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Ausgabe:

1989

Spalte:

117

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Aspects on the Johannine literature 1989

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 2

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Hartman. Lars. & Birger Olsson [Ed.]: Aspects on the Johannine und andere Konventionen, soziale Institutionen, Terminologien und

Literature. Papers presented at a Conference of Scandinavian New Ideen, die um „Freundschaft" und „Feindschaft" kreisen (moralische

Testament exegetes at Uppsala. June 16-19, 1986. Stockholm: Standards, Geschenksitten, Feindschaft als unausweichliche Kehr-

Almqu.st &Wikscll Intern 1987. 113 S. gr. 8' = Coniectanea seite von Freundschaft, Rhetorik der Feindschaft: Beleidigung. Topos

öiblica. New Testament Senes 18. SEK I 12.-. , „ .... cum . v . * '

des unzuverlässigen Schmeichlers etc.) unter Auswertung eines um-

Der Sammelband vereinigt sieben Hauptvorträge einer neutesta- fangreichen klassischen und hellenistischen Quellenmaterials grie-
mentlich-exegetischen Konferenz, an der Vertreter aller skandina- chischer und lateinischer Provenienz (Vf. rechnet mit einer relativen
vischen Länder teilnahmen. K.-G. Sandelin widmet seine Aufmerk- Konstanz der sozialen Konventionen) einer gründlichen Analyse
samkeit den Tendenzen zur Isolation in den johanneischen Schriften unterzogen. Auf diesem Hintergrund ergeben sich dann in Teil 2
und findet daneben von weisheitlicher Tradition bestimmte Aussa- (130-258). der in zwei Kapiteln nach der Ursache für die rasche Emsen
, die Universalität im Blick haben und der griechisch sprechenden fremdung zwischen Paulus und seiner Gemeinde fragt, u. a. die fol-
Svnagoge entstammen. B. Olsson entwickelt Gedanken zur Ge- genden Einsichten: Verantwortung für die Entfremdung trägt zuerst
schichte der johanneischen Gemeinden. Er teilt diese Geschichte in Paulus. Er hat das finanzielle Hilfsangebot, das von Seiten der Besserdrei
Perioden (40-70 n. Chr.: 70-90 n. Chr.; 90-110 n. Chr.) und gestellten in der Gemeinde an ihn erging, zurückgewiesen, was einem
konzentriert sich vor allem auf die dritte anhand von 2 und 3Joh. sozialen Affront gleichkam. Dabei lag jenem Angebot und seiner
A- Pügaard erörtert, inwiefern das vierte Evangelium ein Evangelium Zurückweisung nicht der Konflikt zwischen dem Modell des von
,st- T. K. Seim stellt Überlegungen an, inwiefern die auffällige Rolle seiner Gemeinde unterhaltenen Apostels und dem sokratisch-
der Frauen im vierten Evangelium auf ein bewußtes Interesse des kynischen Ideal des unentgeltlich lehrenden, wahren Philosophen
Evangelisten zurückzuführen ist. R. Kieffer untersucht die Bildwelt zugrunde, sondern der soziale Symbolwert jenes Angebots als eines
des Johannesevangeliums auf verschiedenen Ebenen. Die Logoschri- Ausdrucks für eine Freundschaft unter Leuten von Rang, die Paulus,
stologie ist für L. Hartman Gegenstand einer Erörterung unter dem wäre er auf ihr Angebot eingegangen, unweigerlich in ihre Abhängig-
Gesichtspunkt des Monotheismus. Endlich würdigt H. Riesenfeld die keit gebracht hätte. In der griechischen Tradition vom Ideal des
forschungsgeschichtliche Stellung von Fridrichsen, Odeberg und Gyl- rechten Maßes porträtiert er sie als „Hybristen" (1 Kor 4,6-13), deren
lenberg innerhalb der Johannesauslegung. Exzesse (verhalten bei der Eucharistie, Teilnahme an heidnischen
A|le Vorträge sind (zumindest indirekt) als allgemeine Einleitungen Opfermählern, Sexualverhalten) eher soziale als theologische
ZUr Diskussion konzipiert. Sie beschreiben einen Forschungsstand, Konflikte ausgelöst hätten (daher sei es sachgemäßer, sie „Hybristen"
umschreiten Problemfeldcr und deuten Richtungen an, in denen und nicht „Pneumatiker" oder „Gnostiker" zu nennen). Bei diesem
Losungen gesucht werden sollten. So geben sie dem deutschen Leser Modell erklärt sich nun auch die scheinbare Inkonsequenz im Verhal-
rends skandinavischer Johannesexegese kund, wie z.B. die vor- ten des Paulus einerseits den Korinthern, andererseits den Philippern
nehmliche Ausrichtung fast aller Beiträge auf die anglo-amerika- gegenüber, mit denen er durchaus „durch Geben und Nehmen verasche
Forschung und das weitgehend (wenn auch nicht ausschließ- bunden war" (Phil 4,15), ohne aber deswegen soziale Parteiungcn
lch) vorherrschende Ansetzen bei einem pragmatisch gehandhabten riskieren zu müssen. Teil 3 (259-395) analysiert in drei Kapiteln Ver-
'•eraturwissenschaftlichen Ansatz. Etwas stimulierend Neues, das iauf. Konsequenzen, Vorurteile und Sprache der „Feindschaft
re|zen würde, weiter bedacht und erprobt zu werden, wird der Leser zwischen Paulus und seiner Gemeinde". Dabei ergibt sich eine Fülle
erdings in dem kleinen Band nicht finden. Er bleibt darin moderat von Perspektiven, wie hier nur angedeutet werden kann: Die Entfrem-
und zurückhaltend. dung zwischen Paulus und der Gruppe derer, die durch ihn düpiert

Kiel

wurde, war nicht nur der entscheidende Auslöser für die Parteienbil-

Jurgen Becker dung, sondern zog auch die über den Weg von „Empfehlungsschrei-

^larshaii d ^ Den" vollzogene Kontaktaufnahme zu fremden Aposteln nach sich,

"in, feter: Enmitv in Corinth: Social Conventions in Paul's r.i.»—, i/„r;„,u if„, k™. „. v„ ■ u a- a

Rc ation« »i»k .k r- ■ .u- T-u- u u 100-7 vwi Acne deren Existenz in Konnth dann 2Kor bezeugt. Zwischen diesen und

■anons with the Corinthians. Tubingen: Mohr 1987. XVI, 450 S. , ^ _ , . ~ . , ,

8r. 8* = wunj 1 Rejhe 23 Kart DM98- den einheimischen Gegnern des Paulus in Konnth bestanden „sozio-

kulturelle Affinitäten". Als Leute von rhetorischer Bildung, glänzen-

an ri f ende Monographie ist die überarbeitete Fassung einer 1980 dem Auftreten und leistungsorientierter Einstellung wußten sie die

er Macquarie University/Australicn präsentierten Dissertation. Korinther zu beeindrucken. Bei Paulus muß unterschieden werden

ke^6"' unter der Leitung des Exegeten R. Banks und des Althistori- zwischen seiner mündlichen Rede, die impulsiv und leidenschaftlich

Br u- ^ •'udge. ist sie der auf die Begegnung von Christentum und war. dem Stil des genus grande nahekam, auf die Kunstgriffe der Rhe-

he' C 'SCn"römischer Gesellschaft konzentrierten Forschung an der torik verzichtete, also non-konformistisch war undzudem von seiner

mischen Universität verpflichtet. Die Untersuchung der beiden Erscheinung insgesamt her keine glanzvolle Unterstützung fand, und

^onntherbriefe kann davon nur profitieren. Bewegt von der Frage, seinen Briefen andererseits, die den gezielten Einsatz rhetorischer

2je|. geschehen konnte, daß die am Anfang vielversprechenden Be- Mittel verraten (vgl. insbesondere 341-393 zu 2Kor 10-13). Gegen

sichUngCn zw'scnen Paulus und seiner jungen Gemeinde in Korinth den Konsens der Forschung schließt Vf. aus seinen Beobachtungen,

sUcht° raSCn aokühlten und sogar in Feindschaft umschlugen, unter- daß Paulus, sozial privilegierten Klassen zugehörig, „in Rhetorik

sozia'l 'n ^er 8r'ecn'sch-römischen Gesellschaft herrschenden geschult war" (400: trained in rhetoric), aber aufgrund seiner Lebens-

schaft"-11 ^°nvcnt'onen' von denen „Freundschaft" und „Feind- und Leidenserfahrung im Kontext des Evangeliums vom gekreuzigten

Selb ln ''1ren v'e"ältigen Formen und Ausdrucksweisen wie ihrem Messias bewußt auf „gelehrte Weisheit" verzichtet hätte (I Kor 2,1-5)

Ve L.tVerständnis geprägt wurden. Daß diese sozialen Kategorien dem (389ff. 4020- Der Streit um den Apostolat war primär soziokulturell

sind ^CS Apostc's zu seiner Gemeinde überhaupt angemessen bedingt: Er ging nicht um Legitimität (etwa die Frage, wer die rivali-

Fre W° Paulus selbst in seinen Briefen die Terminologie der sierenden Apostel bzw. Paulus legitimiert), sondern um Autorität und

VanzUndscnaft" strikt vermeidet, ergibt sich aus der faktischen Rele- ihresoziale(nicht theologische) Ausgestaltung(399).

aUc^Jencr Konventionen für das Verhältnis Apostel und Gemeinde. Mit seiner Analyse sozialer Konventionen und ihrer Einwirkung

sönl ^enn ''ener CS aus le'cnt ersichtlichen Gründen um des überper- auf das Verhältnis von Apostel und Gemeinde betritt Vf. Neuland,

nennt ^ ^nsprucns des Evangeliums willen nicht Freundschaft Das macht die Lektüre seiner Studie, deren Ergebnisse insgesamt die

pa[ ' Gemeint sind Konventionen der „Gastfreundschaft" und des Fruchtbarkeit seines methodischen Ansatzes erweisen, zu einer loh-

•.EmrC|natSWeSCns °der die für Freundschaften so wichtige Praxis der nenden und anregenden Sache. Plausibel erscheint mir seine Hypo-

e'nem 8 ' WaS a"eS aucn *"r K°nn,h von Bedeutung ist. In these zu den Anfängen der Entfremdung zwischen Paulus und seiner

ersten, vier Kapitel umfassenden Teil (1-129) werden diese Gemeinde, obwohl man zögert, in der Ablehnung der Offerte von