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Ausgabe:

1990

Spalte:

340-342

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hopkins, David C.

Titel/Untertitel:

The Highlands of Canaan 1990

Rezensent:

Niemann, Hermann Michael

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 5

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sein, daß der Ahnenkult in KTU 1.17-19 und 1.20-22 in gleicher
Weise von zentraler Bedeutung ist. Ob man von einer Einheit oder
einer Trennung dieser Texte ausgeht, sie beleuchten sich gegenseitig
aufs beste. Der Vf. erweckt - vielleicht ungewollt - den Eindruck, in
Sachen Toten- und Ahnenkult in Konfrontation zu den Ideen seines
amerikanischen Kollegen M. H. Pope zu stehen.

Innerhalb des Kapitels über Keret (S. 145-216) greift er folgende
Themen auf: A. Kerets Erwerb einer Familie, B. Kerets Heilung von
Krankheit, C. Kerets Unterdrückung des Aufstandes, D. Die Interpretation
des Keret-Epos. Als Kern der Handlung sieht er eine Erzählung
über einen König an, der durch einen Feldzug gegen einen anderen
König dessen Tochter als Braut erlangen wollte. Verhandlungen
führten zur Übergabe der Braut, Heirat und der Geburt von Kindern
(S. 205-206).

Im letzten Kapitel (S. 217-232) greift der Vf. nochmals gezielt
Fragen der Beziehung und des Vergleichs zwischen der ugaritischen,
altorientalischen und biblischen Literatur auf und er stellt nochmals
die Frage, ob die ugaritische narrative Poesie uns Aufschluß über die
ugaritische Gesellschaft und Religion gebe. Die Gedichte seien weder
Informationsquellen über die Institutionen der ugaritischen Gesellschaft
noch über die Religion. Sie seien radikal verschieden von der
„realen" gesellschaftlichen Situation in Ugarit, sie blieben aber
dennoch wertvoll, weil sie die geistige Welt (mental world) Ugarits
erschlössen. Da jedoch diese mentale Welt für das Verständnis ihrer
sozialen Welt äußerst wichtig sei, blieben sie als mentale, literarische
Werke ein wesentlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens jener
Menschen, die sich dieser Gedichte erfreut hätten. Sie erlaubten so
doch einen Einblick in deren Erfahrung und Auffassung ihrer gesellschaftlichen
und religiösen Welt.

Dem Vf. ist sicher zuzustimmen, wenn er davor warnt, Poesie als
unmittelbare, sozusagen unpoetische Beschreibung der Welt zu mißdeuten
. Gleichzeitig gesteht er jedoch ein, daß er keine glatte Lösung
des Problems Poesie - Realität für Ugarit anzubieten hat. Dieses
unvermeidbare Manko in seiner Argumentation wird ihm leicht
nachzusehen sein, zumal sich schon viele vor und nach Thomas
Manns „Lotte in Weimar" humorvoll oder todernst mit diesem unlösbaren
Problem des Ineinanders von Dichtung und Wahrheit befaßt
haben. Am Rande dürfte hier aber doch anzumerken sein, daß er dazu
neigt, in Aqhat und Keret die zentrale Stellung des Toten- und
Ahnenkultes, die auch sonst durch Ritualtexte für Ugarit bezeugt ist,
unterzubewerten und sozusagen dem phantastischen, belanglosen
Teil der Poesie zuzuordnen.

Zusammenfassend plädiert der Vf. auch nochmals für eine Zusammenschau
der ugaritischen Epen mit vergleichbaren oder verwandten
literarischen Phänomenen in den altorientalischen Literaturen
(S. 220-225). Er unterstreicht, daß auf diesem Gebiet die Hauptarbeit
noch vor uns liegt. Seine eigenen Beiträge zu diesem Aspekt sind als
vorbildlich und als Ansporn anzusehen.

Zuletzt (S. 225-232) wendet er sich der Frage nach dem Wert der
ugaritischen narrativen Poesie für das Verständnis der biblischen
Literatur zu. Bei seinen Überlegungen geht er von dem Gedanken aus,
daß die ugaritische Sprache und Literatur besser als alle anderen des
zweiten Jahrtausends v. Chr. die Vorgaben der biblischen repräsentierten
. Die kulturelle Kontinuität zwischen dem zweiten und ersten
Jahrtausend sei in der Levante stärker als anderswo gewesen. Dies
betreffe sowohl die Mündlichkeit als auch die Verschriftung der
Traditionen, die literarischen Topoi und Klischees. Er führt hierbei
die Unterschiede im Ugaritischen und Biblischen auf die größere
Flexibilität der biblischen Prosa gegenüber der ugaritischen Poesie
zurück (S. 228).

Der Vf. hat uns ein faszinierendes Buch geschenkt, in dem er mutig
mit der Tyrannei der zwar notwendigen, aber oft übertriebenen und
ins Sterile ausartenden Wortpaarforscherei bricht und damit wieder
den Weg für eine Formgeschichte von Ugarit bis zur Bibel eröffnet.
Von diesem Blickpunkt her überrascht dann doch der Titel des
Buches, der all die geistigen Barrieren anzeigt, die in der Praxis des

Vcrgleich'ens zwischen ugaritischen und biblischen Texten noch zu
überwinden sind. Die Blickrichtung geht auch noch bei ihm von der
Bibel aus zurück. Er selbst belegt aber auf vielfältige Weise, daß bei
einem konsequenten formgeschichtlichen Ansatz sein Buch eigentlich
den Titel "The Post-Ugaritic Biblical Narrative Tradition" haben
müßte. Im Licht dieser Perspektive wäre den Wegen der Formgeschichte
von der ugaritischen Poesie zur biblischen Prosa leichter zu
folgen und es könnten so auch all die Mißverständnisse und Emotionen
verhütet oder wenigstens abgemildert werden, die notwendig mit
einem biblischen Ausgangspunkt gegeben sind.

Dem Vf. gebührt trotz dieser Mängel das Verdienst, uns auf dem
Weg zu einer sachgemäßen Erforschung der westsemitischen Formgeschichte
von Ugarit bis zur Bibel ein gutes Stück vorangebracht und
ein vielversprechendes Programm für zukünftige Forschung entworfen
zu haben.

Münster Oswald Loretz

' Sowohl Räpi 'u als auch Harnamile sind auf den vergöltlichten Ahnen der
Familie Danils zu beziehen.

Hopkins, David C: The Highlands of Canaan. Agricultural Life in the
Early Iron Age. Decatur: Almond; Sheffield: Sheffield Academic
1985. 326 S. m. Abb. 8" = The Social World of Biblical Antiquity
Series, 3.

Mit Recht konstatiert Hopkins (= H.) nach wie vor bei Studien zu
Alt-Israel eine Präferenz des „Ideologischen" (Theologischen) vor
dem „Materiellen" (1 5). Das gleicht auch die Archäologie nicht ganz
aus, galt lange doch ihr Interesse vorwiegend Monumcntalfunden.
Immerhin wird aber auch der materielle Hintergrund der Bibel,
speziell die Landwirtschaft als Lebensbasis, seit Jahrzehnten mit
guten Ergebnissen erforscht1. Daraus ergab sich bisher allerdings ein
eher statisches Bild2. H. will darüber hinausgehend Impulse zur Erfassung
der "dynamics of agriculturc" liefern. Zu diesem Zweck reiht
sich H. in neuere, begrüßenswerte Versuche ein, durch das Heranziehen
nachprüfbarer zeitgenössischer Forschungen der Ethnologie und
Anthropologie' über rezente Gruppen und Ethnien, die unter Israel
ähnlichen ökologischen, soziologischen, sozioökonomischen und
technologischen Bedingungen leben, bei aller Vorsicht heuristisch
verwendbare Analogien in diesem Falle zur Landwirtschaft Israels zu
gewinnen, die über die bescheidenen und unvollständigen Informationen
hierzu in den mit theologischen Intentionen verfaßten Bibeltexten
hinausführen. Ziel seiner Darstellung ist "not a time line or an
agricultural history but an understanding agriculture's complcx.
multi-dimensional body... the interrelationship of the various
determinants which shape agricultural Systems" (21).

H.s umsichtiges, systematisches Vorgehen erfaßt nach einer
"Introduction" als Determinanten der Landwirtschaft die "Parameters
of Agricultural Systems" (Environment, Agricultural Technology
, Population, Kap. 2), "Geomorphology of Highland Canaan"
(Negev and Judean Highlands, Samarian and Galilean Highlands,
their differences and their consequences, Kap. 3), "Climate and
Climatic Change" (Kap. 4), "Natural Vegetation and Soils" (Kap. 5),
"Population" (Settlement pattern; Population Landscape and Agri-
culture, Kap. 6), "Agricultural Objeclives and Strategies", A.:
"Water Conservation and Control" (Kap. 7), B.: "Soil Conservation
and Fertility Maintenance" (Kap. 8), C: "Risk Spreading and the
Optimization of Labor" (Kap. 9). Ohne die Darstellung der ökologischen
Rahmenbedingungen (Kap. 2-5) in ihrer Bedeutung für das
Folgende zu unterschätzen, dürften die darauf aufbauenden Kap. 6-9
das Hauptergebnis darstellen, wobei Kap. 6 den Angelpunkt bildet, da
hier in den Wohn- und Arbeitsbedingungen der Bergbauern brennglasartig
der tägliche Subsistenzkampf und seine Organisation sich
verdichtet und (auch archäologisch) erkennbar wird.