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Ausgabe:

1989

Spalte:

916-919

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Mahl des Herrn 1989

Rezensent:

Jacob, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 12

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krasses Fehlurteil aufgefallen: Im Protestantismus der zwanziger und
dreißiger Jahre sei die Debatte zwischen Barth, der Gottes Tun als Ruf
des Individuums aus den sündigen Strukturen dieser Welt verstand
und Tillich, der den Menschen zur Erneuerung der Gesellschaft aufgerufen
sah, geführt worden (40). Daß nicht immer der neueste Stand der
historischen Hypothesen vorgetragen wird, daß Vf. also seinen Studenten
und Studentinnen z. B. die Urkundenhypothese in der Penta-
teuchkritik vorträgt ünd dabei eine Frühdatierung des Jahwisten vertritt
, ohne gegenteilige Hypothese zu erwähnen, das kann als läßliche
Sünde eher mit Nachsicht übergangen werden. Es soll ja Basiswissen
vermittelt werden; und da ist zu vermuten, daß die Urkundenhypothese
eher überdauern wird als die derzeit diskutierten krausen Vorstellungen
.

Der methodische Zugang ist, wie der Untertitel andeutet, katholisch
. Das gilt auch, wenn sich der Vf. dabei an Tillich anlehnt: Ein
erster, kürzerer Teil entfaltet die Gottesfrage in der gegenwärtigen
Situation, der zweite Teil sucht dann vor allem mit biblischen Untersuchungen
nach der Antwort. Freilich wird nicht die gegenseitige Abhängigkeit
von Frage und Antwort erörtert; darin bleibt der Vf. hinter
Tillichs Reflexion der Methode zurück. Doch ist die Rezeption der
Korrelationsmethode Tillichs ja eben in dieser vereinfachten Form in
breitem Umfang erfolgt, bei der Frage und Antwort je als selbständige
Größen behandelt werden, so daß Vf. hier nur einem üblichen Verfahren
folgt. Dem Text der zehn Kapitel hat er dabei eine Reihe von
Exkursen beigegeben, die einzelne Fragen ausführlicher diskutieren
und damit den hauptsächlichen Gedankengang entlasten.

Ein erstes Kapitel führt in das Theologieverständnis im amerikanischen
Kontext ein und bestimmt dabei vor allem das Verhältnis
zum religionswissenschaftlichen Studium. Zwar könne Theologie
nicht einfach als Sicht von innen gegen Religionswissenschaft als Sicht
von außen abgegrenzt werden. Doch sei das Datum, dem sich Theologie
letztlich verpflichtet sehe, Gottes Selbstoffenbarung. Weiter wird
die Frage nach dem Glauben in der gegenwärtigen Situation behandelt
. Dabei kommt schon der durchgehende Verstehensansatz
zum Zug: Glaube ist ein personales Verhältnis, das als Liebe interpretiert
werden muß. Er ist darum Gabe und Entscheidung, durch die
Offenbarung geschaffene Antwort und tätige Praxis. Hier ist ein Anhang
zur Befreiungstheologie angeschlossen. Das dritte Kapitel ist
dann die eigentliche Entfaltung der Gottesfrage. Traditionskritisch
werden Verhärtungen aufgelöst, die ein Eingehen auf die durch das
Stichwort „Säkularisation" bestimmte Zeitsituation verhindern
könnten. Die Krisis des traditionellen Glaubensdenkens könne doch
auch Kairos für eine Erneuerung des Glaubens sein. Die Historisierung
und Relativierung traditioneller Orientierungen, das Problem
sozialer Desintegration, der Widerspruch gegen ein Verständnis der
Welt als geschlossenem System führen zur Frage nach dem transzendenten
Geheimnis, das das menschliche Bedürfnis nach unendlicher
Liebe stillen kann. Die Gottesfrage ist die Frage: „Gibt es eine Liebe,
die unbedingt hinter menschlichem Leben steht, es unterstützt, es freisetzt
, die ihm Tiefe, Ausdehnung und Dauer gibt, die es sonst nicht
haben könnte?" (52)

Die Antwort auf diese Frage wird zunächst mit biblischen Untersuchungen
versucht. Der Gott Israels wird als Gott der Geschichte bestimmt
. Das bedeute aber nicht eine partikularistische Einschränkung
. Wie der moderne Katholizismus ein anonymes Christentum
annehme, wirkliche Gottesbeziehung auch in nichtchristlichen Religionen
, so eröffne der priesterschriftliche Gedanke vom Noahbund
den universalen Horizont biblischen Gottesdenkens. Der Bundes-
,gedanke wird in seiner Entwicklung von einem gegenseitigen Verpflichtungsverhältnis
zu einem Verhältnis schöpferischer Zuwendung
Gottes zu dem, was ohne ihn nicht sein könnte, und zur eschatolo-
gischen Ausweitung beschrieben. Hier folgt ein Anhang zum Verhältnis
von Katholizismus und historischer Schriftauslegung. Die Kapitel
fünf bis neun behandeln die Frage nach Jesus, wobei Vf. die historische
Fragestellung behutsam durchführt, ohne doch durch zu
kritische Aufstellungen mit der Kirchcnlehre in Konflikt zu geraten.

Kapitel fünf ist der Frage nach den Quellen unserer Kenntnis von
Jesus von Nazareth gewidmet und behandelt in zwei Anhängen die
Geschichte der Frage nach dem historischen Jesus und das Problem
der Kindheitsgeschichten bei Matthäus und Lukas, wobei die Historizität
der Tradition von der jungfräulichen Empfängnis wahrscheinlich
gemacht wird. Ein weiteres Kapitel gilt dem Verständnis des Reiches
Gottes durch Jesus; ein Anhang erörtert die Frage nach dem Ziel, das
Jesus mit seiner Verkündigung des Reiches Gottes verfolgte. Das
siebte Kapitel fragt nach dem Verhältnis Jesu zum Kommen des
Reiches, sieht hier auch den Schlüssel zu Jesu Selbstbewußtsein; der
Anhang behandelt die auf dem Hintergrund der Zweinaturenlehre
sich ergebene Frage nach einem menschlichen Bewußtsein Jesu. Das
achte Kapitel hat Passion und Tod Jesu zum Gegenstand, wobei insbesondere
die Frage mit erörtert wird, inwiefern dieser Tod Jesu als
Opfer verstanden werden kann und muß. Das neunte Kapitel untersucht
zunächst die Auferstehungstraditionen, um dann im Anhang die
Ursprünge der Christologie in der frühen Kirche zu bearbeiten. Beides
geschieht in einer kritisch affirmativen Weise, die auf eine Bestätigung
der biblischen Aussagen hinausläuft, ohne doch die Probleme zu verschleiern
. Ein letztes Kapitel behandelt „die Trinität als Zusammenfassung
der christlichen Antwort auf die Gottesfrage". Dabei wird
gerade auch der vor allem durch Rahner angestoßenen Diskussion
breiter Raum gewidmet. Das Ergebnis muß lauten: Das Wesen Gottes
als der letzten Realität ist Liebe.

Gerade auch die Erörterungen des zweiten Teiles sind eindrücklich
gearbeitet. Sie leiten zu einem historischen Verstehen der Bibel und
zugleich zu einem kritischen Umgang mit der Glaubensüberlieferung
an. Doch frage ich mich, ob das angestrebte Ziel so wirklich erreicht
wird. Genügt die im ersten Teil erarbeitete existentielle Dimension
der Gottesfrage, um die in den biblischen Schriften gegebene Existenzwahrheit
aufzuschließen, wenn diese Schriften dann doch vorwiegend
in der historischen Distanz betrachtet werden? Müßte nicht gerade
dort, wo es um ein elementares Vertrautwerden mit der Bibel geht,
viel mehr die Nähe als die Abständigkeit der Texte betont werden?
Doch hier stehen wir alle vor einer ungelösten Frage, und die besprochene
Arbeit kann gerade auch dabei zu weiterem Nachdenken
nötigen.

Erlangen Friedrich Mildcnberger

Garijo-Guembe, Miguel, Röhls, Jan, u. Gunther Wenz: Mahl des
Herrn. Ökumenische Studien. Frankfurt/M.: Lembeck; Paderborn
: Bonifatius 1988. 338 S. gr. 8". Kart. DM 68,-.

Es wäre „ein schwerer Verlust für die Christenheit, wenn die Eigentümlichkeiten
konfessionsspezifischer Perspektiven in Vergessenheit
gerieten" (7). Um dies zu verhindern, bietet die zu besprechende Veröffentlichung
drei selbständige Monographien für das Herrenmahl.
Jede verfolgt das Ziel, sowohl die Lehre der eigenen Kirche darzustellen
, als auch diese in den ökumenischen Kontext der Westkirche
einzuordnen. Den Anfang macht Garijo-Guembe, Professor für
ökumenische Theologie in Münster, mit dem katholischen Beitrag. In
einer kurzen Einführung formuliert er sein Programm: „die westliche
Position im Lichte der Tradition der ungetrennten Kirche darzustellen
" (13). Ausgangspunkt der Reflexion ist: „Die Eucharistie wird
als ,Anamnese7.Gedächtnis' des Abendmahls Jesu mit seinen
Jüngern ... in der liturgischen Struktur der Danksagung gefeiert"
(13). In einem ersten historischen Teil wird das Verständnis der
Eucharistie von der Einsetzung bis zur Gegenwart skizziert. Ausgangspunkt
ist das jüdische Paschamahl mit den Aspekten des Gedächtnisses
und der Danksagung. Es wird gezeigt, wie über den Begriff
des Lobopfers die Opferterminologie in das Abendmahlsverständnis
der Alten Kirche Eingang findet. Überzeugend ist die Methode, das
Verständnis der Eucharistie an Hand der liturgischen Texte zu entfalten
. Schließlich werden die Entscheidungen des Tridentinum im
Zusammenhang der reformatorischen Kritik und ihrer Vorgeschichte