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Ausgabe:

1990

Spalte:

268

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Derrett, John Duncan M.

Titel/Untertitel:

The ascetic discourse 1990

Rezensent:

Schnelle, Udo

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Seite 1

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267

Theologische Literaturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 4

268

Unter dem Thema „Wort und Tat" (S. 3ff) stellt Vf. denn auch eine
Charakterisierung des Judentums an den Anfang seines Buches, die
Judentum als eine „praktische Religion" verstehen lehren will, als
„Harmonie zwischen einer Vision und ihrer Verwirklichung" - die
Halakha verbindet „Wort und Praxis im prosaischen täglichen Leben
untrennbar miteinander". Wie diese Verbindung von Wort und Tat
im täglichen Leben in concreto aussieht - und Vf. fugt ausdrücklich
hinzu, daß „nicht alle Aspekte jüdischen Lebens berücksichtigt
werden konnten", sondern nur jene, „die das tägliche Leben jedes
Menschen berühren" -, das beschreibt Vf. in seinem Buch, indem er
dem Tagesablauf und dem Lauf des Kalenders des religiösen Juden
entlanggeht.

Das Buch beginnt bei den Gebeten und Segenssprüchen, die einen
jeden Wochentag vom Aufstehen am Morgen bis zum Schlafengehen
am Abend begleiten (S. 7-54). Dabei werden hier - wie im folgenden
allenthalben auch - nicht nur die Inhalte und ihre Bedeutungen erläutert
, sondern immer auch das Warum eines Gebetes, eines Segensspruches
und vor allem das Wie seiner Rezitation (z. B. wann und wie
der Tallit getragen, wann und wie die Tefillin angelegt werden u. dgl.
m.). Dann wendet sich Vf. den mit Essen und Trinken verbundenen
religiösen Pflichten zu, den Segensprüchen bei Tisch, der Kashrut
(S. 55-89), bis hin zu den nach der Bibel nur im Israellande zu befolgenden
Geboten (Darbringung der Erstlingsfrucht u. ä.) (S. 90-111).
Im nächsten Kapitel geht es um den Sabbat (S. 112-157), seine
Bedeutung als „Gedenken der Schöpfung der Welt", über die Liturgie
der Gottesdienste an Erev Shabbat und Shabbat bis hin zu Brauchtum
und den Vorschriften, die am Sabbat zu beachten sind. Anschließend
geleitet Vf. den Leser durchs jüdische Jahr (S. 158-297), dabei den
Daten der Fest- und Fasttage in der Folge des Kalenders folgend,
beginnend - nach dem Neumond/Monatsanfang, mit Rosh ha-Shana,
den Hohen Feiertagen, Jörn Kippur-das ganze Jahr hindurch bis zum
Freudentag des 15. Av, an dem die seelische Vorbereitung auf das
neue Jahr beginnt. Aufgenommen hat Vf. in die Schilderung des
Jahreszyklus auch den Jörn ha-Shoa am 27. Nissan (S. 269), den

4. Ijjarals den Gedenktag an die in Israels Kriegen Gefallenen und den

5. ljjar, den Jörn ha-Atsma'ut (Unabhängigkeitstag Israels)
(S. 277-279). Das letzte Kapitel schildert die mit Familienereignissen
verbundenen religiösen Pflichten (S. 298-358), als da sind die Feier
der Geburt und Beschneidung, der Bar/Bat Mitswa, der Eheschließung
und die für die Familie geltenden Reinigungsvorschriften, der
Beerdigung und Trauerzeit.

Wie oben erwähnt, wollte Vf. nicht mehr mit seinem Buch als „kurz
die wichtigsten halachischen Grundsätze" aufzurühren, „die für jede
Stunde des Tages und für jeden Tag des Jahres gelten". Daß damit
keine allumfassende Beschreibung des jüdischen Lebens gegeben ist,
betont Vf. noch einmal expressis verbis am Schluß, wo er auch die
wichtigsten der vielen Themen nennt, die er in diesem Rahmen nicht
behandeln konnte, angefangen von den ethischen Normen im Umgang
mit den Mitmenschen, über das Personalrecht bis hin zu den
Problemen, die unsere Gegenwart mit besonderem Nachdruck aufwirft
, etwa im Bereich der medizinischen Ethik u. dgl. m. (S. 358).

Das Buch ist eine hilfreiche Lektüre, bestens geeignet, eine religiöse
Praxis kennenzulernen, die hierzulande zu erleben infolge unserer
Geschichte, jedenfalls in der hier geschilderten Form, nicht (mehr)
möglich ist. Hier wird nicht über etwas gesprochen, Vf. schildert
gleichsam von innen her. Eine Selbstdarstellung jüdischen Lebens
wird hier geboten, wie sie authentischer nicht sein kann, eine Selbstdarstellung
zudem, die auf souveräner Kenntnis und intimer Vertrautheit
mit den Quellen der eigenen Religion basiert. Viel einfacher
ist es, das Buch wieder und wieder zu lesen, als einmal über es zu
schreiben; vom (Be-)Urteilen ganz zu schweigen. Wie repräsentativ
die Schilderung des Vf. für das Leben allein der toratreucn Juden ist,
würde man sicher am Ende gerne erfahren. Der Buchtitel jedenfalls
läßt dies-erfreulicherweise, möchte man sagen - offen.

Berlin Stefan Schreiner

Neues Testament

Derrett, J. Duncan M.: The Ascetic Discourse. An Explanation of the
Sermon on the Mount. Eilsbrunn: Ko'amar 1989. II2S. gr. 8".
Kart. DM 24,60.

Die Grundthese dieses Buches wird auf der ersten Seile genannt: "It
is that the Sermon reflects an ascetical-mystical association within
Judaeo-Christianity evidencing the continuous impulse of the Holy
Spirit, an emanation from Yahweh, agift to Israel." Der Vf. lokalisiert
das Matthäusevangelium in Syrien und sieht es in einen breiten Strom
asketischer Bewegungen innerhalb der jüdisch-hellenistischen Welt
eingebettet. Schon Jesu Botschaft enthielt mystische (Mt 10,39;
16,17; 25,28) und asketische Elemente (Mt 8,20; 10,37-38;
Mk 2,23-28; Lk 14.26), und Syrien war ein idealer Ort "foran ascetic
discourse". Unter Askese versteht der Vf. nicht Speisevorschriften
oder sexuelle Enthaltsamkeit, sondern "one who systematieally
tamed his impulses would be an .ascetic'" (S. 18). Die Bergpredigt ist
nun nichts anderes als ein Programm ethischer Vervollkommnung,
Asketen benutzten sie als "text-book". Durch ständige Praktizierung
der Regeln der Bergpredigt und durch die Beherrschung auch unwillkürlicher
Regungen war es möglich, zu den .Vollkommenen'
(Mt 5,48; 19,21) zu gehören. Unter diesen Voraussetzungen analysiert
und interpretiert der Vf. die einzelnen Abschnitte der Bergpredigt.
An den Auslegungstcil schließen sich ein wirkungsgeschichtlicher
Exkurs zum Bergpredigtverständnis Augustins und Überlegungen zu
den Hörern und der Praktikabilität der Bergpredigt an. Dabei geht der
Vf. davon aus, daß die Forderungen der Bergpredigt allen gelten und
als praktikabel gedacht waren.

Der Verdienst dieser Studie liegt darin, einen bisher vernachlässigten
Aspekt der Bergprcdigtauslegung in den Mittelpunkt gestellt zu
haben. Die ethischen Radikalismen der Bergpredigt haben zweifellos
eine Affinität zur Askese im oben beschriebenen Sinn und wurden
auch sehr früh so verstanden. Zudem kann der Vf. durch zahlreiche
Parallelen aus dem jüdischen, hellenistischen und buddhistischen
Bereich die Verbreitung religiös-aksetischen Denkens und Handelns
aufzeigen. Allerdings wird man die Intentionen der Bergpredigt nicht
auf diesen Aspekt beschränken können, zumal eine literar-, tnidi-
tions- und redaktionsgeschichtliche Analyse der Bergpredigt vom Vf.
nur in Ansätzen vorgenommen wird.

Erlangen Udo Schnelle

Okure, Teresa: The Johannine Approach to Mission. A Contcxlual
Study of John 4:1-42. Tübingen: Mohr 1988. XX, 342 S. gr. 8° =
WUNT, 2. Reihe, 31 .,Kart. DM 89,-.

Dieser gewichtige Beitrag zur Johannes-Exegese wurde 1984 an der
Fordham University als Dissertation angenommen. Die Vfn. lehrt
jetzt am Catholic Institute of West Africa in Port Harcourt, Nigeria.
Als doppeltes Ziel ihrer Untersuchung gibt sie an, "to highlight the
Evangelist's approach to mission and . . . to discoverthe actuaj living
Situation which could have forged his coneeption of mission" (192,
vgl. 285 sowie die ausführliche Auflistung der Fragen auf S. 36f). Sie
geht dabei so vor, daß sie "the Johannine data concerning his (sc. the
Evangelist's) notion of mission" beschreibt (285) und in Auseinandersetzung
mit der Literatur die Aufgabenstellung entfaltet (Kap. 1), daß
sie ihr methodisches Vorgehen reflektiert (Kap. 2), Joh 4 als "basic
text" untersucht (Kap. 3-5), diesen Text in den literarischen Kontext
des Evangeliums (Kap. 6) und in den sozialen Kontext des vom Evangelisten
anvisierten Publikums stellt (Kap. 7) und mit "Summary and
Conclusion" abschließt (Kap. 8).

In methodologischer Hinsicht erscheint mir die Arbeit als vorbildlich
. Immer wieder wird das weitere Vorgehen reflektiert. O. nennt es
"contcxtual study" und beschreibt es "as a method which combincs
rhetorical and literary analysis in the quest for theological meaning