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Ausgabe:

1990

Spalte:

295-297

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Polk, David Patrick

Titel/Untertitel:

On the way to God 1990

Rezensent:

Wenz, Gunther

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 4

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290 gegen die Weltseelenlehre M. T. Varros zu bedenken, daß
nämlich mit einer solchen Auffassung das Gegenüber von Schöpfer
und Welt nicht mehr durchgehalten und statt dessen einer Form von
Pantheismus das Wort geredet würde. Griffin diskutiert diese Konsequenz
nicht.

J. Holland sieht die postmoderne Theologie aus einem völlig
anderen Blickwinkel. Er geht von menschheitlichen Entwicklungsstufen
aus. In einem ersten Aufsatz beschreibt er drei Paradigmen
(S. 12ff): das klassisch-hierarchische, das mcchanistisch-liberali-
stische und das postmodern-kreative. In einem zweiten Aufsatz des
Bandes verwendet er ein erweitertes Schema von vier Perioden (stages)
(S. 98fl): das urzeitliche, klassische, moderne und postmoderne. Trotz
der Schwankungen in der Periodenbeschreibung macht Holland das
Erstarken bisher verdrängter naturalistischer, spiritueller und solidarischer
Lebensinhalte plausibel. Wenn er jedoch die Lehre Papst Joh.
Pauls II. als Paradebeispiel postmoderner Theologie hinstellt
(S. 111 f), so wirkt das gekünstelt, zumal der Papst das Prädikat,,postmodern
" selber nie für sich beansprucht.

Andere postmodernc Entwürfe werden von den Autoren vorgestellt
, wie die von M. A. Taylor (S. 29ff), J.-F. Lyotard (S. 6311).
H.Cox(S. 81 ff) und C.West (S. 129ffund 149 ff), aber teils als „elimi-
nativ" bis nihilistisch (Taylor), teils als zu wenig ganzheitlich
(Lyotard), als zu liberalistisch (Cox) oder relativistisch (West) distanziert
. Die Kritik an Taylor, Cox und West läuft darauf hinaus, sie
seien noch zu sehr der Modernität verhaftet.

In der Kritik der Modernität als solcher liegt, aufs Ganze gesehen,
die interessanteste Leistung des Bandes. Moderne Theologie wollte
unter folgenden neuzeitlichen Leitsätzen eine Interpretation ihrer
Inhalte liefern: Die Natur sei aus empirisch-szientistischcr Sicht
erklärbar. Metaphysik sei überholt, und wenn, dann nur aus dem
cartesianisch verstandenen Subjekt zu entwickeln, der Mensch könne
seine Welt mit Hilfe der Naturwissenschaft beherrschen, und mit dem
Fortschreiten der Aufklärung werde sich ein humanes Zusammenleben
von Individuen, Gesellschaftsklassen und Völkern von selber
einstellen. Da diese und andere moderne Prinzipien immer mehr an
Überzeugungskraft verlieren, besinnt sich die Theologie darauf, daß
,,moderne" Theologie zu sein auch eine Einschränkung bedeutet.
Postmodeme Theologie beginnt mit dem Entschluß, angesichts dieser
Situation nicht einfach in die Vormoderne zurückzukehren.

Wien MaxJ.Suda

Systematische Theologie: Dogmatik

Polk, David P.: On the VVay to God. An Exploration into the Theolo-
gy of Wolfhart Pannenberg. Lanham, MD: University Press of
America 1989. XIV, 335 S. gr.8 geb. $ 28.25.

Bereits im Vorwort des ersten Bandes seiner „Systematischen Theologie
" hat W. Pannenberg bekundet, er werde den „Stoff der Dogmatik
.. . in allen seinen Teilen als Entfaltung des christlichen Gottesgedankens
" vortragen (W. Pannenberg, Systematische Theologie,
Band 1, Göttingen 1988, 7). Der Titel des Werkes sei daher buchstäblich
und nicht als bloße Umschreibung des inkriminierten Begriffs
„Dogmatik" zu verstehen. Unbeschadet ihrer Fülle sind die Christlichen
Themenbestände nach Pannenberg nämlich nur dann als theologische
wahrgenommen, wenn Gott als ihr einheitlicher Bezugspunkt
und ihre organisierende Mitte erscheint. „Dogmatik als Darstellung
der christlichen Lehre muß also systematische Theologie
sein, nämlich systematische Lehre von Gott und sonst nichts."
(a. a. O..70)

Angesichts dieser dezidierten Programmatik gewinnt der Versuch
P.s, das bisherige Werk Pannenbergs unter Konzentration auf die
Gotteslehre darzustellen, an aktuellem Reiz. Zwar lag P. der 1988
publizierte erste Teil der Pannenbergschcn Summe, dem zwei weitere

folgen sollen, noch nicht vor. Gleichwohl begegnen die wichtigsten
der dort verhandelten Themen auch bei ihm, wobei eine betont
eschatologische Orientierung für die gesamte Darstellung bestimmend
ist: "For Pannenberg maintains that a viable Christian doctrine of
God can only be developed out of a mode of thinking that is fully and
firmly rooted in a thoroughgoingeschatological perspective."(5)

Nach kurzen einführenden Bemerkungen zu dessen akademischem Entwicklungsgang
(8-19) untersucht P. zunächst Pannenbergs Verhältnisbestimmung
von Philosophie und Theologie bzw. Vernunft und Glaube ("Theology as truc
Philosophy": 21-57). Eine Analyse konstitutiver Bestandteile des universal-
geschichtlichen Konzepts ("Meaning. History and the Futurc": 59-91) sowie
der Anthropologie ("Human Questioning toward God": 93-125) schließt sich
an. Es folgen Erwägungen zum Alten Testament ("Revelation and the Old
Testament": 127-149). zur apokalyptischen Tradition ("The Tradition of
Apocalyptic": 151-182) sowie zu Geschichte und Person Jesu Christi
("Jesus": 183-244). Die Studie endet mit einem alle bisherigen Aspekte integrierenden
Kapitel zur Lehre von Gott als der alles bestimmenden Macht der
Zukunft ("God the Power of the Future": 245-315).

Versucht man eine Gesamtcharakleristik von P.s Dissertation, so läßt sich
mit John B. Cobb, Jr„ der sie betreut und ihrer publizierten Version ein
"Forcword" (Xlt) vorangestellt hat. folgendes sagen: "Polk's initial intentions
were primarily to expound the coherence of Pannenbcrg's Systems and display
its adequaey forour time. Much of the book Functions primarily in that way.
Ncvertheless. he eame in the end to dissatisläetion with Pannenbcrg's idea that
everything is determinded by the power of the future. Whcreas Pannenberg linds
that compatible with the Biblical understanding of human freedom and
responsibility, Polk found it unsatisfactory. Hence. in the end, he parts Company
and cxplains the dissatisläetion he fcels with this central featureof Pannenbcrg
's System." (XII: vgl. auch 7) Im einzelnen bezieht sich die Kritik P.s auf
folgende Punkte: "Fundamental tensions in the doctrine of divinc casuality . ■ ■
Related tensions in the interpretation of divine cternality and temporality . • •
The ontologically unsustained thesis of the eschatologieal futurity of God's
essential being . . . The inadequate conceptualizing of a final telos of becoming
and meaning . . . The insullicicncy of the theodicy of eschatologieal reeoncilia-
tion."(286ff)

Nachdem er die diesbezüglichen kritischen Einwände bereits in den jeweiligen
Endabschnitten der einzelnen Kapitel seiner Untersuchung entfaltet hatte
(45ff; 76fT; 109fr: 140; 168fT; 2l5ff), faßt er sie abschließend unter vier
Gesichtspunkten zusammen: "(I) Thcre remains a drastically underdeveloped
ontology of the future which is strongly called for by a eonceptual scheute that
leaves too much unexplored and unclarilicd. (2) There remains in Pannenbcrg's
approach to the understanding of God's self-disclosurc in history a residue ol
insulTieicntly reconstrueted philosophical coneepts. particularly concerning the
naturc of power and the changelessness of the Absolute, but also including the
Hcgclian insistence on an ultimat resolution ofhistorical ambiguity. which have
not been thoroughly penetrated by the revclatory data at hand. (3) The fateful
championing of pereeived featurcs in the apocalyptic tradition, regarded as
csscntially substantiated in Jesus' message and resurrection. opens the door for
Pannenberg to an uncritical appropriation of apocalyptic's läilurc of nerve concerning
the uncertainty of the future. namely. in endorsing the presupposition
there that history's ultimatc future is actually already fully decided but mercly
hidden from present view. and that history will ncccssarily eome to a final
eschatologieal end. (4) The thesis that the truth of God is cspccially desccrniblc
in the way God is disclosed by Jesus of Nazareth has not been substantively
developed in the direclion ofallowing all onc's notions of deity to bc critically
revised by their exposure to that illuminating and transforming mediator of
radically good news."(294)

Ob diese Einwände zutreffen oder nicht, mag jeder unter Berücksichtigung
des bislang vorliegenden ersten, der Gotteslehre im engeren
Sinn gewidmeten Teils der Panncnbcrgschen „Systematischen Theologie
" selbst beurteilen. Dabei kann u. a. die Kenntnis der Argumente
von Nutzen sein, die zwischen Pannenberg und Eberhard Jüngcl bald
nach Erscheinen des Bandes zur Sache ausgetauscht wurden (vgl-
ZThK 86, 1989,204-235 bzw. 355-370). Noch wichtiger indes dürfte
es ein, sich ein möglichst differenziertes Bild von der geistcsgcschicht-
lichen Stellung Pannenbergs zu verschaffen, insbesondere was sein
Verhältnis zur Theologie und Philosophie des 19. Jahrhunderts und
ihrer durch die Dialektische Theologie, aber keineswegs nur'durch sie
ratifizierten Krise betrifft. Daran nämlich hat sich nicht zuletzt auch
das Urteil über die Angemessenheit der Interpretationsperspektive zu
entscheiden, die P.s Analyse bestimmt und die von seinem Lehrer