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Ausgabe:

1990

Spalte:

347-349

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Quast, Kevin

Titel/Untertitel:

Peter and the beloved disciple 1990

Rezensent:

Klauck, Hans-Josef

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Theologische Literaturzeitung I 15. Jahrgang 1990 Nr. 5

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voll-,.zufalligen" Kombination verschieden geformter Textstücke
gewiß gilt - läßt sich das auch auf das Johanncsevangclium (JEv)
anwenden? Ist es in solch hochlitcrarischem Sinne ein theologisch
konzipierter und konsequent durchstrukturiertcr Makro-Text?

B. Hinrichs, Germanist und Theologe (neutestamentliche Studien
bei Jürgen Becker) in Kiel, versucht einen solchen Nachweis, und die
Problematik der Text-Ordnung im JEv rechtfertigt im Grunde jeden
derartigen Versuch. Aber - um es gleich zu sagen - dieser Aspekt der
vorgelegten Studie überzeugt jedenfalls den Rez. nicht. Testfall ist
auch für H. das alte Problem der Stellung von Kap. 5 und 6 zueinander
(Abschnitt I). Gelingt es. aus der geographisch-pragmatischen
Un-Ordnung eine sachlich-theologische Ordnung herauszuholen?
Die interne Struktur von Joh 5,19-30 mit der Hervorhebung des
Wortes (bzw. „Sagens") Jesu (nach J. Becker) soll nun, im Verhältnis
zu Kap. 6, die „Dominanz des Wortes" vor dem Wunder (und im
Wunder) erweisen. Aber welcher Leser soll das „erlesen"? 5,19-30
spricht zwar von dem durchs Wort gedeuteten Tun Jesu - aber der
Leser wird stärker auf das Gerichtsmotiv als auf die Wunderfragc oder
auf die Vorbereitung der Ich-bin-Worte gelenkt. Wenn es richtig ist,
„daß die Struktur des Evangeliums von der Intention des Evangelisten
bestimmt ist, seine Theologie adäquat zu vermitteln" (S. 16), dann
kann man doch eben die Erzählstruktur, von der das JEv (abgesehen
vom Prolog und etwa Kap. 15-17) nun einmal bestimmt ist, nicht so
schnell beiseiteschieben, wie es S. 12-14 in Auseinandersetzung mit
der üblichen Suche nach der „richtigen" Ordnung des Textes geschieht
; man muß vielmehr sehen, daß der Autor gerade auch mit
dem Erzählen christologische Aussagen machen will. Im Grunde erschöpft
sich auch der makrostrukturanalytische Elan H.' mit den
Kap. 1-6 (Abschnitte III—IX.); danach werden nur noch die übrigen
Ich-bin-Worte mit ihren engeren Kontexten in den Blick genommen
(X-XIV), dazu abschließend (XV) Joh 18,5-8. Eine Erhellung der
Gesamtstruktur des JEv ergibt sich von daher nicht.

Wohl aber - und das ist nun mit Nachdruck zu sagen - ist die Studie
ein sehr nachdenkenswerter Beitrag zur Erhellung des Beziehungs-
geflcchts zwischen den Ich-bin-Aussagen. und zwar sowohl der
bekannten sieben formelhaften Ich-bin-Worten (Abschn. IX-XIV)
untereinander wie auch der „ungefüllten" Ich-bin-Prädikationen
(etwa 4,26; 6,20; 18,5-8) zu ihnen. Daß die negativen Selbstzeugnisse
des Täufers in 1,19-23 (und 3,27-30) als Folie für das „Ich bin" Jesu
dienen sollen, ist klar (1,261.29 usw.), wird aber von H. mit guten
kompositorischen Beobachtungen beschrieben (Abschn. III); und die
Linie, die von da über4,(IO-)26 und 6,20 sachlich auf die „gefüllten"
Ich-bin-Worte und die Diskussion über Jesu Selbstzeugnis in 8.13ff
(und 5,31 ff) hinführt, ist einleuchtend, auch wenn sie für die Erhellung
der Kompositionsstruktur im ganzen nicht ausreicht (aber natürlich
ist es kein Zufall, daß das negative Zeugnis des Täufers im
Anfang, im Vorfeld der Christusoffenbarung, steht). Unter dem
Aspekt der Konzentration auf das selbstoffenbarende Ich-bin-Wort
Jesu im JEv ist die vorgelegte Studie jedenfalls als sehr anregend zu
empfehlen.

Jena/Naumburg (Saale) Nikolaus Waller

1 Zitiert (nicht von Hinrichs, aber doch wohl in seinem Sinne) nach: F. Schlegel
, Lucinde - F. Schleiermacher. Vertraute Briefe über Schlegels „Lueinde",
hg. v. E. Middell. Leipzig(Reclam) 1970. S. 114.

Quast. Kevin: Peter and the Beloved Disciple. Figures for a
Community in Crisis. Sheffield: JSOT 1989. 236 S. 8° = Journal for
the Study of the New Testament, Suppl.Series 32. LW. £ 25.-.

Simon Petrus und der geliebte Jünger im JohEv., so lautet das interessante
und vielversprechende Thema der hier anzuzeigenden Arbeit,
über deren „Sitz im Leben" man leider nichts erfährt. Vermutlich
handelt es sich um eine Dissertation, denn sie weist zumindest eine

Untugend dieser Gattung auf: ausgiebige, häutige und lange wörtliche
Zitate aus der Sekundärliteratur, die blockwcise in den laufenden Text,
eingeschoben werden. Aber wo und wann wurde sie gemacht? Auch
der konfessionelle Hintergrund könnte angesichts der Bedeutung dieser
Texte für das Petrusamt (Joh 21!) aufschlußreich sein. Aus der
Arbeit selbst kann man ihn trotz einer eindeutigen Tendenz in der
Aussage kaum erraten.

Q. beginnt seine Ausführungen im 1. Kap. (7-25) mit einem Blick
auf die Forschungsgeschichte, auf die joh. Gemeindesituation, auf die
strittige Identität des geliebten Jüngers, auf die Funktion der Anonymität
im JohEv. und auf die ihm eigenen „repräsentativen Figuren",
d. h. mit hohem Symbolwert versehenen Einzelpersonen. Es folgt die
Behandlung der Texte: Joh 1,35-42 und 6.60-71 in Kap. 2 (27-54);
Joh 13,21-30 und 13,36-38 in Kap. 3 (55-70): Joh 18,15-18.25-27
und 19,25-27 in Kap. 4 (71-99); Joh 20,1-10 in Kap. 5 (101-124);
Joh 21 in Kap. 6 (125-156). Zu Joh 13,6-10 und 19,35 werden nur
einige summarische Hinweise gegeben. Das 7. Kap. (157-170) stellt
eine Zusammenfassung dar. Die Anmerkungen sind leider nachgestellt
(171-206). Eine Bibliographie (207-221) sowie Indices der
Bibelstellen, der Autoren und der Sachen (223-236) tragen zur guten
Benutzbarkeit des Buches erheblich bei. Das Autorenregistcr enthüllt
allerdings - wohl wider Willen - auch dies, daß die deutschsprachige
und französischsprachige Literatur im Literaturverzeichnis zwar frei-
giebig zitiert, aber nur sehr partiell in Text und Anmerkungen wirklich
verarbeitet wird. Zur Handhabung der Exegese in den zentralen
Kapiteln der Arbeit ist zu bemerken, daß sie einen soliden, aber auch
etwas hausbackenen Eindruck hinterläßt, ohne eigene Mcthoden-
rcflexion auskommt und manchmal mehr an der Sekundärliteratur
hängt als am Text (auch wenn sehr oft von "funetion" der Figuren in
"the narratives" die Rede ist und von "the dynamics" eines bestimmten
Textes).

Wenden wir uns damit den Ergebnissen und Einsichten zu. Q. hält
daran fest, daß der geliebte Jünger eine historische Person war, und
neigt offenbar dazu, ihn als einen Jcrusalcmer Jesusjünger außerhalb
des Zwölferkreises einzuordnen (160- Die Anonymität eines der
beiden Johannesjünger in Joh 1,35-42 dient nach Q. dazu, dem geliebten
Jünger an dieser frühen Stelle schon einen Platz frei zu halten
und eine Relation zwischen ihm und Simon Petrus herzustellen (31).
Die Art und Weise, wie Petrus in 1,40-42 eingeführt wird, verrät, daß
er in anderen christlichen Kreisen die bekanntere Gestalt mit Anspruch
auf den ersten Platz war. An einer prinzipiellen Abwertung des
Petrus ist dem Evangelisten aber nicht gelegen, im Gegenteil, könnte
es nicht sogar sein, so fragt Q. zum erstenmal im Anschluß an seine
Exegese von Joh 6.60-71, "that he is seeking to present a picture ol
Peter that is to serve as a corrective to the aclual sentimenl the Johannine
Community was nurturing with res pect to this figure?" (53f). Die
schwer zu entschlüsselnde Interaktion zwischen dem geliebten Jünger
und Petrus in der Abschicdsmahlszene Joh 13 läßt sich vielleicht
"lesen als bildhafte Darstellung der faktischen Notwendigkeit "for the
Johannine and Apostolic communitics to be brougth together" (70).
Der gesamte evangeliarc Rahmen macht es wahrscheinlich, daß auch
der mit dem Hohenpriester bekannte „andere Jünger", der in
Joh I8,15f dem Petrus Eintritt verschafft, niemand anderes ist als der
geliebte Jünger selbst (800- Eine für Petrus unvorteilhafte Kontrastic-
rung sei, so Q.. hier und in 19.25-37 aber nicht damit verbunden, da
sich die Intention der Erzählstücke auf die je eigene Beziehung des
einzelnen Jüngers zu Jesus richte (99). Den berühmten Wettlauf zum
Grab interpretiert Q. auf ähnliche Weise. Petrus wird im Anschluß an
synoptisches Material als ein für die Zuverlässigkeit der Ostcrverkün-
digung unentbehrlicher Zeuge herausgestellt, denn der geliebte
Jünger, der ein Vorbild des Glaubens bleibt, konnte diese Funktion
aufgrund der Traditionslagc nicht in gleicherweise auf Dauer erfüllen
(117 u. ö.). Das Nachtragskapitcl Joh 21 schließlich sagt es mehr oder
weniger im Klartext: Das Erbe des geliebten Jüngers wird nach seinem
Tod nur „bleiben" und in einer Autoritätskrise, für die die Johannesbriefe
ein beredtes Beispiel abgeben, überdauern, wenn die joh.