Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

372-375

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Glebe-Moller, Jens

Titel/Untertitel:

Den theologiske ellipse 1990

Rezensent:

Radler, Aleksander

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

371

Theologische Litcraturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 5

372

Nicht-verstehen-könncn, das tiefstes Leiden bringt und nicht nur
Bemühung und Beseitigung fordert, sondern als zur Endlichkeit des
Menschen und aller Dinge selber gehörig danach verlangt, es durchstehen
und ertragen zu können. .Toleranz" in dieser strengen Bedeutung
wiire aus der Wesensart der Religion her sichtbar zu machen . . ."
(S. 357) So mündet die religionsphilosophische Überlegung „Heute"
in einen eindringlichen Appell zum Dialog.

Dabei soll eine Religionsphilosophie, die einem ..Programm wie
das einer transzendentalen Reflexion auf die Möglichkeitsbedingungen
transzendentaler Horizonte" (S. 380) verpflichtet ist, eine fundamentale
Bedeutung haben.

Man wird zwar in Rechnung stellen müssen, daß die geforderte
Erweiterung der transzendentalen Reflexion auf die Möglichkeitsbedingungen
transzendentaler Horizonte hin eine Korrektur der
ursprünglich kantischen Fragestellungen bedeutet. Die Notwendigkeit
, eine moralische Verzeichnung des Phänomens Religion zu vermeiden
, legt jedoch eine solche phänomenologische Erweiterung auf
Horizonte hin nahe. Die Folgen sind - wie der Weg von Kant zu Hegel
zeigt - fundamental, (cf. dazu Jaeschke: Vernunft in der Religion)
Zumindest wird so die Hereinnahme desGottes/>e£n/ß in die theoretische
Philosophie nahegelegt, ob aber auch die Hereinnahme der
„Gottesvorstellung", des „Gottesbildes"! Um das zu ermöglichen,
bleibt wohl nur die Aufnahme phänomenologischer Betrachtungsweisen
, und auf dieser Basis der „Intentionalität" wird dann auch eine
subjektivistische Engführung religionsphilosophischcr Arbeit vermieden
werden.

Nach den großen Werken zur Religionstheorie von R. Schaeffler
und Falk Wagner gibt das Werk „Religionsphilosophie heute" für
weitere theologisch relevante religionsphilosophische Arbeit ein ausgezeichnetes
Fundament. Wer die Mühe begrifflicher Arbeit nicht
scheut, hat hier eine Fundgrube für religionsphilosophisches Nachdenken
, das für Grundprobleme der Theologie öffnet.

Leipzig Hans Moritz

Systematische Theologie: Allgemeines

Biser, Eugen: Glaubenskonflikte. Strukturanalyse der Kirchenkrise.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. 127 S. kl. 8° = Herder
Taschenbuch, 1687. Kart. DM 9,90.

In einer Zeit der Zuspitzung der Autoritätskrisc in der Kirche, kurz
nachdem die deutschen Theologen in ihrer „Kölner Erklärung" das
Wirken des Papstes deutlich kritisiert haben, greift mit dem vorliegenden
Band der bekannte Theologe und langjährige Inhaber des Guardini
-Lehrstuhls in München in die aktuelle Diskussion ein. Dabei ist
auf jeder Zeile des Bandes zu spüren, wie sehr es dem Autor um Klärunggeht
; nicht freilich so, als würde er erhaben über den andrängenden
.Problemen und Konflikten stehen und von hoher Warte aus auf
sie herabblicken. Besonders der erste Teil macht deutlich: Das unauf-
gearbeitete Konzil, die zunehmende Enttäuschung des noch kirchenorientierten
Menschen, der ethische Maximen und Normen zu hören
bekommt, wo er Tröstung, Zuspruch und Ermutigung brauchte, die
traditionalistische Fixierung des kirchlichen Lehramts auf Fragen der
Sexualmoral, die vom heutigen Menschen als ein Hineinregieren in
seine Intimsphäre empfunden wird und deshalb vielerorts kirchliches
Desinteresse und Widerwillen hervorruft, die große Kluft, die zwischen
dem Bewußtsein des einfachen Gläubigen und den nachkonzi-
liaren theologischen Erkenntnissen besteht, das „spirituelle Defizit"
im weithin üblichen Glaubcnsleben - all das sind Probleme, die Biser
in einer Art und Weise aufgreift, die erkennen läßt, wie sehr sie ihn
selbst berühren.

Trotzdem gelingt es dem Autor, die aktuellen Probleme in den weiten
philosophisch-theologischen Denkhorizont cinzubeziehen. der
die Frucht eines langen und schaffensreichen Gelehrtenlcbcns ist. In

diesem Horizont erscheint die gegenwärtige Krise der Kirche als Teil
jener großen geistesgeschichtlichen Krise, die Nietzsche in seiner
Schreckensnachricht vom Tode Gottes vorausgeahnt hat und die sich
in der Hybris der modernen Hochtechnologie, in der sich der Mensch
„zu einer usurpierten Gottähnlichkeit aulbläht" (S. 17), und im
„Herrschaftswissen" (S. 37) des gegenwärtigen Wissenschaftsbetriebs
ausdrückt. Jene Kräfte in der Kirche, die mit „militanter Intoleranz"
(S. 122) den von pluralen Positionen aus zu fuhrenden offenen Dialog
innerhalb der Kirche durch lehramtliche Entscheidungen abzuschneiden
suchen, verfallen gerade in dieser ihrer scheinbar anti-
modernistischen Manier der von Nietzsche hellsichtig vorausgesehene
Kälte, Gott-losigkeit und Hybris des modernen Menschen.

Mit innerer Notwendigkeit ergibt sich aus dieser in einem weiten
Denkhorizont stehenden, profunden Diagnose des gegenwärtigen
Glaubenskonflikts der Weg zu seiner Überwindung. Er besteht im
Rückgriff auf den erstmals von Augustinus entwickelten Begriff eines
„inwendigen Lehrers" (S. 7611), der als durch Jesus vermittelter Gottesgeist
im Menschen wirkt und der in einem christlichen Verständnis
des Menschen die unabdingbare Voraussetzung dafür ist, daß die von
außen (auch mit Hilfe des Lehramts) herangetragene Glaubensbotschaft
sinnvoll rezipiert werden kann. Mit diesem Modell einer dialogischen
Glaubensvermittlung, welches das alte und im Grunde unchristliche
„Instruktionsmodell" ablöst, gibt Eugen Biscr den neueren
religionspädagogischen Bemühungen um eine nicht mehr lehrhafte,
sondern dialogisch-einladende, narrativ-korrclativc Glaubensvermittlung
eine bisher so nicht gesehene und sehr grundsätzliche fundamentaltheologische
Begründung. Mit dem Satz „Wir werden zum
Glauben nicht erzogen, sondern bewogen" bringt Eugen Biser dieses
Bemühen auf eine ebenso einfache wie klare und tiefgründige Formel
.

Aus diesem Ansatz erwächst ein überzeugender Appell, endlich die
mit dem II. Vatikanischen Konzil vollzogene „anthropologische
Wende" der Theologie konsequent zu realisieren und sie weiterzuentwickeln
zu einer „antwortenden Theologie" (S. 9311). Diese wendet
sich nicht nur theoretisch, sondern vor allem praktisch-existcntiell
den Nöten des oricntierungslos gewordenen .Menschen zu und überschreitet
- z.B. in der Entwicklung einer „therapeutischen Theologie
", wie sie Eugen Biscr 1985 in seiner Problemskizze „Theologie
als Therapie" verdeutlicht hat - das bisherige theologische System.
Mit Nelly Sachs bestimmt Biser dabei die gegenwärtige geistige Situation
des Menschen als eine „Landschaft aus Schreien" (S. 123): eine
„antwortende Theologie", wie Biscr sie versteht, könnte den christlichen
Gott neu vernehmbar machen: als jenen Ich-bin-da-Gott von
Ägypten her, der das Schreien der heimatlosen und von Antreibern
bedrängten Moscleute gehört hat und sie aus dem Sklavenhaus herausgerührt
hat in das Land, das von Milch und Honig fließt, ja nocK
weiter, als den Abba-Gott, der den - alles Leid dieser Erde in sich
schließenden - Todesschrei seines Sohnes gehört und ihn „aus seiner
Angst befreit" hat (Hebr 5.7).

Im Ganzen: Ein wichtiges, ja notwendiges Buch für jeden, der
unter der gegenwärtigen Glaubenssituation leidet.

Aachen < leorg Baudler

Glcbe-Moller. Jens: Den teologfekeellipse. Kopenhagen: Akadcmisk.
Forlagl989. 168 S. 8° Kart. DKK 120.-.

Der Vf. dieser interessanten und engagieren Studie ist einer der beiden
Ordinarien für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität
Kopenhagen. Verschiedene seiner Werke, wie zum Beispiel
seine Schriften Wittgenstein ogreligionen. (1968), Politisk dogmatik.
(1982) und Jesus ogteologien. Kritik afen tradilion. (1984) haben ihn
nicht nur als guten Kenner verschiedener philosophischer Traditionen
ausgewiesen, sondern zeigen ihn auch als einen profilierten Theologen
, der nicht davor zurückschreckt, auch tagespolitische Konsc-