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Ausgabe:

1990

Spalte:

302-304

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Adloff, Kristlieb

Titel/Untertitel:

Die Predigtwoche 1990

Rezensent:

Theurich, Henning

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 4

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universellen Heils" (54). Bei der Näherbestimmung werden die theo- (1830, als auch im westlichen Pluralismus fortlebt (2220- Methodologischen
Kernaussagen aber nicht exegetisch begründet oder systc- logisch spannend und spannungsreich ist das Verfahren, mit dem der
matisch entfaltet, sondern durch die Analyse kirchlicher Schlüssel- Autor, der sich dem wissensoziologischen Ansatz verpflichtet weiß
Wörter erklärt. Das sind im einzelnen „Frieden" (65ff), „Befreiung" (115ff, 149) und die Einsichten einer kritischen Gesellschaftstheoric
(69ff), „Hoffnung" (78fr).' „Leben" (82ff). „Heilen" (90ff). „Volk zum „Martyrium des Pluralismus" (209) Tür die kirchliche Praxis
Gottes" (94ff). fruchtbar zu machen versucht.

Schon diese Liste signalisiert: Die Kriteriologie ist selber kaicolo- Der letzte Teil des Buches liefert eine „Lehre von der Praxisweiter-
gisch orientiert. Sie traktiert Themen und Begriffe, die menschliche entwicklung" (249) und greift dafür auf Anregungen der Organisa-
Sehnsucht in der Gesellschaft mit der biblischen Überlieferung ver- tionssoziologie und der Unternchmensbcratung zurück. Ziel jeder
hüpfen, die eine Kritik gegenwärtiger Kirchlichkeit ermöglichen. Kirchenreform ist, den beiden ersten Teilen gemäß, „ein Zuwachs an
aber auch Impulse zu ihrer Neugestaltung enthalten. Eine eindeutige Zielsicherheit und Situationsgerechtigkeit" (248). Die idealtypische
Bewertung des zu den Schlüsselwörtern gesammelten Materials ver- Analyse des Reformprozesses behandelt dessen zentrale Faktoren,
tigert der Autor und enttäuscht damit wahrscheinlich gerade jene also die Auslösung, den Widerstand, die Ausbreitung, die Träger, die
"alogischen Leser, die so gern mit Kriterien hantieren. Beispiels- Ergebnisse (252m und bündelt die w.cht.gsten Einsichten in zehn
weise stellt er beides nebeneinander: Während die mitteleuropäische Erfahrungsregcln (287). Untergründig stellt sich auch hier die Auigabe
Diskussion zum Stichwort „Leben" vor allem um die Abtreibungs- der Balancierung zwischen Haupt- und Nebenz.elcn, weil sieh in den
frage kreist, hat der Lateinamerikanische Bischofsrat die Bedrohtheit konservativen wie in den progress.ven Mentalitäten immer sachliche
des Lebens sehr viel umfassender beschrieben (83 ff). Eine Kirche, die Einsichten mit persönlichen D.spositionen verknüpfen (255ID. Der
°ott. dem „Liebhaber des Lebens", wirklich zu dienen versucht, wird „unnötige Kräfteverschleiß könnte vermieden werden, wenn Reformer
zum . Lebensort" werden müssen. „Wer wirklich auf ewiges mer und Reformgcgner sehen lernten, daß der andere jeweils eine
Leben hofft und sich in diesem längst eingewurzelt weiß, vermag auch wichtige Anfrage an die gegenwärtige Kirchenpraxis vertritt. Der
Lebenschancen zu teilen, wenn diese bei anderen knapp geworden Reformer ist in hohem Maße aufmerksam für d.c Situationsgerecht.g-
sind - eine Fähigkeit, ohne welche die an Menschen so reiche Welt keit. der Reformgegner hat zumeist mehr Sinn für die Zielsicherheit
nicht überleben wird" (90) und leistct dcsnalb Widerstand gegen Reformen" (258).

Die inhaltliche Füllung der Hauptziele kirchlichen Handelns er- Das Buch von Zulehner ist didaktisch und methodisch durchdacht,
folgt durchweg nach dem Konvergenzmodell. „Die Friedenssehn- Es bietet den Studierenden eine gute Einführung und den Lehrenden
sucht der Menschheit konvergiert mit der Friedensbotschaft der wichtige Anregungen. Indem es auch das kirchliche Leben in Ost-
Bibel" (66). Der Ansatz der Kriteriologie verändert sich, wenn die europa wie in Lateinamerika in die Reflexion einbezieht, uberwindet
Nebenziele bewußt gemacht werden sollen. Sie können aus der kirch- es den Provinzialismus mancher praktisch-theologischer Entwürfe
"iehen Praxis zwar nicht ausgemerzt, aber sie müssen auf jeden Fall aus der BRD. Das Verhältnis von Kriteriologie und Ka.rolog.cw.rd
kultiviert werden (34). Drei solcher Nebenziele behandelt Zulehner auch die protestantischen Fachvertreter verstärkt beschäftigen
ausführlich, die „Ins.itutionalisierung" (101 ff), die „Leutereligion" müssen. Auf die weiteren Bände, die Gemeinde. Lebensubergange
*jt ihren religiösen Erwartungen (I I4ff) und die Nachwirkungen der und Zukunftsherausforderungen behandeln sollen, darf man gespannt
Kindheitsreligion bei den Amtsträgern (I28ff). In seiner Darstellung sein,
arbeitet er vor allem die Zwiespältigkeit dieser Nebcnziclc im Blick
auf das anzustrebende Hauptziel heraus. Gerade zu den beiden letztgenannten
Punkten kann auch eine „Pastoraltheologie" im protestan-
tlschen Sinn von den Ausführungen des Vf. viel lernen. Zu fragen tu««.I«.«:ä. u„m;u»IL
b'eib, freilich, wie der vollzogene Perspektivenwechsel von der Kon- Praktische Theologie. Homiletik
Vergcnz zur Ambivalenz methodisch zu begründen ist. Und zu fragen

bleibt auch, ob die unbestreitbare Ambivalenz der vorgeführten A(j|0ff Kristlieb: Die PrediKtwoche. Ein homiletisches Exerzitium.

p|länomenc nicht für Zulehner letztlich in einem prinzipiellen Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988. 206 S. 8". Kart.

Antagonismus zwischen religiöser Erwartung und evangelischem DM 28.-.

Auftrag rundiert ist. Jedenfalls müßten die Kriterien des pro- . , , . ,,, , , r. . r.

fessirm-n t u i c- i- ru vr.ui in ihrer soziolo- Dieses „homiletische Exerzitium ist kein Übungsbuch für Anfan-

«sionellen Theologen für die empfohlene Kritik in mar so/iu.u „

Sachen und psychologischen Bedingtheit ausdrücklich reflektier, ger. Adloff. lutherischer Theologe und Dozent am Missionsseminar

***n, wenn man dt- unfruch.bare RepMtk» des Spannung,- Hermannsburg, wende, sich „an das theo.ogisc.K- Gewissen des

sch,.„ . - . • ,__j__l ;:u„,„,iivVn Prediucrs" der „des Trostes in besonderer Weise bedurltig ist (5).

Schemas von Au Hag und Erwartung wisscnsoziologisch überwinden i reuige.;. . w. „ __ , .

Win Einen Prediger trösten heißt, „ihn bei seiner theologischen Existenz
Die Kriteriologie ist bei Zulehner kairologisch ange.eg«: das eröffnet behaf.en. ihn darin ernst nehmen und bestärken" (6* Die^Homiletik
'"■eressante Aspekte, aber lädt auch zu Nachfragen ein. Umgekehrt allein kann das nicht leisten denn was hülfe schon ,ne klug .
««hält die Kairologic. die in, zweiten Teil folg,, einige kriteriolo- ordentliche und verantwortliche Predig,the-one a gc,,ch s der Ve rsehe
Probleme. Zulehner geh, hier historisch vor. Skizzenhaft zweiflung. d.c da denkt und bisweilen auch lau, sagt. Es s k m Gott
beschreib, er die gesellschaftlichen Bedingungen kirchlicher Praxis in der sich offenbar,'.' Angesichts dieser Verzollung mute.St ntf
Menden Kons.cllat.onen: chns.cn.ümlichc (.-Seilschaften «1SM), um eine mehr text- oder mehr horcronentierte oder g n vom Ich des

Uber»™ i ■ , .■Ii A „ „^„.iri^llpnfiesellschaften Predigers her gedachte Predigt als gegenstandslos an (15).

^oergang von der vonndustriellen zu den industriellen ucsciisciidiu.ii ^.u 6 " . . , .. .. , ____<. •.

<l67ir i , .■ u r- m k r, „n7xrn r~h*itKch-Dlura- Dennoch beteiligt sich Adloff leidenschaftlich an diesem Streit

'""U. real-soziahstische Gesellschaften (17811). laiiitmicn |iiui<i o ..... ,.„ , ;m„,,-„, A,,rrh imH

'ist.sche Gesellschaft (.96ff) Kritik am Plura.ismusmode.l (220IF) („Das Exerzitium ist explizit streckenweise und impl.z.t durch und

undn „7 1 ° n n i u.ft m4fn Dabei durch polemisch!". 6). etwa wenn er d.c gegenwartige homiletische

und den Weg zur nach.ndustr.ellen Gesellschaft (-.1411). lAinc. uuie . .. , .

w,.rj 6 „ i;„;„„ un«! I aoe w c o Kt meint beschreiben zu müssen:.....wohl dem. der .von

^'rche.dasdaiii.lbegunstigteGrundverhaltnisdcrlJurgcrzuKCi.g.uM ue & iu~—m»h Heute der Heili-

unA i,. ■ r- . .■ „ ..„,) ri,.r imic-rwens in dem al c Morgen überraschend neuen Meute der

Und Kirche, die daraus resultierende pastoralc Situation und der unterwegs in uc. . w-<

a„„ .„, r u i • i___k-rii,- wen Schrift hm hieb, nachdem der I ext als lex, in der neueren

angemessene pastoralc Handlungsstil umr.ßhalt beschrieben. Kr.tc- gen scnri.i hin. „,.„_:„„.,/,,„,„.> als verloren

rinU • ■ , _ .. ,. ,, A-,a ,Ur homi et sehen Theorie mehr (Otto) oder weniger [Lange) alscr.orcn

r,0|ogische Probleme lind in der Feststellung enthalten, daß die nomiwusrcu nrc. • h mil Hi|tc „jner „-;«..

^nestikation der Religion im au.gek,är,en Josephinismus sowohl in ^^^^ XnZ^npZJ^.

^'Seilschaften, die sich bisher real-sozialistisch genannte haben entleerten Rhelor.k und

Ciöttingen Manfred Josuttis