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Ausgabe:

1989

Spalte:

135-137

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Krüger, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Auferstehung aus Krieg und KZ in der bildenden Kunst der Gegenwart 1989

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 2

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mit dem zweiten Gebot und den ..Bilderstürmern" umgeht, deutet auf
eine Verdrängung eher als auf eine Bewältigung der hier vorliegenden
Problematik. Daß eine explizite Auseinandersetzung mit dem christlichen
Kitsch fehlt, weist in die gleiche Richtung.

Es sei dem Rez. gestattet, zum Schluß Picassos Antwort zu zitieren
auf Sabartes Frage, was der Maler mache, wenn er ein Bild fertig
gemalt habe: „Ein Werk beenden! Ein Bild vollenden! Wie albern ist
das! Einen Gegenstand beenden heißt ihn fertigmachen, ihn umbringen
, ihm seine Seele rauben ... Es heißt, ihm den Gnadenstoß
geben!" - In diesem Sinn haben die Ikonoklasten die Bilder vollendet:
Der Heilige Geist schenkt Bilder und gibt ihnen den Gnadenstoß!

Heidelberg Rudolf Bohren

Krüger. Wolfgang: Auferstehung aus Krieg und KZ in der bildenden
Kunst der Gegenwart. Mit einem Beitrag über die historische Entwicklung
des Gedenkens an die Kriegstoten von Hans-Kurt
Boehlke: ..Pro Patria" - ..Mahnung zum Frieden". Kassel: Arbeitsgemeinschaft
Friedhof und Denkmal 1986. 260 S.. 86 Abb. 4° =
Kasseler Studien zur Sepulkralkultur. 4. Kart. DM 35.-.

Vorliegendes Buch des nordhessischen Pfarrers Wolfgang Krüger
entstand als Dissertation an der Evangelisch-Theologischen Fakultät
der Universität Wien. In der sorgfältigen Analyse zahlreicher Texte
und im Bild dargestellter Denkmäler widmet Vf. sich einem Thema,
das bisher noch nicht umfassend und systematisch aufgearbeitet
wurde: den Denkmälern, die vorwiegend in Deutschland an die Toten
der beiden Weltkriege und der Konzentrationslager erinnern. Die acht
Hauptteile, in die sich das Buch gliedert, bringen die Schwerpunkte
zur Geltung, nach denen die Objekte ausgewählt und einer Wertung
unterzogen wurden.

Einleitend tritt Vf. für die Anwendung der aus der Bibel Wissenschaft
kommenden formgeschichtlichen Methode bei der Interpretation von
Denkmälern als Werken der bildenden Kunst ein (Teil A.
S. 17-27). *

Die kirchlichen Forderungen an ein Kriegerdenkmal, wie sie seit
dem ersten Weltkrieg sich herausbildeten und in einer Denkschrift des
Arbeitsausschusses des Evangelischen Kirchbautages 1957 einen
wichtigen Niederschlag fänden, einschließlich der mit der Trennung
von Staat und Kirche für das christliche Kriegerdenkmal gegebenen
Problematik, behandelt Teil B(S. 29-40).

Der Weg des Osterengels von den Grabmälcrn der 2. Hälfte des
19. Jh. bis zu den Gefallenendenkmälern des 20. Jh. wird in Teil C
verfolgt (S. 41-52) und damit das eigentliche Thema des Buches, die
Auferstehung, in ihrem weitreichenden Bezugsfeld und mit ihrem
theologischen Hintergrund bewußtgemacht (Wandlung des Engels
vom Tröster der Trauernden zum Zeugen der Auferstehung).

Von hier aus wird in Teil D (S. 53—77) der Gedanke weitergeführt,
indem Vf. die Auferstehung der Toten nach folgenden Gesichtspunkten
behandelt: der stehende Totenauferstchungscngel mit der
Posaune, die Totenauferstchung, der waagerecht schwebende Totenauferstehungsengel
. In den Denkmälern spiegelt sich die Tendenz zu
einem Glauben an die Auferstehung der Toten ohne das Gericht am
Jüngsten Tag wider, im waagerecht schwebenden Engel (Güstrow,
Dom, von Ernst Barlach) insbesondere eine auf den ersten Weltkrieg
bezogene Brisanz (Unbegrcnztheit des Erinnerns - massenhafter Tod
- Frage nach Gott).

Die Auferstehung Christi (Teil E. S. 79-123) wird in ihrer Einbindung
in das Epitaph, die Kriegergcdächtniskapelle, das Gräbcrfeldmal
und das Ersatzgrabmal auf dem Heimatfriedhof gesehen. Bildinhaltlich
benennt Vf. für die Denkmäler zwölf Varianten, die die Bedeutung
der Auferstehung Christi für den Glauben an Gott und die Hoffnung
der Menschen angesichts des gewaltsamen Todes ausdrücken:
„Die Einzelanalysen haben herausgearbeitet, daß sämtliche Arbeiten
sich mit dem Tode der Gefallenen auseinandersetzen. Antworten auf
das Problem des Todes sind, der in ihrem Falle durch einen Krieg ausgelöst
worden ist und in den Hinterbliebenen Trauer bewirkt hat. Die

einzelnen Antworten fallen verschieden aus. Sie fordern den Hinterbliebenen
zum Glauben oder zur Hoffnung trotz des Todes heraus,
oder sie geben ihm eine Aufgabe mit. sei es. für das Seelenheil der
Toten zu beten, sei es, im Sinne dessen, der der Geist ist, zu wirken"
(S. 120).

Die den biblisch-christlichen Gehalt überschreitende Thematisierung
von Auferstehung als Leitbild für eine Erneuerung des gesellschaftlichen
Lebens nach tödlicher Bedrohung behandelt Teil F:
„Auferstehung in der Selbstreflexion des sich an den Krieg erinnernden
Kollektivs" (S. 125-153). An signifikanten Beispielen wird hier
die wechselnde politische Relevanz eines solchen Auferstehungsbezugs
und ihre Problematik vorgestellt (u. a. Schinkels Plan für einen
deutschen Nationaldom, das Nagelkrcuz von Coventry. das Wandfresko
von Otto Dix im Singencr Rathaus).

Teil G würdigt den besonderen Rang, den das Gedenken an die
KZ-Opfer und die künstlerische Gestaltung der Stätten einnimmt
(„Auferstehung im KZ-Gedächtnis der bildenden Kunst". S. 155 bis
197). Diese Gedenkstätten sind auch durch Publikationen stärker im
öffentlichen Bewußtsein verankert. Zunächst bringt Vf. eine während
des NS-Regimes in einer Häftlingszclle von Fort Brendonk entstandene
Ritzzeichnung, die offensichtlich unter dem Eindruck einer
Christusvision geschaffen wurde (S. 157-159). Unter den zahlreichen
aus dem Rückblick entstandenen Darstellungen, die Mahnung und
Vermächtnis der Opfer artikulieren, sind z. B. Alfred Hrdlickas
„Plötzenseer Totentanz", Otto Herbert Hajeks Kreuzweg in Berlin-
Charlottenburg und Fritz Cremers Buchenwalddenkmal besprochen.
Bei unterschiedlicher Thematisierung geht es den Künstlern um eine
Auseinandersetzung „mit dem Martyrium im Dritten Reich". „Nicht
so sehr die Trauer über den Tod der millionenfachen KZ-Opfer, als
vielmehr die Betroffenheit von der an ihnen verübten Unmenschlichkeit
hat das christliche KZ-Gedächtnis geprägt. Darum konnten die
Kirchen hier nicht nur auf Formen des Totengedächtnisses zurückgreifen
, sondern sahen sich herausgefordert. Formen ihres liturgischen
Lebens fruchtbar zu machen, in denen sie dem Schrecken über die
kalte Bestialität des SS-Staats angemessener begegnen konnten als im
Totengedächtnis." Hiervon wäre allerdings das Buchcnwalddenkmal
auszunehmen (1954-1958). Bestenfalls könnte man davon reden, daß
liturgische Motive in einer säkularen Form erscheinen. Hingegen hat
die vom Vf. festgestellte liturgische Verwurzelung in der Altargestaltung
der in der Nähe von Buchenwald gelegenen Kirche zu Weimar-
Schöndorf ihren Ausdruck gefunden (vgl. Kirchbau heute, hg. und
bearb. von Elfriede Kiel. Leipzig 1969.S. 143).

Teil H (S. 199-222) lenkt zur Methode der Untersuchung zurück,
indem er das Kirche-Kunst-Gespräch nach dem zweiten Weltkrieg
rekapituliert und anschließend das formgcschichtlichc Anliegen, das
Gedächtnismal von seinem Sitz im Leben her zu begreifen, noch einmal
mit folgenden Worten ausspricht: „Das gravierendste Postulat
des Sitzes im Leben heißt innere Notwendigkeit. Diese aber läßt sich
nicht trennen von der äußeren. Der Hinweis auf den Sitz im Leben
macht deutlicher als wahrscheinlich jeder andere, daß es für eine
Gemeinschaft lebensnotwendig ist, ihrem Erlebnis Ausdruck zu verleihen
und sich darin zu verstehen und zu erneuern" (S. 222).

Hans-Kurt Boehlkcs informativer Abriß „Zur historischen Entwicklung
des Gedenkens an die Kriegstoten" (S. 225-243) reicht von
der griechischen Antike bis zum Streit um den Charakter einer Mahn-
und Gedenkstätte in Bonn(1984).

Abschließend sei festgestellt, daß es Wolfgang Krüger gelungen ist.
unter Auswertung einschlägiger Literatur an instruktiven Beispielen
auf den ausgedehnten und weit verstreuten Bestand an Denkmälern
für die Opfer von Krieg und Faschismus aufmerksam zu machen und
ihre Bedeutung durch kritische Analysen ihrer künstlerischen Form
und ihrer Ikonographie herauszustellen. Er hat sie in die Zusammenhänge
von Zeitgeschichte, Kirche. Theologie, Volksfrömmigkeit und
künstlerischen Bestrebungen eingeordnet. Im Umgang mit den Denkmälern
wird leidvollc Geschichte aufgearbeitet und zugleich ständig
danach gefragt, wie christlicher Aufcrstehungsglaubc angesichts