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Ausgabe:

1989

Spalte:

907-908

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Die Kirchen Europas in der Nachkriegszeit 1989

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Seite 1

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907

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 12

908

wurde berichtet, jedoch „stark verharmlosend" (452). Nach 1933
..war das Evangelium nicht nur an das Volkstum gefesselt, sondern
noch zusätzlich an die NS-Ideologie ..." (461).

Kapitel 5 „Nationale evangelisch-lutherische Kirchwerdung in
Brasilien" setzt vor allem 1937 ein: Eine brasilianische Nationalisierungswelle
drängte die deutsche Sprache zurück und zwang die
deutschen Kirchen, sich auf den „Hauptauftrag der Verkündigung des
Evangeliums" zu besinnen (463). Der 2. Weltkrieg führte „die Synoden
endgültig auf den Weg der Eigenverantwortlichkeit, der Zusammenarbeit
und der Einwurzelung in den lusobrasilianischen Kontext"
(464). Das Kirchliche Außenamt nach 1945 unter Martin Niemöllcr
„unterstützte die Bewegung zum Zusammenschluß der Synoden, die
1949, mit der Bildung des Bundes der Synoden konkrete Gestalt
annahm" (465). Bekenntnisgrundlagc waren die Confessio Augustana
und Luthers Kleiner Katechismus. Das Gesangbuch wurde
übersetzt, eine Agende in portugiesischer Sprache erarbeitet. Der
Zusammenschluß der vier Synoden 1949 nannte sich „Federacao
Sinodal" (540). Man legte sich 1950 Rechenschaft ab: „Die Zeit der
deutschen Einwandererkirche, deren Arbeit naturgemäß eine vorwiegend
sammelnde und bewahrende war, geht zu Ende. An ihre Stelle
tritt eine Kirche, die sich als bodenständige Kirche mitverantwortlich
weiß für das ganze Land und dafür, daß in diesem Land heute und in
Zukunft an alle Menschen ohne Unterschied die Botschaft des Evangeliums
ausgerichtet wird" (543). Der Eintritt in den Weltrat der Kirchen
vollzog sich problemlos; den Eintritt in den Lutherischen Weltbund
erschwerte Bischof Meiser: Tatsächlich war eine der vier Synoden
früher stark abhängig gewesen von der preußischen Unionskirche
; sie konnte nach Meisers Auffassung Jetzt nur dann als lutherisch
bezeichnet werden, wenn sie diesen Status ausdrücklich geändert
hat" (547). (Auch von der Greifswalder Kirche verlangte Meiser
damals, sie müsse vor einem Eintritt in den LWB aus der Unionskirche
austreten!). Präsident Nygren und Generalsekretär Lund-Quist
waren großzügiger, der brasilianische Kirchenbund wurde im August
1950 in den LWB aufgenommen - was dann den reformierten Moderator
Wilhelm Niesei zu kritischen Anfragen bewegte (563). „Man
kann die Anfrage Nieseis als letztes Aufflackern der reformierten und
unierten Tradition betrachten, die in der Geschichte der brasilianischen
Gemeinden eine nicht unwichtige Rolle gespielt hat" (564).
Kapitel 5,4 „Das Verhältnis zur Missouri-Synode (MS)" (564) ergänzt
das Bild: Dort hatte man lange Erfahrungen damit, daß Einwanderer
die neue Landessprache übernahmen ohne Preisgabe des Bekenntnisses
(575 ff).

Ein Nachwort zieht Entwicklungslinien zur Gegenwart: Zum
Gesangbuch und zur Agende kam noch ein Gemeindeblatt in portugiesischer
Sprache (593), eine neue Grundordnung wurde 1962
beschlossen. Auf die zeitweilig in Porto Allegre geplante 5. Vollversammlung
des LWB wird eingegangen (595); zuletzt erfährt man von
der Mitarbeit der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses
in Brasilien im 1982 gebildeten Lateinamerikanischen Kirchenrat
(598). Der Autor hat ein sehr reiches Quellenmaterial durchgearbeitet
und von einem festen Standpunkt aus dargelegt. Er verschweigt nicht,
wie viele Irrwege gegangen wurden und wie groß die Streitsucht der
Theologen auch in Zeiten der Bedrängnis war.

Rostock Gert Haendler

Kirchliche Zeitgeschichte (KZG). Internationale Halbjahresschrift für
Theologie und Geschichtswissenschaft. *2. Jahrgang Heft 1/1989.
Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht 1989.391 S.gr.8-.

Heft I, 1989 der KZG hat als Themenschwerpunkt: „Die Kirchen
Europas in der Nachkriegszeit". Drei Aufsätze sind aber zunächst
noch dem Themenschwerpunkt von Heft I, 1988 (Der Widerstand
von Kirchen und Christen gegen den Nationalsozialismus) gewidmet
:

Heinz Eduard Tödt: Die Novemberverbrechen 1938 und der deutsche
Protestantismus. Ideologische und theologische Voraussetzungen für die Hinnahme
des Pogroms (14—37). Günther van Norden: Die evangelische Kirche
und die Juden im „Dritten Reich'* (38-49). Peter von der Osten-Sacken:
Geschichte im Detail: Die Daten der „Reichskristallnacht'* in Gerhard
Schäfers „Dokumentation zum Kirchenkampf' (Bd. 6) (49-52).

Den Hauptteil des (dem Umfang nach mit einer Monographie vergleichbaren
) Heftes nimmt die „Dokumentation des ersten von dieser
Zeitschrift veranstalteten Symposiums über ,Die Kirchen Europas in
der Nachkriegszeit (1944-1948). Nationaler Neuanfang im internationalen
Vergleich"" ein (Einleitung S. 5). Das Symposium fand
vom 27. bis 30. 8. 1988 in Potsdam statt. Insgesamt 18 Autoren
berichten über die Entwicklung in elf Ländern, darunter allein sechs
Beiträge zur Lage in Nachkriegsdcutschland. Dazu kommen zwei
„systematisch-theologische Reflexionen" zu Neuanfang in der Verkündigung
und Schuldfragc. Das Heft enthält außerhalb der Potsdamer
Tagung eine weitere Dokumentation: Ökumenische Mission
in Nachkriegsdeutschland (St. H. Herman). Außerdem finden sich
einschlägige Rezensionen und Berichte, darunter ein Bericht über ein
Kolloquium der Sektion Theologie der Humboldt-Universität Berlin
/DDR zum „Gedenken an den Pogrom vom 9./10. November
1938". Neben der Vorschau auf die Hefte 2, 1989 (Evangelisches
Kirchenverständnis in diesem Jahrhundert) und 1, 1990 (Das Verhältnis
von Staat und Kirche im Europa der 50er Jahre - Tagungsbericht)
findet sich die Ankündigung eines weiteren Symposiums: „Beitrag der
Kirchen zu Frieden, Völkerverständigung und Menschenrechte in
diesem Jahrhundert".

E.-H. A.

Bussmann, Claus: Treu deutsch und evangelisch. Die Geschichte der
deutschen evangelischen Gemeinde zu Asunciön/Paraguay von 1893-1963.
Stuttgart: Steiner 1989. XVIII, 182 S. m. 2 Ktn gr.8* = Acta Humboldtiana.
12. Kart. DM 58,-.

Graf, Friedrich Wilhelm: Der deutsche Protestantismus und die Revolution
der Katholiken (PTh 78, 1989,292-308).

Koch, Diether: Was geht Christen der Historikerstreit über die deutsche
Geschichte an? Versuch einiger Thesen (EvTh 48,1988,549-554).

Koch. Ernst: Humanität und christlicher Glaube bei Johann Gottfried Herder
(In: Fundamente. Berlin: Evang. Vcrlagsanstalt 1987. S. 195-200).

Long.Gianni: Valdesieregimefascista(Protest.43. 1988.175-178).

MaRer, Inge: Das Verhältnis der Göttinger theologischen Fakultät zur
Hannoverschen Landeskirche während des Dritten Reiches (JGNKG 85, 1987,
179-196).

Meier, Kurt: Literatur zur kirchlichen Zeitgeschichte (ThR 54, 1989.
113-168).

Mayer, Rainer: Zur Rezeption und Interpretation des Werkes von Dietrich
Bonhocfler. Litcraturübcrblick und Forschungsbericht (Theologische Beiträge
20,1989,29-42).

Müller. Hans Martin: BonhocITcr-lnterpretationen (ThR 54, 1989.
307-314).

Neuer, Werner: Die Bedeutung Adolf Schlatters für Theologie und Kirche
heute (Theologische Beiträge 20, 1989, 191-203).

Nowak, Kurt: Bürgerliche Bildungsrcligion? Zur Stellung Adolf von Har-
nacks in der protestantischen Frömmigkcitsgeschichtc der Moderne (ZKG 99.
1988,326-353).

Rcndtorff. Trutz: Schuld und Verantwortung 1938/1988. Gedanken zum
christlichen Umgang mit der Vergangenheit (ZThK 86,1989. 109-124).

Strohm. Christoph: Das von Hans von Doynanyi geführte Diensttagebuch
des Reichsjustizministers 1934-1938: eine noch unausgeschöpfie Quelle für die
Erforschung des Kirchenkampfes (ZKG 99. 1988,354-375).

Thadden, Rudoirvon: Luther in Preußen (ARG 79, 1988,5-25).

Tödt. Heinz Eduard: Die Kirche nach der Pogromnacht. Versuch einer
Rechenschan (EK21,1988,633-6.38).

Vollnhals, Clemens [Bcarb.]: Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch
. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945. Göttingen:
Vandenhocck & Ruprecht 1988. XLV, 392 S. gr.8" = Arbeiten zur kirchlichen
Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen, 3. geb. DM 84,-.

Wilkens. Erwin: Der Fall Marahrensaus der Sicht eines Zeitzeugen (ZEvKR
33. 1988,427-441).