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Ausgabe:

1990

Spalte:

305-306

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Nordera, Luciano

Titel/Untertitel:

Il catechismo di Pio X 1990

Rezensent:

Biewald, Roland

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Seite 1

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305

Theologische Literaturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 4

306

Aus Anlaß des 450jährigen Jubiläums der Reformation in Berlin-
Brandenburg wurde vom Präsidenten der Kirchenkanzlei der EKU-
Ost, Friedrich Winter, eine Sammlung von 31 Predigten aus vier
Jahrhunderten (überwiegend aus dem 20. Jh.) vorgelegt. Der zentralen
Bedeutung der Christuspredigt im protestantischen Gottesdienst entsprechend
läßt sich die Evidenz und Tiefe reformatorischen Glaubens
hier gut verdeutlichen. In diesem Band wird aber keine Quellenedition
geboten, sondern eine kleine, chronologisch geordnete Auswahl
bereits gedruckt vorliegender Beiträge, die für den Gebrauch kirchlicher
Mitarbeiter konzipiert wurde. Eingeleitet wird das Ganze durch
zwölf ..Thesen zur Vorbereitung des Berlin-Brandenburger Reformationsjubiläums
(1539-1989)".

Der Band enthält Predigten von P. J. Spener, N. L. Graf von
Zinzcndorf, J. J. Spalding, G. A. L. Handstein, F. Schleiermacher, J.
Müllensiefen, R. Kögel, E. von Dryander, F. Rittelmeyer. G. Dehn, P.
Conrad. D. Bonhoeffer. M. Niemöller, H. Gollwitzer, H. Grüber, O.
Dibelius, A. Schönherr, G. Jacob, G. Bassarak, H. Vogel. E. Gürtler,
F.-R. Hildebrandt, K.-D. Behm, H. LanghofT, G. Krusche. J. Henkys.
C. Bunners, J. Hempel. G. Forck, G. Bransch und F. Winter.

R.M.

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Nordera. Luciano: II Catechismo di Pio X. Per una storia della
catechesi in Italia (1896-1916). Roma: LSA 1988. 574 S. gr. 8" =
Biblioteca di Scienze Religiöse, 74. L 30.000.

Der Veroneser Kirchengeschichtler legt mit seinem Werk eine
intensive Studie über 20 Jahre Geschichte der Katechetik in Italien
vor. Sic bezieht sich auf die Vor-, Redaktions- und Wirkungsgeschichte
des sog. ..Katechismus Pius' X." von 1912, der Anfang
dieses Jahrhunderts in Italien große Beachtung fand. Dieser Katechismus
ist infolge der nachkonziliarcn Reformbestrebungen der katholischen
Katechetik 1967 offiziell von neueren Katechismen abgelöst
worden. Doch bezüglich seiner Entstehungsgeschichte bestand bisher
nur wenig Klarheit. Erklärtes Ziel des Vf. ist es, diesen Sachverhalt so
weit wie möglich zu erhellen. Der für Italien so bedeutende Katechismus
erfährt damit die ihm gebührende Würdigung. Norderas Arbeit
ist also mehr für den Historiker als für den Praktiker der Katechetik
von Interesse.

Zum Inhalt im einzelnen. Im ersten Teil versucht der Vf., die
unmittelbaren Quellen des „Katechismus Pius' X." zu bestimmen,
indem er die in verschiedenen Regionen Italiens gebräuchlichen Katechismen
untersucht. Eine besondere Rolle dabei spielt das „Kompendium
der christlichen Lehre", das Pius X. 1905 veröffentlichte. Es ist
nicht identisch mit dem Katechismus von 1912. wohl aber ist seine
Auflage von 1910 die unmittelbare Quelle dessen.

Der zweite Teil beschreibt die politische, kulturelle und katechetische
Situation in Italien zur Zeit der Entstehung dieses Katechismus.
Das wird für den ausländischen Leser von Interesse sein. Die Krise der
Katechetik in Italien am Anfang dieses Jahrhunderts äußerte sich vor
allem darin, daß sich der Religionsunterricht in einem kritikwürdigen
Zustand befand. An manchen öffentlichen Schulen fand er überhaupt
nicht statt, an den anderen ohne einheitliche Richtlinien und oft in
schlcchterQualität. So wurde die Forderung nach einem einheitlichen
Katechismus für Italien immer lauter. Auf dem Hintergrund dieser
Vereinheitlichungs- und Reformbemühungen ist nun die ganze Entstehungsgeschichte
des „Katechismus Pius' X." zu sehen. Pius X.
hatte sich schon als Bisehof von Mantova um eine Reform der Katechetik
bemüht. Er war bereits 1889 auf dem I. Katcchctischcn Kongreß
Italiens in Piacenza mit einer entsprechenden Forderung aufgetreten
. Von daher werden seine Bemühungen als Papst um die Herausgabe
eines verbindlichen Katechismus deutlich.

Im drillen Ted wendet sich der Vf. wieder ganz dem Katechismus
zu. Die unmittelbare Redaktions- und Editionsgeschichte wird nachgezeichnet
. Das geschieht in einer ausführlichen und exakten Weise.
Bisher unveröffentlichte Dokumente aus verschiedenen kirchlichen
Archiven werden herangezogen. So kann der Leser den Weg dieses
Katechismus von der ersten Fassung über die Kritiken und Änderungsvorschläge
der Experten bis hin zur endgültigen Fassung von

1912 verfolgen. Es wird dabei eindeutig geklärt, daß es nicht der
„Katechismus Pius' X." ist. wie er in die Geschichte eingegangen ist.
sondern ein von Pius X. initiierter und geförderter Text.

Der vierte Teil befaßt sich dann mit der Verbreitungs- und
Wirkungsgeschichte dieses Katechismus in Italien und im Ausland.

1913 hatte der deutsche Katechetiker Stieglitz orakelt: „Italiens
Grenze wird der neue Katechismus wohl nicht überschreiten; noch
weniger dürfen wir in dem Buche den Einheitskatechismus der katholischen
Kirche erblicken." Er behielt im großen und ganzen recht.
Zwar fand der Katechismus in vielen Regionen Italiens gute Aufnahme
und wurde auch ins Französische, Spanische und Deutsche
übersetzt, doch der Katechismus der katholischen Kirche wurde er
nicht. Das hat in der Hauptsache zwei Gründe. Zum einen war er in
seinem Ansatz theologisch konservativ und methodisch überholt
(doktrinäres Frage-Antwort-Schema), so daß er den Reformbestrebungen
im Vorfeld des 2. Vatikanischen Konzils nicht standhalten
konnte. Zum anderen erwies es sich überhaupt als nahezu unmöglich,
einen „Einheitskatechismus" zu erstellen. Das ist m. E. ein wichtiges
Resultat dieser Studie Norderas: Der Gedanke eines Einheitskatechismus
für eine ganze Kirche ist mit dem „Katechismus Pius' X." begraben
worden. Nach dem Konzil kamen neuere Formulare in Gebrauch
, die der unterschiedlichen katechetischen Situation in verschiedenen
Regionen besser Rechnung trugen und vor allem theologisch
-pädagogisch revidiert waren. Die Bedeutung des Katechismus
von 1912 liegt vor allem darin, daß er in Italien eine Problemdiskussion
auslöste und zu einer weiträumigen Zusammenarbeit der Fachleute
führte. Mit ihm und über ihn hinweg kam es zu neuen Ansätzen
in der katholischen Katechetik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Norderas Werk würdigt in abschließender Weise diese Funktion des
„Katechismus Pius' X.". Es ist in seiner Ausführlichkeit und historischen
Genauigkeit vor allem für den interessant, der sich intensiv
mit der Geschichte der katholischen Katechetik um die Jahrhundertwende
beschäftigt. Leider fehlen Seitenblicke auf protestantische Entwürfe
dieser Zeit (z. B. die Waldenser Katechismen Italiens), die die
etwas knappe theologische Problcmdiskussion und Bewertung sicher
bereichert hätten.

Der Anhang mit Dokumenten und Illustrationen vermittelt einen
lebendigen Einblick in die Forschungsgeschichte und ermöglicht den
Nachvollzug der Ergebnisse des Vf.

Regis-Breitingen Roland Biewald

Kuld. Lothar: Lerntheorie des Glaubens. Religiöses Lehren und
Lernen nach J. H. Newmans Phänomenologie des Glaubensakts.
Sigmaringendorf: Regio 1989. 227 S. 8° = Internationale Cardinal-
Newman-Studien. XIII. Folge. Kart. DM 60.-.

Es handelt sich um eine bei dem kathl. Religionspädagogen
G. ßiemer (Freiburg) angefertigte Dissertation (abgeschl. 1987). Wie
es im Untertitel heißt, soll religiöses Lehren und Lernen hier im
Anschluß an Newman verstanden werden. Diese Absicht bestimmt
das gesamte Buch: Es will aus der Newman-Forschung heraus, zu der
es zugleich beitragen möchte, eine weiterführende Deutung des Zusammenhangs
von Cilauben und Lernen bieten. Kuld wendet sich
deshalb zwar auch an Newman-Expcrten. aber wichtiger sind ihm
doch die Leser außerhalb dieses Kreises. Aus der Perspektive eines
weiteren Interesses soll das Buch auch im folgenden betrachtet
werden.