Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1990

Spalte:

222-224

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Habermas und die Theologie 1990

Rezensent:

Pfüller, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

221

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 3

222

wenn auch Feiges Arbeit enger an Welte anschließt (und vieles dabei Arens, Edmund [Hg.]: Habermas und die Theologie. Beitrage zur

neu erschließt), während Lenz an wesentlichen Stellen Distanz übt. theologischen Rezeption, Diskussion und Kritik der Theorie kom-

i- , , , ■ ja,. i t" i . „i munikativen Handelns. Düsseldorf: Patmos 1989. 270 S. 8 . Kart.

Er geht dabei von der Aktualität des Transzendenzverlustes und DM3980

ihrer Wiederentdeckung aus (die C hance des Neuanfangs von 1945,

den Welte grundsätzlich bedachte, scheint mir freilich allzusehr an „Das Buch erscheint zum 60. Geburtstag von Jürgen Habermas. Es

den historischen Fakten vorbeizusehen, und dieses Unhistorische - will aufzeigen, was die Theologie seinen Reflexionen. Einsichten und

die unphänomenologische Gefahr der Phänomenologie, sit venia Anregungen verdankt." (Vorw.. 7) - Eine theologische Festgabe also

verbo-hat dann auch das Ausweichen vor wirklicher „Trauerarbeit" für einen augenscheinlich eher a-theologischen Denker, für einen

erleichtert) und versucht, von Welte her jenen Sachverhalt deutlich zu Philosophen, für den Religion und Theologie in seinem weitgespann-

machen. den Heidegger mit Hölderlin den „Fehl Gottes" genannt hat: ten (Euvre eine nur beiläufige Rolle spielen, ja der geneigt zu sein

die Abwesenheit Gottes, aber nicht als bloße Absenz, sondern als die scheint. Religion und Theologie gleichermaßen als mittlerweile obso-

noch anzueignende Anwesenheit. Wie die Unverfügbarkeit der let zu betrachten? Aber ja! Dokumentiert doch der zu besprechende

Geschichte, so eignet dem Nichts seine eigene Positivität, die freilich Band aufs beste, daß das Denken von J. Habermas (= H.) gerade im

(wie der Autor schon im Titel betont hat) des Mutes bedarf: der Blick auf die Theologie im besten Sinne als anstoßerregend sich erwie-

(ieduldaufdes Lebens Weg, der Gelassenheit, der immer wieder nöti- sen hat. Autoren aus verschiedenen Ländern (BRD. Kanada, USA),

Ben Aufgabe der Selbstbescheidung - jener eigentlichen Existenz- unterschiedlicher konfessioneller Herkunft und aus unterschiedhchen

«eise, die mit dem Meister Eckhart die „Abgeschiedenheit" genannt theologischen Disziplinen repräsentieren gewissermaßen die weitrei-

* ird (in der Heidegger den „Ort" der Dichtung Georg Trakls erblickt chende Wirkung, die H. vor allem in der deutschsprachigen sowie der

*t) und die mit dem „Nichts-werden" im Menschen wächst: .jene amerikanischen Theologie zu verzeichnen hat.

1 ""undhaltung ..., welche die begrifflich-verfugende Grundeinstel- In seiner kundigen Einführung „Theologie nach Habermas" (9-38)

ig und Weltwahrnehmung überwindet und in welcher der mensch- unterscheidet der Hg. vier Weisen der theologischen Rezeption bzw.

''che Geist ,rcine Stille', .reine Offenheit', .reine Empfänglichkeit' Reaktion auf H. Einer Ablehnung (I) steht geradezu konträr (2) ein

wird" (S. 201) - Weltes Aufsatz Meisler Eckhart als Arisloleliker wird theologisches Verständnis seines Ansatzes gegenüber: ferner (3) gibt es

h'er gegenwärtig. Zugleich macht der Vf. deutlich, wie Welte diesen den Versuch „einer Grundlegung der Theologie im Durchgang durch

Vorblick auf das Heil im Durchgang durch die Epoche einer gott- Habermas' Theorie" sowie schließlich (4) die mehr oder wemger

'ernen Zeit entfaltet wie überhaupt die Betonung des Wegcharaktcrs begrenzte Verwendung des von H. bereitgestellten gedanklichen In-

v°n großer Wichtigkeit ist strumentariums. (Vgl. 10. 18) Ich denke, diese Differenzierungen

Dieser. Weg bringt die Philosophie vor eine Grenze; doch ist nicht können auch behilflich sein, wenn wir uns einen kurzen Überblick

an eine Kluft (etwa im Sinne von Lessings „garstigem Graben") zu über den vorl. Band verschallen möchten.

denken, sondern an den von der Philosophie selbst nicht mehr (I) Hierher gehört am ehesten der Beitrag von P. Eicher. Die Bot-
begründbaren Cirund (oder Abgrund) als ihrer Quelle. Weltes kleine Schaft von der Versöhnung und d.e Theorie des kommunikativen
Schrift Vom Geist de, Christentums rückt hier vor Augen, die im Aus- Handelns (199-223). Von der (m. E. allzu hohen) Warte einer Theo-
Sang von Galater 5 22 die eigentümliche Lebensweise derer, die vom logie des Wortes Gottes her erscheint H.' Konzept verstand.gungs-
Evangelium zur Wahrheit befreit wurden, bedenkt. Allein von dieser orientierter, unverzerrter Kommunikation als zum Scheitern Verhandlung
her erweist sich die Besorgnis des Vf.. Welte könnte bei urteiltes „Gesetz", dem das Evangelium von der Versöhnung gegen-
ejner leeren Transzendenz stehenbleiben (vgl. S. 215) oder (mit Eck- übersteht. „Da wir einander nicht zur Freiheit erlosen können.
h!>rt) der Gefahr des Pantheismus nicht ganz entgehen (S. 221. erreicht das kommunikative Handeln nicht, was es will und was es
Anm. 69), als unhaltbar, es sei denn, man isoliert bestimmte Aussagen soll. Es führt deshalb wohl zur Verurteilung anderer und zur Ver-
,was Lenz nicht vorzuwerfen ist) zweiflung des Selbst, aber nicht zur wirklichen Befreiung. ... D.e
Der Autor macht auch deutlich, wie nicht nur Heidegger, sondern kommunikativ Handelnden werden aneinander schuldig. Wenn
derspätereherindenHintergrundgerücktcJaspersfiirWeltewichtige Befreiung wirklich werden soll, dann muß die Freiheit selbst Itl
Gesprächspartner waren und blieben. Daß aber dieser mit Heidegger unseren Verblendungszusammcnhang emtreten und uns durch ihr
den „Schritt vom Seienden zum Sein selbst" (S. 311) in promethe- handelndes Wort versöhnen." (220)

,se"er Absicht getan hätte (wie Lenz mit Ogiermann meint), isudie (2) Erscheint H. den Ausführungen E>chers zufolge als Ant.pode der

Instruktion eines Rückfalls in die Metaphysik der Subjektivität, die Theologie, so betrachtet ihn R. J. S.eber. demgegenüber nachgerade

n,cht nachvollziehbar ist. Ebenso bleiben bei der kritischen Ausein- als latenten Theologen (Kommunikatives Hände n und Transzen-

^dersetzung von Lenz mit der Mctaphysik-Kritik der beiden Ge- denz: Gerechtigkeit. Liebe und Versöhnung. 65-95). n eher aphon-

""nnten Fragen ollen, wobei vor allem zu bedenken wäre, inwieweit s.isch-essayistischer Weise unternimmt er es, H. .n d.e s. E. bereits

Überhaupt die Voraussetzungen personal-geschichtlichen Existierens von den Vätern der kritischen Theorie - Adorno. Benjamin. Hork-

Von der traditionellen Metaphysik der Substanz her eingebracht heimer - repräsentierte Traditionslime emer Art athenischer Theo-

Werden können (zumal der Autor die Unverfügbarkeit des Personalen logie hineinzustellen. „Habermas hat einmal zugegeben, fallser Theo-

n(*h entschiedener als bei Welte gewahrt sehen möchte, vgl. löge werden würde, dann würde crem kritischer Politischer Theologe.

S. 157) Es gibt wirklich keinen guten Grund, weshalb Habermas wie Benja-

Eine' Würdigung dieser beiden umfangreichen Schriften, die ins min ... oder wie Adorno und Horkheimer . nicht einen Beitrag zur

De'aH ginge, i« hier nicht zu leisten. Daß beide, vor allem Ingeborg Rettung der Theologie liefern sollte durch ihre Aufhebung «jene

auf Unveröffentlichte, eingehen, erweitert die Kenntnis von Aufklärung, deren höchster Wer. die Souverän, at des Menschen ,n

Heltes Werk und läßt eine Belebung der Auseinandersetzung mit die- unversehrter .ntersubjckt.v.ta. und lntcn.kt.on -st. (94

bedeutenden und stets eigentümlichen Denker erhoffen. Und eine (3) Scheint S.ebert somit das H.sche Ideal ,m Smneem«^krituchen

*ei<ere Hoffnung verbinde, rieh damit: daß zummdes. einzelne der Politischen Theologie au nehmen zu wo len. so ^H.Peuk^

Nachlaß gehilten Schuften in absehbarer Zeit publiziert werden Ähnliches in grundlegender We.se bereits 197im *™m Buch

*ö*n. Denn m„ der Beachtung des Wegcharakters allen geschieht- „Wissenschaftstheone 'S^g^T^^ ™

'^en Denkens wie mit dem unlx-.rrten Vorbl.ck auf das mögl.che je" V^In^^^"^S^"^tS

^ ha, Bernhard Welte entscheidende Anstöße für e.n Bedenken der Mach.ste.gerung und d.e unvollendete ^^ufkWrangund

gegeben, w.e anges.ch.s der heutigen W.rkl.chkei, und in voller Theologie" (39-64 reformier, Peuker nach,»TM - -

^tnahme.hrchnstlcherGlaubemöglichsei. toten««*«« 'f^^^^T^^

Wien Hclmuih Vetter Rekonstruktion durch H. .. w. seinen Ansatz emer theologischen