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Ausgabe:

1990

Spalte:

210-212

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Historische Kritik und biblischer Kanon in der deutschen Aufklärung 1990

Rezensent:

Sommer, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 3

210

Peter Mathys und Andreas Moser) sowie Band II (Samuel Lutz und (195-212), und S. Lutz wendet sich generell dem „Problem der
Bruno Benz) ist deshalb nicht einfach möglich, weil die Einzelstücke Ethik" im Berner Synodus zu (248-259). G. W. Locher untersucht die
•n Wert und Länge doch recht unterschiedlich sind und eine große Sakramentslehre (219-234), wobei er entgegen manchen literarischen
Zahl sachlicher Wiederholungen bis zu Dittographien aufweisen. Äußerungen anderer Forscher die Aussagen zum Abendmahlsver-
Thema- und ergebnisbezogen sind die Beiträge offenbar nicht in ständnis als charakteristisch reformiert einschätzt,
jedem Falle aufeinander abgestimmt worden. Über die Rolle Capitos Ganze theologische Disziplinen werden im Synodus mit festen Vor-
beim Entstehen des Berner Synods von 1532 wird beispielsweise Stellungen versehen, so die Homiletik (S.Lutz, 235-247) und die
mehrfach gehandelt und auch mit nicht ganz einheitlichen Akzenten. Pädagogik (W. E. Meyer, 260-291). In englischer Sprache handelt
Man kann letzteres natürlich für einen Gewinn halten, zumal wissen- S. Isbell, vielleicht etwas zu unkonturiert und blaß, über das Ver-
schaftliche Arbeit an hervorgehobenen, kirchengeschichtlich umstrit- ständnis des Alten Testaments im Berner Synodus (213-218).
tenen Gegenständen ohnehin von mehreren Aspekten her erfolgen Ganz wichtig ist der „Sitz im Leben" (8) bzw. „Die Situation" (16)
sollte. Die von dem zunächst fremd von Straßburg kommenden für den Berner Synodus in der Bearbeitungstendenz durch die Ver-
Capito redigierten (oder gar verfaßten?) Kapitel des Synodus sind ja fasser. Dem tragen einige Beiträge Rechnung. U. J. Gerber gibt Auswirklich
eine res disputanda. Diese Tür das Verständnis der Bekennt- kunft über „Berner Täufcrtum und Berner Synodus" (167-194).
nisschrift wichtige Fragestellung hat offenbar in den Seminarsitzun- Schon wegen Capitos theologischer und Frömmigkeitshaltung ist
gen einige Bedeutung gehabt; und mögliche Interpretationsvarianten dieses Thema wesentlich. Derselbe Vf. geht in französischer Sprache
fließen eben in einen Aufsatzband ein. der sachbedingt deshalb nicht den «destinees du Synodus francais» (292-303) nach,
homogen sein kann. Und dann kommen weitere Beiträge zur Wirkungs- bzw. Editions-
Durch den reichen Anmerkungsapparat hat der Leser viele geschichtc des Synodus (H. R. Lavater, 304-329; G. W. Locher,
Chancen zum Weiterforschen, so daß die Bemerkung in der vorge- 330-353).

nannten Rezension, es sei in dem Editionsband das historische Um- Hervorhebung verdienen durchaus die Briefbeilagen und Angaben
feld nicht genügend angeleuchtet worden, zum großen Teil gegen- zum Capito-Itinerar in den fraglichen Monaten um den Synodus
standslosgeworden ist. (354-367). einige Kurzbiographien für den Synodus wichtiger Perinteressant
ist zudem, daß der Leser nicht nur ein historisch enga- sönlichkeiten (Capito, Cyro, Haller. Megander. Sulzer: 368-387).
giertes Werk vor sich hat. Es werden durchaus Vergleichungen mit der einige zeitgenössische Abbildungen (449-458) und gute technische
kirchlichen Gegenwart in manchen Beiträgen angestellt. In der Einlei- Instrumentarien zur Erschließung des vorliegenden Bandes,
tung weist W. E. Meyer daraufhin, daß dieses auch generell bcabsich- Der Synodus ist Tür das frühe Synodalwcsen der Schweizer Kirchen
'igt sei: „Eine besondere Frucht unserer Arbeitsweise ist der Aktuali- aufschlußreich. Er hat seine Bedeutung gehabt in den frühen Huge-
tätsbezug. Wie der Svnodus seine eigene Situation vor 450 Jahren nottengemeinden und bei Zinzendorf. Er hat im Pietismus erneute
widerspiegelt, so haben auch wir ihn immer als anregend und aktuell Aufmerksamkeit gefunden. Er wird uns Nachgeborenen ein interes-
empfunden. Wir hoffen, daß dieses Dokument, welches seinerzeit so santes Stück christlicher Lebensaussage bleiben, selbst wenn die
s(ark gewirkt und bewegt hat. aufdem von uns versuchten Weg seiner Situation, in welcher er einst entstanden ist und aufgenommen wurde.
Erschließung auch heute wieder manches zu bewirken und zu längst der Vergangenheit angehört.

bewegen vermag" (1 lf). Görlitz Joachim Rogge

Es bleibt dem Rez. in dem vorgegebenen Rahmen nichts anderes

übrig, als die Themen bzw. Hauptbezugsworte aus den 24 Beiträgen _ im

/u nennen, um den Interessenten Mut zu machen, die Ausrührungen KirChengeSCnlCnte: NeUZdl

selbst zu studieren. Wir haben hier ein Muster vor uns. wie eine

Kantonskirchc kurz nach Einführung der Reformation sich selber sah. Revent|ow Henning Graf, Spam. Walter, u. John Woodbridge [Hg.]:

Welche Lchrgrundlage akzeptiert, welche ethischen Konsequenzen Historische Kritik und biblischer Kanon in der deutschen Aufklä-

gezogen und welche Positionen im allgemeinen Sozialgefüge ein- rung. Wiesbaden: Harrassowitz i. Komm. 1988. VII, 293 S. gr. 8' =

genommen wurden. Wolfenbütteler Forschungen. 41. Kart. DM98,-.

Nach Vorwort und Einleitung von G. W. Locher und W. E. Meyer

ste"ert der im vorliegenden Band am- häufigsten begegnende H. R. Dieser Band veröffentlicht die Vorträge, die anläßlich des 18. Wol-

Lavater eine Zeittafel zur Geschichte der Berner Reformation bei renbütteler Symposions im Dezember 1985 in der Herzog-August-

(13-15). Der Hg handelt anschließend generell über den Berner Bibliothek Wolfenbüttel gehalten wurden. Sie standen unter der Thc-

Wusals reformierte Bekenntnisschrift(16-34). rnatik: Historische Kritik und biblischer Kanon in der deutschen Auf-

°er anschließende Beitrag von H. R. Lavater (35-117) gibt dann klärung. also jenem weitverzweigten, vielschichtigen Prozeß der sich
e'nen weiten und ausgezeichneten Überblick über das ganze Synodal- immer stärker durchsetzenden historischen B.belknt.k m Deutschesten
vom 9 1 bis 14 I. 1532 und seine ganze kirchengeschicht- land seit dem Ende des 17. Jh. Die Fragen nach den Wurzeln und
llche Einbindung Auch hier schon wird die Mitwirkung des „Retters bestimmenden Faktoren der h.stonschen Kntik an der Bibel im prote-
ln der Not" Capito ausführlich ventiliert, der mit „Tränen der stantischen Deutschland, also im Bereich der Geltung des „Schnlt-
Freude ... angesichts der desolaten Lage der Berner Kirche" empfan- prinzips". werden in diesen Einzelstud.en in oft sehr detaillierter und
8eri wurde (70) E Saxer Nachfolger Lochers in der Präsidentschaft anregender Weise erörtert, meist von Forschern, die sich mit diesem
des Forschungsseminars (8). bringt zu Capitos Gesamtbeitrag dann Gegenstand schon länger beschäftigt haben. Für das hermencut.schc
n°ch eine eigene Studie bei (150-166) Denken «n jenem unruhigen 18. Jh.. in dem sich in Deutschland erst

Eine ganze Reihe von Studien sind systematisch-theologischen oder sehr allmählich die historisch-kritische Exegese gegenüber der orthoptischen
Einzelproblemen gewidmet, die im Synodus tragend sind. doxen und pietistischen durchzusetzen beginnt, vereinigt dieser Band
G vom Berg verbindet in seinem Aufsatz die Begriffe, die in ihrer wichtige weiterführende Beiträge, die nicht nur für die Theologie-
Sachlichcn Füllung als entscheidend für das Anliegen des vorliegen- geschichte, sondern auch Tür die neuere Philologie-, Philosophie- und
*n Synodalabschieds angesehen werden müssen: „Lehre und Leben" Geistesgeschichte von erheblicher Bedeutung sind.
"8-149). Die sonst immer wieder in den Aufsätzen betonte christo- Henning Graf Rercnüo* stellt anhand von zwei anonymen Sehn -
£»*he Konzentration des Gesamtwerkes H8t sich für den Vf. befrei" ten des Johannes Clencus ('657-1736) dessen exegetische Orund-
e" unterdem Leitthema: „Der Gang der Gnade". W. E. Meyerbindet sätze dar, die in der Geschichte der B.bclknt.k einen bemerkens-
Lch"= und Ethik wiederum zusammen in seiner Abhandlung über werten Wendepunkt bezeichnen. Schon in den 70er und 80er Jahren
••0fTenbarung und Menschenbild" im Verständnis des Synodus des 17. Jh. werden von Clericus Positionen vertreten, die gemeinhin