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Ausgabe:

1989

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. 12

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was Günzlcr erzieherisch interpretiert und konkretisiert am schulischen
Lernen und Leisten und an der unterrichtlichen Disziplin. Eine
Auseinandersetzung mit ,Heile-Welf-Vorwürfen und Mißdeutungen
gegenüber der erklärten pädagogischen Leitorientierung findet leider
nicht statt. Andeutungsweise klingt sie in Giinzlers zweitem Beitrag
an. der zugleich Auskunft darübergibt, worin die ihn pädagogisch
leitende „Lebens- und Wcltbejahung" normativ-konzeptionell angesiedelt
ist. Es ist Albert Schweitzers Ethik „Ehrfurcht vor dem
Leben", die Günzler in seinem den Sammclband abschließenden Beitrag
(S. 171-202) als „Grundimpuls für die Umwclterziehung"
würdigt. Damit ist Günzler nicht nur eine ökologisch bedingte und
motivierte Reaktualisierung der Schweitzerischen Ehrfurchtsethik gelungen
, sondern auch eine bercichsspezifische Verdeutlichung dessen,
was er oben zur Leitorientierung der „Lebens- und Weltbejahung"
ausgeführt hatte. Zumindest hier hätte man sich freilich ausdrücklichere
Bezugnahmen gewünscht!

Im zweiten Beitrag des Sammelbandes beschäftigt sich Hans-
Joachim Werner mit dem Thema „Die dialogische Philosophie Marlin
Buben und ihre Bedeutung für die moralische Erziehung"
(S. 47-81). Warum gerade Buber einen Platz in diesem Sammclband
erhält, wird im einzelnen nicht begründet, ergibt sich aber wohl aus
der unbezwcifelbar anregenden Bedeutsamkeit, die seine dialogischen
Gedanken in ethischer und pädagogischer Hinsicht für sich beanspruchen
können. Im Sinne Günzlers wird dabei die Begegnungsfähigkeit
als die erzieherische Leitorientierung der Bubcrschen Dialogik
herausgestellt, wobei diese auch „das Leben mit der Natur" umfaßt.
Hier böten sich auch bei Bubcr - analog zu Schweitzers Ehrfurchtsethik
- fruchtbare Ansatzpunkte Tür eine ökologisch orientierte und
motivierte Umweltcrzichung, die so noch nicht bedacht sind und auch
von Werner nicht angesprochen werden.

Wo es um „Ethik und Erziehung" geht, kann die Thematik „Ethos
und Ethik des Lehrerberufs" nicht ausgespart bleiben. In einem
aspektreichen Beitrag (S. 82-109), der die vielfältigen Problemstellungen
beim Wort nennt und aus seiner Sicht jeweils deutlich Position
bezieht, befaßt sich Franz Pöggeler mit diesem Themenkomplex. Er
zeigt zunächst „verschiedene Konzepte der Ethik des Lehrerberufs"
auf, fragt nach dem „.guten' Lehrer", nach „Berufsethos und ethischem
Pluralismus", nach „Schulpädagogik als Moralpädagogik"
und „Pädagogischer Professionalität als Chance und Gefahr", stellt
weiter die Frage nach dem Lehrer als „Altruist", nach „sittlichen
Fehlhaltungen" und Tugenden im Lehrerberuf: nach Glaubwürdigkeit
. Sachlichkeit und Freiheit, und verhandelt schließlich die Problemstellungen
„Lchrerethos und politischer Zeitgeist". „Lehrermangel
und Lehrerarbeitslosigkeit", „Rolle und Charisma". „Lehrerethik
als Konfliktethik" und „Das Gewissen und die richtige Richtung".
Zum Schluß betont Pöggeler noch einmal die Zeitgeistbedingtheit von
Lehrcrethos und Lehrcrethik und konstatiert, daß es heute „wohl
kaum eine andere Chance zur sittlichen Erziehung" gebe, „als daß die
Schule das in der Familie entstandene .ethische Vakuum' mit einer für
alle Bürger geltenden, an den Grundwerten der Verfassung orientierten
Umfangsethik ausfüllt" (S. 105)!

Um ..lühische Aspekle des Lehrens und Lernens" (S. 110-140)
geht es in dem didaktisch und schulpädagogisch orientierten Beitrag
Ludwig Kerstiens. In Auseinandersetzung mit pädagogisch relevanten
ethischen Grundkonzeptionen plädiert er für eine Verarftwortungs-
ethik und sieht in deren Aufbau die Aufgabe eines erziehenden Unterrichts
. Auf diesem Hintergrund verhandelt er die Thematik und entwickelt
eine „Ethische Didaktik", welche „die ethischen Forderungen
an die Struktur und Motivation der Lehr-Lern-Interaktion" bedenken
will (S. 122). Konzentriert auf die Zielsetzung ethischen Lehrens und
Lernens - „Der Heranwachsende soll lernen, ethisch gut zu handeln
." - fragt Kerstiens I. danach, ob „man ethisch angemessenes
Verhalten, eine Orientierung an ethischen Maßstäben, ethisches
Urteilen, ethisches Handeln und sittliche Tugenden, die das angemessene
Handeln sichern, lehren" kann, und 2. ob „man das lehrend vermittelte
und lernend erworbene Wissen so gestalten (kann), daß es für

das Gewissen relevant wird?" (S. 124). In den erhellenden Antwortversuchen
wird immer wieder die Bedeutsamkeit „gemeinsamen
Lebensvollzugs" betont, in dem etwa „ein Handeln eingeübt wird, in
dem Verantwortlichkeit, Klugheit, Zivilcourage, Maßhalten, Zuwendung
zu dem anderen, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit wirksam
sind. Wichtig sind dabei die alltägliche Lebensordnung, die Gewohnheiten
und die Appelle, vor allem das Vorbild" (S. 128). Für die
Schule gilt, daß die „Lehrer-Schüler-Beziehung" „die Basis gerade des
ethischen Lernens" bildet. Es gelingt in dem Maße, als dadurch die
Schüler „beispielhaft eine wertbezogene Unterrichts- und Lebensführung
erfahren" und „zum eigenständigen Werten und verantwortlichen
Handeln" gelangen können (S. 136).

Schließlich setzt sich Lutz Mauermann in einem informativen
Überblick mit fünf bedeutsamen „angloamerikonischen Erziehungskonzepten
" auseinander, „die zum Thema 'values education' oder
'moral education' miteinander konkurrieren" (S. 141-170). Er stellt
dabei nacheinander vor: 1. das Konzept „der humanistischen Pädagogik
: Values Clarification (Wertklärung - L. E. Raths)": 2. den
„sozialpsychologisch-interaktionistischen Ansatz: Consideration
(Rücksichtnahme)"; 3. L. Kohlbergs kognitiv-entwicklungspsychologischen
Ansatz der moralischen Entwicklung; 4. den „intcllektualisie-
renden, rationalitätsbetonten Ansatz: Value Analysis und Critical
Thinking (Wertanalyse und Kritisches Denken)" und 5. das „normativ
-traditionelle" Konzept der Charaktererziehung. Im Sinne der
Sammelbandthematik befragt er diese Konzeptionen nach ihren
anthropologischen und sozialen Grundannahmen, ihren Menschenbildern
und Erziehungszielen, ihrer Praktikabilität und ihrer Legitimation
und Verbindlichkeit in pluralistischen Gesellschaften. Interessant
das Schlußresümee Mauermanns, wonach sich in den USA in
jüngster Zeit die Stimmen mehren, „die von einem Scheitern der
prozeßorientierten Ansätze zur moralischen Erziehung sensu Kohlberg
oder Raths u. a. sprechen und eine Rückkehr zur traditionellen
Charaktererziehung" fordern, während in der Bundesrepublik anscheinend
„der umgekehrte und damit vielleicht erfolgversprechendere
Weg" beschritten wird, und sich „vor allem der liberale Kohlberg
Ansatz ... als stimulierender Ideenkomplex für Pädagogen, Psychologen
, Philosophen und Theologen" herauskristallisiert (S. 166). -

Insgesamt will und kann der vorgestellte Sammelband keine „kompakte
pädagogische Ethik" bieten und ist auch entgegen dem eigenen
Anspruch weniger als Lehrbuch geeignet. Was er hingegen perspektivenreich
und anregend sachkundig zu vermitteln vermag, ist eine gute
Einführung in Problemstellungen und Diskussionsstand des Themenfeldes
„Ethik und Erziehung", die gerade auch für Religionspädagogen
, denen die erzieherische Wirksamkeit und ethische Bedeutsamkeit
ihres religionsunterrichtlichen Handelns am Herzen
liegt, äußerst lesens- und bedenkenswert sein muß. Das besonders
auch deshalb, weil die Autoren der einzelnen Beiträge nicht nur deskriptiv
informieren, sondern in konservativ akzentuierter Offenheit
Positionen argumentieren, Lösungswege anbieten und Richtungen
weisen, mit denen es sich auseinanderzusetzen allemal lohnt.

Bamberg Rainer Lachmann

Beirnaert. Louis: Weitergabe von Erfahrung? Psychoanalytische Überlegungen
(GuL62, 1989,246-260).

Hjclde. Sigurd: Hva er religionspedagogikk? Noen reflcksjoncr i tilknytning
tilennypresentasjonavcmncKTTK 59. 1988.27-42).

KU-Praxis 25: Werkstatt Frieden - mit einem Andachtsheft für die Friedenswoche
. Gütersloh: Mohn 1988. 96 S. m. Abb. 4*. geh. DM 24.80.

Mommsen. Friedrich Jens: Gemeindeaufbau durch die Zeit mit den Konfirmanden
. Zur Theorie und Praxis von Konfirmandenzeit und Konfirmation.
Fuldatal: Atelea 1988.48 S.8

Prabhakar. Samson: Towards an Indian C hristian Religious Education with
Special Rcference to the Young Pcople of Karnataka (Bangalorc Thcological
Forum 21. 1989.49-63).

Prinz. Joachim: Die Geschichten der Bibel. Für Kinder erzählt. Mit Illustrationen
von H. Wallenberg. Frankfurt/M.: Jüdischer Verlag bei Alhenäum
1988. 214 S. m. Abb. 8'. geb. DM 38.-.