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Ausgabe:

1990

Spalte:

15-16

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Les rites d'initiation 1990

Rezensent:

Lanczkowski, Günter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 1

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Ten ist, sondern daß wahrscheinlich alle drei Wege in der gesamtindischen
Religionsgeschichte koexistiert haben (211), so schwierig das
auch manchmal literarisch zu verifizieren sein mag. Wer seine eigene
Indien-Kenntnis vorzugsweise aus dem dravidischen Süden des Subkontinents
bezogen hat, wird das Kapitel über die Tamil-Traditionen
begrüßen. Es ist ja auch in der heutigen Indologie nicht allgemein
üblich, die ungebrochene Lebendigkeit dieser auf vorarische Zeit
zurückgehenden kulturellen und religiösen Traditionen ihrer Bedeutung
entsprechend zu würdigen. Einen weiteren Schwerpunkt des
zweiten Teils bildet die ausführliche Analyse der sechs „orthodoxen"
philosophisch-theologischen Systeme des Hinduismus. Der nicht-
initiierte Leser mag freilich ab und zu Schwierigkeiten mit der Fülle
des Details haben, die - trotz des vorzüglichen Glossars und des in
diesen Abschnitten besonders ergiebigen Anmerkungsapparats - ohne
Sanskrit-Kenntnisse kaum im ersten Anlauf zu bewältigen ist. Indessen
bewährt der Band hier wie anderswo auch seine Qualitäten als
Nachschlagewerk, zu dem man immer wieder wird greifen wollen.

Dies gilt schließlich auch von den Partien des Werks, die neuen und
neuesten Entwicklungen im Hinduismus gewidmet sind, sei es in dem
schwer überschaubaren Bereich der Reformer und Reformen, sei es
mit Bezug auf „Hindu jagaran", d.h. die Rolle militanter Hindu-
Gruppierungen in der Politik des neuen Indien. Die Dinge sind im
Fluß, und jedes wertende Urteil kann durch unerwartete neue Wendungen
schnell disqualifiziert werden. Auf jeden Fall ist es dankenswert
, daß der Vf. diesen sonst gern ignorierten Bezirk berücksichtigt.
Über die Gewichtung im einzelnen läßt sich natürlich streiten, so z. B.
darüber, ob die spärlichen Notizen zu Gandhi (391 0 diesem Mann
und seinem Werk im Rahmen der Reformbewegungen gerecht werden
, ganz zu schweigen von dem nur beiläufig erwähnten Vinoba
Bhave. Richtig bleibt die Feststellung des Vf.. daß „Inder, die auf den
Verfall der Werte innerhalb der konventionellen demokratischen Prozesse
aufmerksam geworden sind, ihre Neuorientierung wiederum
beim Hinduismus suchen, auch wenn dieser sich als modernisiert, von
traditioneller Sektenbindung gelöst oder auch als .aufgeklärt' im Sinne
S. Radhakrishnans darstellt" (410). Damit schließt sich der Kreis, in
den der Vf. den Leser hineinnahm, wenn er zu Anfang den Hinduismus
als die eigentliche Kraft der Kontinuität in der Geschichte des
Subkontinents zu betrachten lehrte.

Corrigenda: Lassen (statt Larssen. 25); Heinar Kipphardt (statt Heiner Kipphart
. 105); Gudimallam (statt Gudimally, 137). - Verlegenheit bereiten dem
Rezensenten Auswahl. Anordnung und Erklärung der beigegebenen Fotografien
; so wichtig sie sind, ist ihre Beziehung zum Text vielfach kaum einsichtig.

Heidelberg •■ Hans-Werner Gensichen

Ries, Julien, et Henri Limet [Ed.]: Les Rites d'Initiation. Actes du
colloque de Liege et de Louvain-Ia-Neuve 20-21 novembre 1984.
Louvain-Ia-Neuve: Centre d'Histoire des Religions 1986. 559 S. gr.
8" = Homo Religiosus, 13. Kart. BF 1.400

Seit Arnold von Gennep im Jahre 1909 in Paris sein 1969 nachgedrucktes
Werk «Les rites de passage» veröffentlichte, ist das Thema
des Übergangs in ein neues Lebensstadium, das mit der Aufnahme
Jugendlicher in die religiöse Gemeinschaft ihre Stammes oder mit der
Einweihung in Geheimbünde, Mysteriengemeinschaften und totemi-
stische Gruppen verbunden sein kann, vielfach der Gegenstand von
Einzeluntersuchungen gewesen, über die die umfangreiche Bibliographie
des vorliegenden Bandes Auskunft gibt. Auch Kongresse, deren
Verhandlungen in Buchform vorliegen, haben unter dem Zentralthema
der Initiation gestanden; so eine internationale Studienkonferenz
in Strasbourg, die im Herbst 1964 stattfand1, und ein Kongreß
des Jahres 1984 in Rom2. Speziell mit schamanistischen Initiationen
befaßte sich ein Symposium in Abo1.

Auch der vorliegende Band enthält mit seinen Beiträgen belgischer
und französischer Gelehrter die umfangreichen Akten eines Kongresses
, der 1984 in Lüttich und Löwen stattfand. Die Hgg. stellen dieser

Publikation eine ausführliche Darstellung des Lebensweges von Mir-
cea Eliadc voraus, die mit einer kritiklosen Würdigung von dessen
Veröffentlichungen verbunden ist. Auch in dem umfangreichen
Schlußwort, mit dem Julien Ries die Ergebnisse des Kongresses
zusammenfaßt, kommt diese Stellungnahme zum Ausdruck. Damit
ist ein Leitmotiv dieses Bandes bezeichnet und zugleich ein Einsatzpunkt
für kritische Überlegungen. Denn die meisten Beiträge berufen
sich auf Eliade oder folgen zumindest seinen Konzeptionen. Am auffälligsten
tritt dies wohl in dem Artikel von Dominique Prevot zutage,
der das Gilgamesch-Epos als Formular einer schamanistischen Einweihungverstehen
will.

Bekanntlich hatte Eliadc den Schamanismus in den Mittelpunkt
seiner Untersuchungen gestellt und ihn überall in der Welt der Religionen
aufzuspüren versucht, was zu einer einseitig verkürzten und
damit anfechtbaren Erfassung des Religionsbegriffes führt. Natürlich
ist es naheliegend, daß Untersuchungen über Initiation dieser Sichtweise
folgen; aber es muß gesehen werden, daß Initiationsriten nur ein
Teilgebiet und nicht das Ganze einer Religion darstellen. Die Gefahr
einer übertrieben hohen Einschätzung sollte vermeidbar sein.

Diese kritischen Bemerkungen sollen den Wert der vorliegenden
Publikation nicht schmälern. Sie bietet mit ihren systematischen und
insbesondere mit ihren historischen Beiträgen über afrikanische,
mongolische, alt-ungarische, hinduistische, griechische, islamische
und christliche Riten eine Fundgrube gelehrten Wissens, an der künftige
Forschungen nicht vorübergehen werden.

Dem Buche beigefügt sind zwei Eulogien für Jacques Duchcsne-
Guillemin, den berühmten belgischen Iranisten und Religionshistoriker
.

Heidelberg Günter Lanczkowski

1 C. J. Bleeker (Hg.). Initiation. Contributions to the Themc of the Sludy-
Conference of the International Association for the History of Religions held at
Strasburg.September l7thto22nd 1964. Leiden 1965.

2 U. Bianchi (Hg.), Transition Rites. Cosmic. Social and Individual Order.
Proceedings of the Finnish-Swcdish-Italian Seminar. Rome 24th-28th March
1984. Roma 1986.

' C.-M. Edsman (Hg.). Studies in Shamanism. Based on Papcrs read at the
Symposium on Shamanism held at Abo on the 6th-8th of September. 1962.
Stockholm 1967.

Altes Testament

Heßler, Eva: Das Heilsdrama: Der Weg zur Weltherrschaft Jahwes
(Jes. 40-55). Hildesheim-Zürich-New York: Olms 1988. 447 S.
8° = Religionswissenschaftliche Texte und Studien, 2. Kart.
DM 58,-.

Das literarische Korpus, das sich in den Kapiteln 40-55 des Jesaja-
buches findet und für das sich die Bezeichnung „Deuterojesaja" eingebürgert
hat, ist bekanntlich ein Buch voller Rätsel. Eines der vielen
noch ungelösten Probleme und vielleicht das wichtigste besteht in der
Frage nach der Einheit dieses Buches (vgl. S. 9-19). Handelt es sich
um eine literarische, mithin auch konzeptionelle Einheit aus der
Hand einer einzigen prophetischen Schriftstellerpersönlichkeit
(„Werk"- oder Kompositions-Modell)? Handelt es sich um eine theologisch
-konzeptionelle Einheit, die sich aus der Zusammenschau -
literarkritisch und formgeschichtlich isolierbarer - Einzeltexte und
-worte des Propheten (der sog. „kleineren Einheiten") ergibt, literarisch
aber erst nachträglich - durch den Propheten selbst oder einen
ihm kongenialen Schüler - hergestellt wurde (formgeschichtlichcs
Modell)? Oder handelt es sich um eine konzeptionell wie literarisch
geschichtete, durch Sammlung von Einzelworten, deren Bearbeitung
und sukzessive Fortschreibung mehrerer Autoren gewachsene Einheit
(redaktionsgeschichtliches Modell)?

Vfn. sucht die Lösung des Problems - dem übrigens schon ihre Dissertation
aus dem Jahre i960 „Gott der Schöpfer" gewidmet war-im