Verlust des Glaubens
kommen könne. Für alle, die nicht an Gott glauben können, glaube
dann der Glaubende. Und wo ein Glaube durch Zweifel, Enttäuschung
und Verstörung hindurch zu einer neuen Vergewisserung
gelange, da erschließe sich ein neues Gottesverständnis. In der Gewißheit
desCilaubens lebe das Vertrauen in die Verläßlichkeit des Guten,
die auf Gott beruhe, der sich dem Glauben kundgetan hat. Was (icist
ist und was es heißt, daß Gott Geist ist, davon handelt das recht schwer
zugängliche dritte Kapitel: Das Gemeinsame und Verbindende sei er,
wie man etwa vom „Geist eines Hauses" reden könne. Größer als ich
sei der Geist, und gerade so mein Inneres, mein Geist. Das vierte
Kapitel beschreibt, wie Gott im Leben eines Menschen ist. In jedem
von uns, dem sich Gott erschließt, ist Gott, weil er sieh ihm nicht verschließt
. Das wird dann in den verschiedepen Dimensionen des
Lebensvollzugs ausgeführt, der von der Offenheit für die Liebe
erschlossen wird. Dabei ist dann die Rede von Freiheit, von Geistesgegenwart
und Bejahung, vom Gelingen, aber gerade auch von der
Unvollkommenhcit und vom Zurückbleiben hinter dem, was sein
könnte und sollte. Den ganz eigenen Auftrag für das Leben kann man
dabei entdecken und Gott in den Ereignissen des Lebens finden. Von
der Freiheit zur Angst, die bestanden werden kann, wird geredel, vom
Wachsen des Glaubens, von der Identität in Gott, vom Mut und Zutrauen
für das Kommende. Ich habe versucht, mir die Abschnitte
dieses Kapitels mit den Stationen des altprotestantischen Ordo salutis
zusammenzudenken. Freilich ist dabei dann das Wort, durch das der
Geist Gottes wirkt, hier gerade der andere, der Mensch, der sich mir
öffnet oder für den ich da bin. Ein fünftes Kapitel handelt von Gott in
der Flöhe des Lebens und in dessen Tiefe. Zwar ist da auch von der
Freude die Rede, aber doch viel mehr dann von Leiden, von Klage,
von der Problematik des Tröstens. schließlich von bestandenem Leid.
Das sechste Kapitel redet von Gott im Anfang und im Ende eines
Menschenlebens. Da wird vom Wunder der Geburt eines Kindleins
gesprochen und davon, wie mir mein Leben gegeben ist. Doch ausführlicher
spricht Vf. dann auch hier vom Leben im Angesicht des
Todes. In diesem Zusammenhang wird die christologischc Begründung
des Glaubens zum erstenmal ausdrücklich genannt. Und ein
knappes siebtes Kapitel, mit dem das Buch schließt, „Glauben an
Jesus als den Christus - als den Versöhner der Menschen" führt diese
christologischc Begründung durch, die hier erst genannt wird, von der
dabei aber gesagt wird, daß sie bei allem schon vorausgesetzt war, was
überdicGewißheit des Glaubens gesagt wurde.

Meine Fragen danach, ob sich so, wie das hier geschieht, zutreffend
von Gott, vom Leben und vom Glauben reden lasse, beginnen freilich
nicht hier, wo nun ganz am Schluß doch noch ein wenig von der Bibel,
der Geschichte und Christus die Rede ist. Man kann ja sagen, daß die
reichlich angeführten Zeugnisse von Glaubenden der Gegenwart und
der nicht allzufcrncn Vergangenheit, bis hin zu Luther, diese
Geschichte mit ihren - freilieh nicht erzählten, aber in ihren Zeugnissen
doch vorausgesetzten - Geschichten vertreten. Ich frage vielmehr