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Ausgabe:

1990

Spalte:

196-198

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Soards, Marion L.

Titel/Untertitel:

The passion according to Luke 1990

Rezensent:

Rese, Martin

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195

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 3

196

Hauptgemeinde ... unterschied." (S. 188) Dies sei also ein fehlendes
Glied in der Beweisführung für die Identifizierung von Qumran und
Essenern.

Abschnitt 8 behandelt die Entwicklung des Gebets als Institution in
Israel im Licht der Literatur von Qumran (zuetst 1978 in EThLB).
Der auch abgesehen von der speziellen Fragestellung für das Verständnis
des institutionellen Gebets interessante Aufsatz führt zudem
Ergebnis: „daß sich zwischen dem Aufkommen des Gebets als Müfitu-
tion in Qumran und dem frühen Gebet der jüdischen Hauptgemeinde
trotz zahlreicher gemeinsamer Grundlagen keine eindeutige histori*
sehe Abhängigkeit feststellen läßt." (S. 208)

Der Abschnitt 9 ist ein Nachdruck eines Beitrags für die FS G. von
Rad, 1971: Typen der Messiaserwartung um die Zeitenwende. Als
Haupttypen werden herausgestellt: die messiaslose Eschatologie der
Samaritaner, die nur einen taheb = Restaurator kennt; eine restaura-
tive Eschatologie mit prophetisch-utopischem Überbau im „normativen
" Judentum seit dem Zweiten Tempel; die „entnationalisierte"
christliche Messiasidee; und die restaurative, aber nicht nur national,
sondern auch charismatisch-elektiv auf die Gemeinde des Neuen
Bundes bezogene Erwartung in Qumran. In diesem Aufsatz macht
sich der auch sonst bei israelisch-jüdischen Bibelwissenschaftlern
nachwirkende Einfluß M. Webers besonders deutlich bemerkbar.

Der Band bietet nicht nur „Information Judentum", sondern auch
Einblick in die Arbeitsweise eines namhaften israelischen Bibelwissenschaftlers
, der das Gespräch mit Christen sucht und mit dem
der Dialog auch für den christlichen Alttestamentler ungemein fruchtbar
ist.

Bonn Antonius H.J.Gunneweg

Ben-Chorin, Schalom, u. Verena Lenzen [Hg.]: Lust an der Erkenntnis
: Jüdische Theologie im 20. Jahrhundert. Ein Lesebuch. München
-Zürich: Piper 1988. 502 S. 8" = Serie Piper, 879. Kart.
DM 29,80.

„Lust an der Erkenntnis" heißt eine Lesebuch-Reihe des Piperverlags
. Eine Lesebuch-Auswahl mit den Vor- und Nachteilen vieler
Kurztexte dient dem Überblick und wird geprägt durch den Herausgeber
. Ben-Chorin ist uns als Wortführer im jüdisch-christlichen Dialog
bekannt und durch viele Veröffentlichungen, die den jüdischen
Glauben erschließen. Seit 1935 lebt er in Jerusalem und gründete die
erste Reformgemeinde in Israel. Seine Stellung im Feld jüdischer
Theologie wurde in dem Programmbuch „Die Antwort des Jona.
Zum Gestaltwandel Israel", 1956, deutlich, in dem das Grauen jüdischer
Vernichtung und die Gründung des Staates Israel eng verbunden
sind, zit. S. 15. Der noch unbekannten Mitherausgeberin Verena
Lenzen ist die editorische Arbeit zu danken (S. 17), die Angaben zu
Autoren und Quellennachweise der Texte (S. 433-495), das Glossar
zu meist hebräischen Fremdworten (S. 496-501). - Nach der Einführung
von Ben-Chorin (S. 9-16) legt diese Zusammenstellung jüdischer
Theologie.....den Akzent auf den Begriff Halacha ... das Gesetzesverständnis
... eine Geh-Anweisung für den Menschen" (S. 9), vgl.
Soloveitchik „Das halachische Denken" (S. 56-58). Für das erste
Drittel des 20. Jahrhunderts „wird besonderes Gewicht auf das versunkene
deutsche Judentum gelegt, das ein ganz eigenes Profil" hatte
(S. 11). Nach 1945 liegt das Gewicht in den USA, wo heute die größte
Diaspora lebt. - Die Probleme der Emanzipation des 19. Jahrhunderts
reflektiert Max Wiener im Gegensatz der Orthodoxen und Liberalen
(S. 103-132). Im 20. Jahrundert tritt das Bewußtsein des eigenen
Jude- und Israelseins wieder heraus, die Haggada von Erlösung und
Berufung steht voran, vgl. Ignaz Maybaum „Haggada und Halacha"
(S. 59-73).

Die Anordnung der 36 Autoren ist nicht durch Themen oder
Begriffe gegliedert, sondern folgt „inhaltlichen Kriterien" (so V. Lenzen
, S. 17), ist Kette eines immanenten Gesprächs. Am Anfang stehen
orthodoxe Stimmen: Abraham Isaak Kook, der erste aschkenasische

Oberrabbiner von Palästina, Isaak Breuer mit „Der neue Kusari", der
1934 zu einer Erweckung und Wiedervereinigung des jüdischen Volkes
im Land unter der Thora aufruft,. Joseph Carlebach, der 1942 als
Märtyrer im KZ stirbt, Soloveitchik, die führende Halacha-Autorität.
Von den bekannten deutschen Juden begegnen Hermann Cohen,
Franz Rosenzweig, Martin Buber, Leo Baeck, das Haupt der Liberalen
, Hans-Joachim Schoeps, der sich grundsätzlich von Mendelssohn
absetzt, aus dem Prager Kreis Hugo Bergmann, Max Brod, Felix
Weltsch. Schon in Israel schreiben Gershom Scholem, Ernst Akiwa
Simon (S. 319-351, es ist einer der längsten, aber schönsten Beiträge
der Auswahl), Ben-Chorin selber. Unter den Stimmen aus den USA
steht Abraham Joshua Heschel voran. Jakob F. Petuchowski bedenkt
Spontanität (Kawwanah) und Tradition (qebha). Mordecai M. Kaplan
ist der Begründer der Reconstructionist society, einer Innovationsbewegung
in den USA, die Jüdische Religion auf Kultur, Evolution,
Erfahrung bezieht. Das Anliegen ist aus dem Text (S. 391-400) gerade
zu ahnen. - Am Ende stehen Grundsatzreflexionen zur Möglichkeit
jüdischer Theologie, A. A. Cohen, Louis Jacobs. Eugene B. Borowitz
führt einen typologischen Vergleich von Heschel, Baeck, Kaplan,
Buber durch mit einer Grundsatzkritik an Kaplan. Als Außenseiter
reden Oskar Goldberg in einer vehementen Maimonideskritik, Aime
Palliere, der als Katholik Prediger der Reformsynagoge in Paris war,
schreibt autobiographisch zur Frage der Noachiden (Gen 9), Susannah
Heschel tritt „Für eine feministische Theologie des Judentums"
ein. Das Grauen der Shoa, des ,Holocaust', begegnet in drei Texten
von Rubenstein, Margarete Susman, Moses Calvary, Vortrag 1942 in
Palästina. Irving Greenberg, Emil L. Fackenheim wurden nicht aufgenommen
. Ben-Chorins Entscheidung war, „... die Katastrophe des
Holocaust... mit der Auferstehung des jüdischen Volkes im Staate
Israel in eins zu sehen" (S. 14). Die Halacha im Staat Israel, in „Die
Antwort des Jona", Kap. 3 eindringlich erörtert, wird nicht Thema.
Die Orthodoxie wird unter zwei Gesichtspunkten ausgegliedert, einmal
, sofern sie zeitlos zyklisch das liturgische Gebetsformular festhält,
selbst die Klage über dem Jerusalem in Trümmern am 9. Aw (Entscheidung
des Oberrabbinats, S. 13), zum anderen, gegenläufig, soweit
sie als „neuer Pseudomessianismus" nationalistischer Kreise im
Block der Gusch Emunim „den Staat Israel bereits als Vorwegnahme
des messianischen Reiches" empfindet (S. 14). Indirekt ist die Frage
der Halacha in Israel heute mehrfach präsent, bei E. Simon, G. Scholem
(S. 306 oben) u. a. -

Eine Lesebuch-Auswahl läßt Stimmen draußen, u. U. auch erwartete
(Wyschogrod, The Body of Faith, 1983; Waskow, These Holy
Sparks, 1983). Leider mußte das Lesebuch auch auf Anmerkungen,
Nachweise der Talmudzitate, Zusammenhang der Textausschnitte
verzichten. Gewinn bringt die Lektüre, über Information hinaus, weil
immer wieder Glaubensweisheiten, Lichter des Talmud aufleuchten.
Dem jüdisch-christlichen Dialog wird zugute kommen, daß auch die
Pluralität des Judentums erkennbar wird. Seine Gemeinsamkeiten
fordert Ben-Chorin in Monotheismus, Ethik der Nächstenliebe, mes-
sianischer Erwartung (S. 16). Das Anliegen des Herausgebers, „die
Innenansicht des heutigen Judentums zu verdeutlichen" (ebd.), ist
sicher verwirklicht.

Magdeburg Christoph Hinz

Neues Testament

Soards, Marion L.: The Passion aecording to Luke. The Special Material
of Luke 22. Sheffield: JSOT 1987. 181 S. 8° = Journal for the
Study of the New Testament, Suppl.Series, 14. Kart. £ 7.95; Lw.
£ 16.50.

Noch immer ist umstritten, wie die Eigenart des lukanischen Passionsberichts
gegenüber den Berichten des MkEv und MlEv zu erklären
ist. Hat Lukas hier seine Markusvorlagc recht selbständig um-