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Ausgabe:

1990

Spalte:

300-302

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Fundamental-Pastoral: Kirche zwischen Auftrag und Erwartung 1990

Rezensent:

Josuttis, Manfred

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299

Theologische Literaturzeitung I 15. Jahrgang 1990 Nr. 4

300

Abschnitt über die Reich-Gottes-Botschaft und Auferstehung Jesu bis
zu christologischen Passagen des 2Petr) und lehramtliche Texte zur
Christologie (vom Nicänum bis zum Tridentinum). Daran schließen
sich Texte der „theologischen Tradition" an, die Hg. in: Geschichte
des christologischen Dogmas in altkirchlicher Zeit, die christologische
Entwicklung im Mittelalter, - in Neuzeit und Moderne gegliedert hat.
Durch markante Überschriften ist sowohl eine schnelle Orientierung
möglich, wie auch die Entwicklung christologischen Denkens überblicksartig
nachvollziehbar wird. Über die Auswahlprinzipien, die
geschichtliche Einordnung der Quellen, die nicht zitierten Stimmen
und die Kürze der Literaturverweise ließe sich diskutieren. Das
Verdienst aber, ein wertvolles Arbeitsinstrument geschaffen zu haben,
läßt sich nicht bestreiten.

R. M.

Praktische Theologie: Allgemeines

Preul, Reiner: Luther und die praktische Theologie. Beiträge zum
kirchlichen Handeln in der Gegenwart. Marburg: Elwert 1989.
IX, 131 S. gr. 8° = Marburger theologische Studien, 25. Kart.
DM 39,-.

Preul möchte Luthers Aktualität für die Praktische Theologie
zeigen, indem er Grundeinsichten der Theologie des Reformators
herausarbeitet, die der Kommunikation des Rechtfcrtigungsglaubens
auf den kirchlichen Handlungsfeldern dienen. Im ersten der sechs
Aufsätze wird „der Wandel der Kommunikationsbedingungen des
Evangeliums seit der Reformation als Problem der Praktischen Theologie
" bedacht (8-24). Die Aufgabe der Praktischen Theologie besteht
nach Preul darin, „die jeweils gegenwärtigen verschiedenartigen Vollzüge
der Kommunikation des Evangeliums und ihr Zusammenspiel
kritisch zu sichten, d. h. auf ihre Zweckdienlichkeit zu überprüfen
und Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten". Verstehbarkeit und
Glaubwürdigkeit sind die Kriterien, deren erstere Bildung und deren
letztere das aus dem Glauben kommende gute Werk erfordert. Von
der Bedeutung des guten Werkes her läge eine Brücke zur Diakonie
nahe, deren Beziehung zu Luther leider nicht thematisiert wird.

„Pfarrer und Rcligionslehrer. Ein Vergleich der beiden Berufe" ist
Thema des zweiten Beitrags (25-46). Was können beide voneinander
und von Luther lernen? Der Schulmeister hat nach Luther am
Predigtamt teil. Die „verständliche Ausrichtung des äußeren Wortes
und Identitätsdarstellung im Sinne des Einbringens der eigenen Person
und die Kommunikation" ist dem Lehrer und dem Pfarrer unter
ihren verschiedenen Voraussetzungen aufgetragen. Die Identitätsdarstellung
geschieht sehr unterschiedlich, weil es für den Religionslehrer
keine bestimmten Identifikationsmuster gibt. Bei diesen
Problemen wie übrigens auch bei der Beachtung des in der Theorie oft
unbeachteten Disziplinproblcms ist der historische Abstand zu
Luther deutlich.

Der zweite religionspädagogische Aufsatz behandelt „Erziehung bei
Luther- Luthers Bedeutung für die Erziehung" (47-70). Erziehung ist
bei Luther erstens als Analogon für Gottes Verhältnis zum Menschen,
zweitens als gutes Werk und drittens im Horizont der Zwei-Rciche-
Lehre bedeutsam. Die pädagogische Relevanz Luthers lür die Gegenwart
sieht Preul im Hinweis auf die Genzen der Erziehung, im theologischen
Beitrag zur pädagogischen Anthropologie (besonders unter
dem Aspekt des sola gratia. das zur Liebe und zum guten Werk befreit)
und im Gesellschaftsbezug der Erziehung.

„Die Bedeutung des GewissensbegrilTs für die Seelsorge" (71-83)
erläutert Preul von seinem Verständnis des Gewissens als „Spezialfall
des Selbstbewußtseins" her, das keine inhaltlichen Maßstäbe impli-
ziert. Seelsorge ist Teilnahme an dem im Gewissen geschehenden
inneren Dialog. Die Verbindung zu Luther wird hier schwer erkennbar
, zumal der für Luther so wichtige Begriff der consolatio nicht
aufgenommen wird. Der Abstand zu Luther zeigt sich am gravierendsten
in der Schwierigkeit, die für den Reformator zentrale Bedeutung
der Vergebung in der Relation Gott-Mensch positiv zu würdigen.

Das umfangreichste und m. E. wichtigste Kapitel ist das homiletische
: „Deskriptiv predigen! Predigt als Vergegenwärtigung erlebter
Wirklichkeit" (84-112). Die Predigt soll „erlebte Wirklichkeit und
Vollzug des Glaubens beschreibend" vergegenwärtigen. Mit Luther
fordert Preul unter Abgrenzung von einigen Untugenden gegenwärtiger
Predigt ein ausgewogenes Verhältnis von begrifflicher und
anschaulicher Rede. Bei aller Bedeutung des Argumenticrens ist
eigentliches Ziel der Predigt nicht das kritische Bewußtsein, sondern
die Vermittlung tragfähigen Lebenssinnes. Wichtige Hinweise gibt
Preul unter rhetorischem Aspekt, z. B. zum Verhältnis von Denken,
Affekten und Phantasie und zu den Assoziationen, wobei er das Verständnis
der Predigt als „offenes Kunstwerk" kritisch würdigt.

„Was ist ein lutherischer Gottesdienst?", wird im letzten Teil
gefragt. Lutherisch ist ein Gottesdienst, „der den Grundlinien der
Theologie Luthers entspricht" und damit vier Kriterien erfüllt: Freiheit
in der äußeren Gestaltung, Verstehbarkeit, Öffentlichkeit im
Gegensatz zu konventikelhafter Abgeschlossenheit und eine erfahrungsgesättigte
, symbolkräftige, von biblischer Plastizität und Sinnlichkeit
erfüllte Sprache, die inhaltlich vom Rechtfertigungsglauben
geprägt ist. Als Beispiel soll eine beigefügte Predigt über Rom 13,8-14
dienen.

Das Buch führt erneut den Nachweis, daß es sich praktisch-theologisch
lohnt, Impulse Luthers aufzunehmen, ohne die Unterschiede
zwischen damals und heute zu übersehen. Eingangs zitiert Preul
Obcrmans kuriose Frage, auf welchen Lehrstuhl man Luther heute
berufen könnte. „Oberman vermutet, daß Luther kaum eine Chance
hätte, einen Ruf nach Halle-Wittenberg, Heidelberg oder Marburg zu
erhalten - sicher zu Recht" (I). In Halle, Leipzig, Rostock und den
anderen Stätten theologischer Forschung und Lehre in unserem Land
wird jedenfalls Luther für aktuell gehalten, und nicht nur im Zusammenhang
mit dem Jubiläum 1983 wurde unter Bezug auf Luther viel
über seine Bedeutung für kirchliches Handeln heute publiziert. Nichts
ist davon im vorliegenden Buch erwähnt. Diese Fehlanzeige ist schw e-
rer zu verkraften als der scherzhafte Anachronismus Obcrmans.

Halle (Saale) Eberhard Winkler

Zulehner, Paul M.: Pastoraltheologie. 1: Fundamcntal-Pastoral.
Unter Mitarb. von J. Haas, A. Heller, M. K. Widl, u. R. Stadler.
Düsseldorf: Patmos 1989. 335 S. 8 Pp. DM 49,80.

„Pastoraltheologie analysiert die Praxis der christlichen Kirche(n)
inmitten der Gesellschaft, ja in der einen Menschheit" (II). Auf der
Basis dieser Definition entwickelt der Wiener Pastoralthcologc P. M.
Zulehner die Fundamente einer praktisch-theologischen Handlungstheorie
, die zugleich „kritische Auseinandersetzung mit der stattfindenden
Praxis" sein will, aber auch „erste modcllhafte Aussichten auf
eine weiterentwickelte, künftige Praxis" bereitstellen möchte (38).

Das Leitmotiv des Buches kündigt eine Aussage des Athanasius an:
„Wir dienen nicht dem Kairos, sondern dem Kyrios". Zulehner will
den Satz unter Berufung auf das neutestamentlichc Zeitverständnis
modifizieren: „Dient dem Kyriosim Kairos!" (14). Dementsprechend
hat seine „Fundamentalpastoral" nach den Zielen, den Situationen
und den notwendigen Veränderungen, die sich aus der Synopse von
Zielen und Situationen ergeben, zu fragen. Die drei Hauptteile des
Bandes sind der „Kriteriologie" (49IT), der „Kairologie" (I40IT) und
der „Praxeologie" (247 IT) einer praktischen Theologie gewidmet.

Wie gewinnt man heutzutage Kriterien für die Analyse, Bewertung
und Neugestaltung der kirchlichen Praxis? Zulehner macht da/u
einen bemerkenswerten Vorschlag. Zunächst unterscheidet er im
Rückgriff auf die Organisationssoziologic zwischen den Haupt- und
den Nebenzielen einer Institution, wobei erden kirchlichen Auftrag
zunächst ganz dogmatisch, ja katechismusartig bestimmt. Kirche
leistet „Hcils-Dienst, Dienst am Heil der Welt. Sie ist Sakrament des