Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

336-337

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Eastern spirituality in America 1990

Rezensent:

Moritzen, Niels-Peter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

335

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 5

336

jüdisch-prophetischer Tradition zurückgreifend, haben die beiden
großen Glaubensgemeinschaften immer in unmittelbarer Grenznach-
barschaft gelebt: In Konkurrenz, gegenseitiger Bekämpfung, aber
auch immer wieder in kulturellem Austausch. Durch diese Nähe gibt
es zwar eher vergleichbare Denkweisen in Christentum und Islam als
in Beziehung zu den fernöstlichen Religionen. Aber es ergibt sich auch
ein besonders großes Maß an Vorurteilen und Zerrbildern über das
Glaubensleben der anderen, die eine unvoreingenommene Begegnung
erschweren. Heute wird es mehr denn je nicht nur in Mittel- und Südosteuropa
unumgänglich sein, daß Christen und Muslim aufeinander
zugehen, sich zu verstehen suchen, lernend einander begreifen. Dem
will vorliegendes Tafelwerk dienen.

Deshalb legt der Vf. auch kein Handbuch der Geschichte des Islam
im üblichen Sinn objektivierender, lehrhafter Religionsdarstellung
vor. Warum sollte auch den zahlreich vorliegenden Darstellungen zu
diesem Thema ein neues Werk hinzugefügt werden? Wichtig scheint,
daß die Darstellung nicht auf Religion im engeren Sinn beschränkt
bleibt, sondern durchgehend die allgemeine historische Entwicklung
in der entsprechenden Region einbezieht und die Verflechtung von
religiösen, geistesgeschichtlichen, politischen und wirtschaftlich-
sozialen Linien aufzeigt. Querverweise auf Ergebnisse historischer
und religionswissenschaftlicher Forschung sowie eine Auswahl wichtiger
, weiterführender Literaturangaben schaffen Überblicke und
strukturieren bisher nur sporadische Kenntnisse und Daten.

Dadurch wird deutlich, daß der Islam ein System auf der Basis der
Religion bildet, ein System, in dem sich Gott. Staat und Wirtschaft zu
einer Einheit verbinden, die sich in islamischen Staatsgebilden
jeweils manifestiert.

Und das alles in der Sicht eines engagierten evangelischen Theologen
, der sich mit einer bestimmten, didaktisch gut durchdachten
Konzeption vor allem an Religionslehrer, Pfarrer zur Vorbereitung
des Konfirmandenunterrichts, Gesprächsleiter und Studiengruppen
mit Christen und gläubigen Muslim wendet.

Der Vergleich der religiösen Lebensstrukturen ist ein entscheidendes
Anliegen des Tafelwerkes: Die Lehre Mohammeds wird in ihrer
ganzen historischen Breite und Vielfalt dargestellt: I. Der Prophet
und seine Lehre. 2. Die ersten vier Kalifen, Schiiten und Omaijaden.
3. Die Abbasiden und der Zerfall der Einheit. 4. Die Geistesgeschichte
des Islam. 5. Seldschuken, Mongolen und Mameluken. 6. Osma-
nisches Reich, Persien und Indien. 7. Neuzeitliche Entwicklung.

Als besonders brauchbar für christliche Leser erweist sich, daß entsprechende
Lehren des Judentums und des Christentums und wichtige
Texte des Koran anschaulich in Spalten gegenübergestellt werden.
„Unterscheidungslehren" haben eine gute religionspädagogische Tradition
in der protestantischen Theologie. Hier nun sind die Tafeln so
angeordnet, daß sie - sicherlich nicht einfach übernommen, sondern
als Arbeitsgrundlage eigener Entwürfe - Wege zum Verständnis der
Glaubens- und Lebenswelt des Islam eröffnen.

Religionsunterricht und Gemeindearbeit bedürfen bei aller Weite
und Toleranz einer klaren Ausgangsposition, gerade auch, um der Gedankenwelt
des Islam gerecht werden zu können. Wem apologetische
Aspekte nicht behagen, mag sie übergehen. Der Rez. weiß jedenfalls,
daß vielerorts in evangelischen und katholischen Gemeinden und
Schulklassen entsprechende kurze Hinweise (19-33) dankbar aufgenommen
wurden.

Es ist ein Werk eigener Art, schon von der Anlage als praktisches
Ringbuch her mit Sammlungen von Arbeitsblättern und Tafeln. Karten
, Tabellen und chronologische Übersichten verzeichnen die
Hauptereignisse und machen Entwicklungen und Zusammenhänge
erkennbar. Zehn Karten bilden den Kern der Materialsammlung. Sie
stellen den „Gesamtislam"' dar, um den sich die einzelnen geographischen
Regionen und besondere Erscheinungsformen in Geschichte
und Gegenwart formieren. Die Geschichte der Schia, die geistesgeschichtlichen
Strukturen und der Islam in Spanien und Indien
werden besonders anschaulich dargestellt. Die Methode der Darstellung
auf Tafeln ist natürlich nur eine didaktisch-pädagogische Möglichkeit
neben anderen, hat sich aber auch bei anderen Veröffentlichungen
des Vf. durchaus bewährt, ja zeichnet sie vor anderen
langen und übersichtlichen Abhandlungen aus.

Die besondere Konzeption und Methode sowie ihr Adressatenkreis
wollen bedacht sein, wenn man dem Tafel-Werk gerecht werden will.
Die mit verschiedenen Fachleuten abgesprochene Schreibweise von
Namen und Orten schlägt sich erfreulich in einem praktikablen, ausführlichen
Register wieder, spiegelt aber zugleich auch diesbezügliche
Unsicherheiten in der arabischen und indischen Fachwelt.

Gelegentlich mag man die zahlreichen Genealogien für überflüssig
halten, aber immer wieder wurden mit dem Eindringen des Islam
Religionsführer zu Volksführern. Und ganze Glaubensrichtungen
gründen ihre Legitimität jeweils auf die Abkunft von Nachkommen
des Propheten. Wichtig werden auch die Hinweise auf Begegnungen
des Islam mit anderen Religionen, etwa in Nordafrika. Indien und
Ostasien.

Jeder, der über eine Religion schreibt, muß sich in die Erfahrung der
Menschen einleben, die in dieser Religion die für ihr Leben entscheidende
Orientierung gefunden haben. Er darf nicht nur Fakten notieren
- wobei schon strittig werden könnte, was überhaupt Fakten sind
-, er muß auch den Sinn der Fakten begreifen. Er sollte also eigentlich
nicht über eine Religion schreiben, sondern von einer Religion her,
wie es Sperna-Weiland fordert. Darum hat sich der Vf. trotz der Überfülle
des Materials und der „Fakten" redlich bemüht, denn ebensowenig
wie „das" Christentum gibt es „den" Islam.

Greifswald Günther Kehnscherper

Ellwood. Robert S. [Ed.]: Eastern Spirituality in America. Selected
Writings. New York-Mahwah: Paulist 1987. VI, 246 S. gr. 8- =
Sourcesof American Spirituality.

Mit dem Namen „Amerika" ist, wie man sich leider unschwer
denken kann, lediglich Nordamerika in seiner US-Prägung gemeint.
Der Verlag ist ein katholischer, der Herausgeberausschuß ist ökumenisch
-interreligiös, und die Gesamtserien der "Sourccs" haben bis
dahin christliche Autoren von Einfluß aus den USA veröffentlicht,
wie z. B. Walter Rauschenbuch und römisch-katholische Quellen zur
Verehrung des Heiligen Geistes im 19. Jahrhundert. Mit "Spirituality
" ist hier aber allgemeine Religiosität gemeint, "eastern'"
meint: soviel wie asiatisch, „morgenländisch".

Es geht also um eine Quellensammlung zur Wirksamkeit asiatischer
Religionen in den USA. und so ist die Gliederung auch angelegt. Es
sind eine Einführung (5-44), eine Sektion "Hinduism" (45-113),
"Buddhism" (114-194), "Taoism" (195-214) und "Theosophy**
(215-234) enthalten. Dabei ist also nicht der Gesichtspunkt, die fortlebende
Religiosität asiatischer Einwanderer zu dokumentieren; dann
wäre der japanische Buddhismus nur mit Judo-Shinshu-Texten zu
vertreten, und das Fehlen des Islam nicht zu verantworten, sondern es
geht um diejenige Religiosität, die sich an die nordamerikanische
Kultur gewandt hat. Die Gesichtspunkte, die zur Auswahl führen,
sind in der Einführung ebenso klar dargelegt wie eine allgemeine Geschichte
dieser Rezeption östlicher Spiritualität in der nordamerikanischen
Öffentlichkeit. Hier liegt dann wohl auch das Problem des
Buches. Es verleiht einem Phänomen Würde und Respcktabilität. das
so überwiegend von Randliguren und von Gruppen der Gegenkultur
getragen wurde, und läßt es dabei als vollständig seriös erscheinen -
und darin kann der Beobachter nun allerdings sehr anderer Meinung
sein: Er kann daraufhinweisen, wieviel asiatische und neuere Religiosität
durchaus nicht seriös wirkte-bis heute.

Die Auswahl aber ist durchaus verdienstlich. Swami Vivekanandas
Ansprache vor dem Weltparlament der Religionen und ein Gegenstück
, Soyen Shakus Ansprache bei gleicher Gelegenheit; Texte des
Svami Prabhavananda (von der Ramakrishna Mission), seines
Schülers A. Huxley, von Paramahamsa Yogananda sorgen für ein
Übergewicht des Neovedanta der vorigen Generation: die Ausnahme