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Ausgabe:

1989

Spalte:

920-921

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Diskussion zur "Theologie des Gemeindeaufbaus" 1989

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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919

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 12

920

geübten Bescheidenheit. Trotzdem, spannend ist das alles schon, ein
Höhepunkt des Buches. Es wäre zu wünschen, daß sich die ökumenische
Diskussion um das Abendmahl von diesem Denken bereichern
ließe. Es ist insgesamt Tür alle, die sich mit der ökumenischen Debatte
um das Heilige Mahrbeschäftigen, ein wichtiges Buch, gerade weil es
nicht nur an konsensfähigen Aussagen interessiert ist.

Werdau Friedrich Jacob

Praktische Theologie: Allgemeines

Josuttis, Manfred: Der Traum des Theologen. Aspekte einer zeitgenössischen
Pastoraltheologie, 2. München: Kaiser 1988. 237 S.
8-. Kart. DM 36,-.

Sechs Jahre nach dem Erscheinen der vielbeachteten „Aspekte
einer zeitgenössischen Pastoraltheologie" mit dem bezeichnenden
Titel „Der Pfarrer ist anders" (vgl. meine Rezension in ThLZ 109,
1984, 634ff) legte der Vf. nun eine unerwartete Fortsetzung seines
Werkes vor. In äußerer Aufmachung, inhaltlicher Anlage und im Umfang
entspricht der 2. Band dem 1. Die Notwendigkeit der Neuerscheinung
begründet Josuttis mit den lebensbedrohlichen sozialen
und globalen Situationen, die inzwischen auch den Pfarrer vor bisher
unbekannte Herausforderungen stellen. In der Tat war der 1. Band
stärker den persönlichen und beruflichen Beziehungsproblemen gewidmet
als der 2. Band, in dem die den Pfarrer bewegenden gesellschaftlichen
Konflikte im Vordergrund der Reflexion stehen. Natürlich
gibt es durchgängig thematische Überschneidungen angesichts
der ineinander verschränkten individuellen und kollektiven
Existenz.

Wer das Buch noch nicht in der Hand gehabt hat, wird über den
Titel erstaunt sein und ihn kaum richtig deuten können. Denn es geht
um alles andere als um eine Traumlehre für den theologischen Hausgebrauch
. Ausgangspunkt und Grundmuster für die Abfolge und den
Inhalt der Darstellung ist vielmehr ein konkreter Traumbericht im
Pfarrkonvent, der hier zum Verständnis des Ganzen wenigstens stark
verkürzt wiedergegeben werden muß: Ein jüngerer Theologe (mit
sieben Amtsjahren) erlebt sich im Traum auf der Kanzel vor riesigem
Publikum und wettert gegen Botha. Während die Leute ihm zujubeln,
versucht die Kirchenleitung, ihn von der Kanzel zu holen. Er aber
schwebt in die Höhe davon und landet schließlich bei den „Revolutionären
", denen er auf die Frage nach der Parole antwortet: Ich warte
auf das Reich Gottes!

Josuttis benutzt die bildhaften Motive dieses Traums als Vorlage für
die Auswahl und Erörterung typischer Problembereiche von pastoralpsychologischer
, -soziologischer und -theologischer Relevanz heute.
Er behandelt in den großen Abschnitten des Buches nacheinander die
Predigt, die Arbeit, den Erfolg, das Böse, die Kirchenleitung, die
Brüder (und Schwestern), die Alternative, die Zukunft. Das erinnert
etwas an die emblematische Methode der Barockpredigt, bei der von
außen aufgetragene, zufällige Bildelemente statt zwingender Sachbezüge
die formale Gestalt der Rede bestimmten. Der Autor trägt wohl
mit seinem Verfahren auch einer zeitgenössischen Vorliebe für das
Symbolische, Kreative, Spekulative und Utopische Rechnung. Dabei
geht er im einzelnen, wie schon aus dem 1. Band bekannt, durchaus
rational und systematisch vor. Als das heimliche Thema des Traumsund
damit auch des ganzen Buches - wird „Der Pfarrer und die anderen
" als „ein untergründiger, unaufhörlicher Kampf (S. 12) nahegelegt
; das wäre ein möglicher Gesamttitel gewesen mit Anklängen an
den früheren. Wesentlich unterscheiden sich die Phänomene und die
analytische Betrachtungsweise des 2. Bandes nun doch nicht von
denen des 1. Vieles kehrt hier wieder oder, hätte schon dort seinen
Platz haben können, z. B. das Wort / die Predigt, die Macht / die
Kirchenleitung, das Amt / die Amtsbrüder, die Zeit / die Zukunft.

Man findet gewiß in jedem Abschnitt dieser Publikation neue
Aspekte des pastoralen Grundthemas und überraschende Einsichten

in tiefere Zusammenhänge. Aber die Methode, die neuralgischen
Punkte im persönlichem und beruflichen Dasein des Pfarrers aufzuspüren
und zu analysieren, bleibt dieselbe wie schon bekannt: Ideologiekritisch
, kirchenkritisch, selbstkritisch wird er in allen seinen
Lebensäußerungen und Amtstätigkeiten durchleuchtet. Auch wenn
neben der kritischen Analyse die Handlungsorientierungen oder theologischer
Zuspruch nicht fehlen und man dem Autor in vielen Details
samt seinen Schlußfolgerungen zustimmen muß, stellt sich leicht ein
leiser Überdruß bei dieser Art von pastoralpsychologischer Entlarvungsliteratur
ein. Was da z. B. über die Machtfrage und die
Schwierigkeiten mit der Kirchenleitung zu lesen ist, war schon im

1. Band ein verborgenes Lieblingsthema des Vf. Wenn es sich hier
zum Autoritätskonflikt mit der Institution Kirche steigert, wird man
auch nach dem subjektiven Blickwinkel des Autors fragen und an
manchen Stellen aufgrund eigener Erfahrungen anderer Meinung sein
dürfen. Das kann hier im einzelnen leider nicht dargelegt werden. Die
Positionen des Vf. verlangen nach Diskussion, gerade weil sie vielfach
theologisch oder humanwissenschaftliche frappant und begründet erscheinen
. Hätten dafür nicht einzelne Zeitschriftenartikel eine bessere
und breitere Gesprächsplattform abgeben können als ein solcher Band
gesammelter Aufsätze, der er im Grunde doch ist? Die Vermutung,
daß verlegerische Gesichtspunkte stärker für die Fortführung der ursprünglichen
Monographie sprachen als Sachzwänge, sollte lieber
nicht aufkommen. Aber der Autor hat den Vergleich mit dem 1. Band
nun selber veranlaßt: Dort war vieles straffer und übersichtlicher angelegt
, z. B. erschienen längere Zitate meist im Petitdruck. Hier im

2. Band nehmen weitläufige Ausführungen (z. B. beim Abschnitt über
das Böse unter I. und II.) und umfangreiche Zitierungen den Leser
mehr als notwendig in Anspruch. Trotzdem ist das meiste lesenswert,
und die bei Josuttis notorische Kombination von empirischen Sachverhalten
mit Reflektionen sowohl humanwissenschaftlicher wie
theologisch-dogmatischer Art macht die Lektüre dann doch wieder
spannend, wenn man sich der Anstrengung des begrifflichen Räsonnierens
geduldig unterzieht. Darum wird das Buch bei den unmittelbar
Betroffenen - und das können trotz kontextueller Verschiedenheiten
auch Pfarrer aus der DDR sein - sicherlich wieder dankbare
Aufnahme finden und nachdenklich machen oder zu Diskussionen
anregen.

Rostock Ernst-Rüdiger Kicsow

Weth, Rudolf [Hg.]: Diskussion zur „Theologie des Gemeindeaufbaus
". Neukirchen-Vluyn: Aussaat-Schriftenmission 1986.
181 S.8-. Kart. DM 18,80.

Welker, Michael: Kirche ohne Kurs? Aus Anlaß der EKD-Studie
„Christsein gestalten". Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1987.
90 S. 8°. Pb. DM 14,80.

Die Bücher von Welker und Wcth lagen der ThLZ erst zwei bzw.
drei Jahre nach Erscheinen vor. Sie entstanden in einer aktuellen
Diskussion, die seitdem weitergeführt wurde, ohne daß die diskutierten
Probleme überholt sind. M. Welker reagierte zornig auf die EKD-
Studien „Christsein gestalten" (vgl. ThLZ 112, 1987, 2230 und
„Strukturbedingungen der Kirche auf längere Sicht". Er wirft den
Autoren theologische Verantwortungslosigkeit, konzeptionslosen Relativismus
, eine „Verfalls- und Verwirrsemantik" und weitere Untugenden
vor. Die anspruchsvoll auftretende Studie arbeite mit fragwürdigen
Diagnosen und unhaltbaren Theorien. Ihre Hochrechnungsstrategie
wirke als "sclf-fulfilling-prophecy" verhängnisvoll,
und die Studie sei individualistisch fixiert. Kirche und Christus
würden praktisch identifiziert und der Glaube „in eine dunkle, beliebig
besetzbare religiöse Unmittelbarkeit" aufgelöst.

Welker deckt echte Schwächen der überprüften Studien auf, überzieht
aber die Kritik in der Sache und im Ton. Zum Beispiel erklärt
die Studie angeblich „die Pcrson-zu-Person-Kontaktc in Familie und
Freundschaft zum unerläßlichen und alleinigen Rahmen und Bezugssystem
von .Glaube und Verkündigung'" (S. 46). Diese merkwürdige