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Ausgabe:

1990

Spalte:

193-195

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Ṭalmôn, Šemaryāhû

Titel/Untertitel:

Gesellschaft und Literatur in der Hebräischen Bibel 1990

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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Theologische Literaturzeitung 1 15. Jahrgang 1990 Nr. 3

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Jan Heller

nung der vorisraelitischen rn^O fK$ in Tn IV (vgl. 1 Kön 8.1) bezieht amtierte. Zur Methode ist zu bemerken, daß aus der fast wörtlichen
sich nicht aufdie ganze Stadt Jerusalem, sondern auf eine vorisraeliti- Übereinstimmung von Ri 1,1-2 und 20,18 auf ähnliche sozio-reli-
Wne Akropolis (Vincent. DBS IV 914), die nach der Einnahme Jcrusa- giösc Bedingungen geschlossen wird, statt auf die redaktionskritische
lems durch David den davidischen Palast beherbergte. . . Die Um- Möglichkeit, daß hier und dort dieselbe Hand formuliert,
benennung (2Sam 5,9) war entweder historisch hoheitlicher Akt An dritter Stelle steht ein 1958 in VT 8 abgedruckter Aufsatz über
Davids .. . oder rückprojiziertes Legitimationsmotiv späterer die Kalender- und Kultreform Jerobeams I. Dessen Stierkult-Grün-
^eit ■..". Ich glaube, das Zweite ist richtig. Man muß hier aber zu- düngen in Bethel und Dan waren keine Neuerung, sondern knüpften
gespitzt fragen, warum man zu dieser Umbenennung gegriffen hat. an alte Tradition an. T. vermutet sogar, daß Jerobeam Priester aus
Sicher wollte man so die vorisraelitische, heidnische Vergangenheit dem Hause Mose anstellte, die Behauptung ihrer nichtlevitischen
der berühmten Kultstätte wegschieben und umdeuten, also mit einem Abstammung (IKön 12,31) sei judäische Polemik. Auch die Verhörte
: entmythisieren. Und das entstand auch durch die neue, sekun- legung von Laubhütten vom siebten auf den achten Monat war keine
däre Form fff. Die Endung ji - ist eine harmlos übliche Ortschafts- willkürliche Neuerung, sondern griff auf einen im Norden bereits
endung, wie z. B. auch die Endung D'_ -. Und ähnlich wie man - wohl gängigen Kalender zurück. Die so entstandene Kalenderdiskrepanz
erst später -aus üVenT trttjhT gemacht hat. um die Konnotation mit kann auch Ursache von chronologischen Unterschieden und Un-
aalim unterzubinden, so hat man - wohl schon früher - aus fPS auch Sicherheiten sein, so insbesondere bei der Datierung des Falles Jerusa-
P*3 gemacht. Natürlich ist das Ganze nur eine Hypothese-eine neben lems (587/586).

den anderen. Aber sie könnte zum Ausgangspunkt einer ausführliche- Mit dem judäischen am haarez in historischer Perspektive befaßt
ren Kultgeschichte von Jerusalem und jVX - beibringen. Diese sich ein 1965 in Jerusalem gehaltener Vortrag (Papers of the Fourth
Randbemerkung möchte nur daran erinnern, daß auch die sehr gründ- World Congress of Jewish Studies, 1965). T. unterscheidet einen ältliche
Arbeit in ThWAT manchmal zu einer noch weiteren Arbeit gemein-umfassenden Begriff von einem terminus technicus. Der all-
nutzlich stimulieren kann. gemeine Begriff bekam in nachexilischer Zeit, zumal in der Pluralform
, eine negative Bedeutung. Der nur in vorexilischer Zeit begegnende
terminus technicus hingegen meint weder eine Institution noch
alle Vollbürger insgesamt oder auch den Landadel, sondern den
Jtldaica „harten Kern der standhaften Verteidiger der davidischen Dynastie"

(S. 90j. Diese gehe letztlich auf die von David in Jerusalem angesiedel-

Ta|mon, Shcmaryahu: Gesellschaft und Literatur in der Hebräischen ten Judaer zurück.

Bibel. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1. Neukirchen-Vluyn: Neukir- Rezenteren Datums ,st die Arbeit über jüdische Sektenb.ldung ,m

ehener 1988. 234 S. 8'- Information Judentum, 8. Pb. DM 62,-. Frühstadium der Zeit des Zweiten Tempels. Sie erschien 1985 in dem

Sammelband „Max Webers Sicht des antiken Christentums. Interpre-
^ Dcr Band enthält neun Aufsätze( des 1920 in Breslau geborenen, seit tation und Kritik" (hg. v. W. Schluchter). T. führt mit Recht aus, daß
939 in Israel ansässigen und gegenwärtig als Ordinarius der Hebräi- Webers Analyse nur fragmentarisch geblieben ist und daß bei der
sehen Universität in Jerusalem tätigen Gelehrten. Die in einem Zeit- Bewertung seines Werkes der unzureichende Stand der Forschung
^Urn von drei Jahrzehnten zumeist in englischer Sprache publizierten über die Zeit des Zweiten Tempels zu beachten ist. T.s eigene
rbeiten wurden für die vorliegende Sammlung ins Deutsche über- Anschauung läßt sich folgendermaßen skizzieren: Die „Homogeni-
zt- tat" der vorexilischen Zeit verwandelte sich nach 586 in „Multizen-
••Königtum und Staatsidee im biblischen Israel" lautet der Titel des trismus" und „Heterogenität"; die Prophetie erlosch und an ihre
^rsten Aufsatzes. Gleich am Anfang lindet sich der Spitzensatz: „Die Stelle traten Schriftgelehrtc und Weise, deren Autorität nicht mehr
atsauffassung unc* Auffassung vom Königtum sind eins." auf Inspiration, sondern auf sachkundiger und rational überprüfbarer
• 13) Die Idee des Staates ist demnach anhand der Texte, die über Interpretation beruhte. Aber weder die im Lande Verbliebenen noch
as Königtum berichten, zu entfalten. Nach Auffassung von T. wurde die jüdischen Gemeinschaften in Babylonien und Ägypten können
as Königtum trotz anfänglichen Widerstandes in Israel durchweg zutreffend als „Paria-Gemeinschaft" bezeichnet werden, wie Weber
Positiv gewertet. Schon Saul habe keinen Anstoß daran genommen, meinte. Auch wurde die Bindung der Glaubensgemeinschaft an die
König zu sein, „wie ihn alle Völker haben" (lSam 8,5. 20: vgl. Nation niemals preisgegeben, wohl aber entstand innerhalb der natio-
ln 17,14); die sonst negative Konnotation dieses Ausdrucks fehle nalen „Binnengruppe" eine zunehmend pluriforme „glaubcnsmäßig-
'er. In der Davidsdynastic realisiere sich eine eigentümliche Ver- nationale innere Gruppe", welche die spätere Sektenbildung allererst
^melzung von persönlichem Charisma mit der Idee des Amtscharis- ermöglichte. Die hier von T. angeregten Korrekturen an der immer
**8 im Sinne von M. Weber. In dieser Ausformung „war die Monar- noch nachwirkenden Sicht von M. Weber verdienen Beachtung.
*■le der Grundpfeiler nationaler Existenz" (S. 42). Die ursprünglich Um biblische Überlieferungen zur Frühgeschichte der Samaritaner
UrThe World History ofthe Jewish People, 1978 bestimmte Arbeit (zuerst 1973 in IES) geht es in Abschnitt 6. T. stellt hier die unter-
offensichtlich für ein breiteres Publikum gedacht gewesen. Die her- schiedlichen Bewertungen der Samaritaner im AT, NT, bei F. Jose-
angezogenen Bibelstellen werden nämlich zumeist als unmittelbares phus und den Rabbinen dar. Nur eine sorgfältige Analyse von 2Kön
eu8n'sfürdieZeit.aufdicsicsichbeziehen.verwendet. 17 könne zu einer Klärung beitragen. Diese ergibt nach T„ daß
Der zweite Aufsatz, ein hebräischer Vortrag von 1969 und zuerst 17.5-41 eine Einfügung und V. 24-31 eine Polemik sind. Insbeson-
gedruckt 1972 in: Procecdings ofthe Fifth World Congress of dere lehren assyrische Quellen, daß keinesfalls eine totale Deportation
W|sh Studies. behandelt die Wendung: „In jenen Tagen gab es der Bevölkerung stattgefunden hat. Deshalb sei der Grund für die
^einen mlk in Israel" (Ri 17.6; 18,1; 19,1; 21,25). Sic wird meistens Separation in der allmählichen Entfremdung von Nord und Süd und
s ?usatz betrachtet, der die Richterzeit als chaotisch-anarchistisch letztlich in der ablehnenden Haltung der judäischen Rückkehrer zu
pU8Unsten des Königtums abwerten will. Diese „königsfreundliche suchen.

°rrnel" steht, so verstanden, in krassem Widerspruch zu der sonst Noch einmal mit Kalenderproblcmen befaßt sich Teil 7: Kalender

^''königlichen Tendenz des Richterbuches. Diese Schwierigkeit ist und Kalenderstreit in der Gemeinde von Qumran (zuerst veröffent-

' er behoben, wenn das Wort hier nicht wie sonst „König" meint. licht in Scripta Hierosolymitana 4, 1965). Der Aufsatz zeigt, wie das

ndern dem Inhalt nach identisch mit „Richter" ist. Diese - wenig „Kalendcrschisma" die Abtrennung von der „Muttergemeindc"

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sri|erzeugcndc - Deutung versucht der Aufsatz zu belegen: die /.er- überhaupt markiert. Die ausführliche Untersuchung des Qumran-

'"erung und Anarchie Israels in den Komplexen Ri 1,1-2.5: Kalenders macht schließlich darauf aufmerksam, „daß keine antike

~21 ist Folge davon, daß in dieser Epoche kein Richter-Retter Quelle den Essenern einen Kalender zuschreibt, der sich von dem der