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Ausgabe:

1990

Spalte:

218-219

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Rieger, Reinhold

Titel/Untertitel:

Interpretation und Wissen 1990

Rezensent:

Peiter, Hermann

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Litcraturzeitung I 1 5. Jahrgang 1990 Nr. 3

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Scheinungsort. - M. E. darf man unter Aretas III. (auf Münzen „Phil- Volkes aus der Wüste interdisziplinäre Zusammenarbeit in verstärk-
hellen") doch mit einem stärkeren Einfluß hellenistischen Gedanken- tem Maße unerläßlich ist. Es drängen sich dabei verschiedene
guts und entsprechender Bauformen in der Hauptstadt rechnen. So- komplexe Fragestellungen auf, von denen hier einige genannt seien:
^•nn ist anzufragen, ob die einfache Form der Zinnengräber nicht be- Aufbau und Funktionsweise des Karawanenstaates; das Verhältnis
re'ts schon für das Ende des 2. Jh. v. Chr. in Petra anzunehmen ist (zu- Petra und Hegra; Handwerk und landwirtschaftliche Produktion;
mal wenn die Khazne sehr früh datiert wird). - Um die Fülle des Ma- wirtschaftliche Aspekte und Geldwesen; Organisation des Karawa-
wnals in diesem Band noch mehr aufzuschließen, sollte der Autor ein nenhandels und Verhältnis zu den Nachbarn, ethnische Zusammen-
Register mit Personcnnamen einfügen. In einem Ortsregister könnte Setzung, Gottesvorstellungen wie religiöses Leben überhaupt, Einfluß
^an schnell die Bemerkungen über die Straßen dieses Handelsvolkes der hellenistischen Kunst, gerade auch bei plastischen Darstellen
. ' lungen.

Der Autor will mit diesem Band keinen kulturgeschichtlichen Ab- „ , „ ... ,.

rjn • . ° Berlin Karl Matthiac
aer Nabatäer geben (deren Welt ohnehin nur im Zusammenhang

m" dem orientalisch-arabischen und dem hellenistisch-römischen

Kulturkreis zu erfassen ist). Er hat mit diesem Bestandskatalog aber PhÜOSOphie, ReMgionSphÜOSOphie

e,n Nachschlagewerk geschaffen, das über viele Fragen zum Thema
Nabatäer genaue Auskunft gibt und deshalb für die künftige Be-

Schäft;c,.,„„ u^„i t. if i, _i r> r ■ j- . i Riemer, Reinhold: Interpretation und Wissen. Zur philosophischen

^"'iitigung mit der Geschichte. Kultur und Religion dieses antiken J■ '.. r .,,.,_...,„, ,p.

HanH,.i,. ii ■••n,- , ■ Begründung der Hermeneutik bei Friedrich Schleiermacher und

■onaeisvolkes unerläßlich ist. . _7_ r. .... ._„. . _., .... , ,

pj ihrem geschichtlichen Hintergrund. Berlin (West)-New York: de

«nen ganz anderen Charakter trägt der von M. Lindner heraus- Gruyter ,988 ,x 36, s gr g. = Schlcicrmacher-Archiv. 6. geb.

o gebene Band, in dem vor allem die Geschichte und Kultur der DM 105,-.
"^etropole des nabatäischen Reiches entfaltet wird. Die bekannten

^chäologischen Denkmäler Petras und die neuen Entdeckungen in R. spannt einen weiten Bogen. Erstellt den semiotischen Rationa-

Ul Petra-Region, die laufend in die veränderten Auflagen des Buches lismus (Leibniz, Wölfl', Baumgarten. Lambert, Meier), den se-

^'nbezogen wurden, sind hierbei allgemeinverständlich dargelegt und miotischen Realismus (Hamann, Herder, Jean Paul Friedrich Rich-

tu'ch Landkarten sowie zahlreiche Fotos veranschaulicht. Ihre Er- ter) und den semiotischen Idealismus (Friedrich Schlegel, Novalis)

gebnisse sind natürlich auch in dem Werk von R. Wenning festgehal- dar. Damit füllt er die Seiten 5-220. So schiebt sich das, was der

terl' Hintergrund sein sollte, in den Vordergrund. Für die Darstellung

Mit Überblicken über die Geschichte Nabatäas (M. Lindner) und Schleicrmachers bleiben die S. 221 -340; auf Schleiermachers Hermese
Landschaft und Pflanzenwelt der Umgebung Petras (I. Künne und neutik kommt R. erst auf S. 300 zu sprechen. An Schleiermacher (im

• Wanke) wird der Lebensraum dieses antiken Handelsvolkcs um- folgenden = S.) interessieren R. die Theorie der Subjektivität, die

Ssfn> ergänzt durch Beitrüge über die Nabatäer im Negev (M. Eve- Philosophie des Endlichen, die Dialektik als Theorie des endlichen

ndr0 und die wichtigsten Drogen, die von ihnen auf der Weihrauch- Wissens, das Verhältnis von Hermeneutik und Dialektik sowie die

straße transportiert wurden (K. Gaucklcr). Ausführlich sind die zahl- Theorie und Methode des Verstehens.

Jüchen archäologischen Denkmäler in und um Petra auch durch R. ordnet S.s Hermeutik der Ethik zu. Aufdie Frage, ob die Herme-

.^otos vorgestellt; skizziert ist die Erforschung der antiken Stadt seit neutik ihren Ort auch in der theologischen Ethik hat. geht R. nicht

rer Wiederentdeckung durch J. L. Burckhardt (M. Lindner); hinzu ein. Dieselbe ist für S. ein Bestandteil der dogmatischen Theologie

rctcn Überblicke über die Ausgrabungen in Petra seit 1929 (J. P. Pfarr (Kurze Darstellung [= KD] § 223-231). Die Hermeneutik ist das nicht.

Und M. M. Khadiji). Deren Abhängigkeit von der Dogmatik darf man nicht zugeben

^Urn Thema Kultur und Religion finden sich gleichfalls über- (Enzyklopädie, Nachschrift Strauß [= Enz.], S. 202). Die Kunstlehre

Reifende Beiträge mit Inschriften und Zitaten, die durch Literatur- der Auslegung gehört nicht zur dogmatischen, sondern zur exege-

!*n8abcn verifiziert werden. In einem Überblick werden, frühere Aus- tischen Theologie und ist deren eigentlicher Mittelpunkt (KD

'ungen aufnehmend, die verschiedenen Typen der Felsarchitektur § 138).

^ eneinandergestellt und dabei der Herkunft der verwendeten Theologie und Philosophie hängen enger zusammen, als daß die

2°llVe und der Herausbildung von Stilformen nachgegangen (F. Enzyklopädie und die neutestamentliche Spezialhcrmeneutik in einer

aVadine). - Beim Blick auf das Pantheon (F. Zayadine) sind die Arbeit über Schleiermachers Hermeneutik hätten unberücksichtigt

Senschaften der wichtigsten Gottheiten kurz geschildert. Der" Leser bleiben dürfen. Freilich läßt R. sich auch von einem theologischen

^w,rint hier jedoch nur schwer einen Überblick, da Konfrontationen Interesse leiten. Seitenweise geht er auf die Glaubenslehre ein. Es ist

?" religiöscn Vorstellungen aus anderen Kulturkreisen im Lauf der aller Ehren wert, wenn er behauptet, das Wort „Gott" sei das erste

, c" Wandlungen mit sich brachten (etwa die Identifizierung mit Wort der Sprache überhaupt (S. 230). Keine hermeneutische Glanz-

Wistischen und römischen Göttern). - Dem instruktiven Beitrag leistung ist indessen die Erläuterung: „Der Gehalt des ersten Wortes

ty.Cr d'e Verbreitung, Typologie und Chronologie der bemalten naba- ist einerseits Offenbarung, andererseits Erfindung. Offenbarung ist das

,sehcn Keramik schließt sich eine spezielle Untersuchung an. in der Wort Gott, weil es dem Subjekt seinen transzendenten Grund gegen-

^ehaulich die Entwicklung eines bestimmten Motivs (Granatapfel) ständlich vermittelt. Erfindung hingegen, weil die dem Wort Gott ent-

^ ^malten Schalen und Tellern vorgeführt wird (K. Schmitt- sprechende Vorstellung ein Produkt der Einbildungskraft des Sub-

^°rte). _ Das wjc|„jgc Thema Wasserversorgung kommt anhand jekts ist." (S. 231) R. ist entgangen, daß das. was S. unter dem

sner kilometerlangcn Wasserleitung, die selbst Aqädukte besaß, zur frommen Gefühl versteht, gar nicht von der Vorstellung ausgeht.

Wfcche (E. Gunsam). sondern die ursprüngliche Aussage ist über ein unmittelbares Exislen-

U ln dem Band begegnen weitere Beiträge, in denen archäologische tialvcrhältnis (1. Sendschreiben an Lücke, S. 265).

aufnahmen von einzelnen Stätten und Wegen der Petra- In einem unmittelbaren Existentialvcrhältnis heißt das erste Wort

^egion erfolgen. Sie stammen zumeist von M. Lindner. der - von nicht „Gott" (auch Joh 1.1 ist nicht zu übersetzten mit „Im Anfang

jnausaus kein Archäologe - eine ganze Reihe wichtiger Entdeckungen war Gott"), sondern „Ja". Damit wird Gott nicht aufden zweiten Rang

dieser Ciegcnd (z. T. in einem weiteren Band über Petra vor- verwiesen. Es ist Gott, der das erste Wort spricht. Kein Mensch würde

5Clragcn) verzeichnen kann. begreifen, was Gott meint, wenn Gott „Gott" sagt. Was der Mensch

Anhand der verschiedenen Texte, die natürlich nicht alle Aspekte verstehen kann, ist das „Ja", das Gott ihm zuspricht. (Dank dieses
'nernatischen Übersichten behandeln konnten (z. B. Münzprägun- vorausgegangenen göttlichen „Ja" kann der Mensch dann auch ver-
'"schritten), wird deutlich, wie bei der weiteren Erforschung des stehen, warum Ciott ihn verneint.) Dementsprechend ist ein „Ja" auch