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Ausgabe:

1989

Spalte:

888-890

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jewett, Robert

Titel/Untertitel:

The Thessalonian correspondence 1989

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 12

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Einleitung (S. 13-25) die in die Literatur einführt und das.methodi-
sche Vorgehen begründet; beschlossen wird die Studie mit dem
zusammenfassenden Vergleich beider Texte (S. 189-199).

Die diachrone Betrachtung der beiden Texte bewegt sich weitgehend
, was Methode und Ergebnisse betrifft, im Rahmen der bisherigen
Forschung: Vf. ist um die Sicherung des Textes bemüht (vgl. die
besonderen Akzentuierungen zu Lk 24,50-53) und arbeitet formkritische
wichtige Differenzen zwischen beiden Texten heraus:
Lk 24,50-53 ist an den biblischen Abschiedsgeschichten orientiert,
Apg 1,1-11 muß dagegen als Entrückungsgeschichte verstanden werden
. Obwohl zurückhaltend gegenüber jedweder speziellen Quellentheorie
geht er dann doch davon aus, "that it is at least plausible to
think that a pre-Lukan tradition of a narrated ascension did exist."
(S. 150) Diese Tradition ist freilich von Lukas an beiden Stellen entsprechend
der jeweiligen literarischen Funktion umgeformt worden:
."into a final departure scene in Luke 24,50-53 and a heavenly-
assumption story ... in Acts 1." (S. 63) Die synchrone Analyse, auf
der das besondere Gewicht der Studie liegt, versucht dieses Ergebnis
der diachronen Betrachtung weiterzuführen. Ansatzpunkt ist dabei
v. a. die besondere Stellung der beiden Himmelfahrtsperikopen als
Abschluß des Lukasevangeliums einerseits und Beginn der Apostelgeschichte
andererseits. Ausgehend von verschiedenen Ansätzen der
Literaturwissenschaft, Anfang und Schluß der Erzählung näher zu
bestimmen, analysiert Vf. beide Texte unter dreifacher Hinsicht: 1.
"Closure/Beginning and Plot Developement in Luke/Acts" 2. "Clo-
sure/Beginning and the Viewpoint in Luke/Acts" 3. "Closure/Beginning
and the Relationsship between Narrator and Reader in Luke/
Acts." Lk 24,50-53 erweist sich bei dieser Befragung durch vielfache
Bezüge zum Anfang wie zum Corpus des Evangeliums als eng auf die
Entwicklung der Evangelienerzählung bezogener Abschluß; in 1,1-4
und 24,50-53 sieht Vf. zudem einen erzählstrategisch bedeutsamen
Rahmen, weil der Leser durch 1,1 -4 in die Erzählwelt eingeführt und
durch 24,50-53 wieder aus ihr herausgeführt werde. Dabei konfrontiert
gerade der Weggang Jesu als Erzählschluß den Leser in besonderer
Weise mit der Stellung des Evangelisten zum gesamten Weg des
Kyriqs. Die Leser werden in diesem Schluß nur dann mit dem Evangelisten
in eins kommen, "when they accept the narrator's undcrstan-
ding of the cruciality of the 'lifting up' event (death-resurrection-
ascension) for Luke's story of Jesus." (S. 111) Auch in Apg 1,1-11
lassen wichtige thematische Beziehungen zum Schluß wie zum Corpus
der Apostelgeschichte die innere Beziehung des Textes zur Entwicklung
der Erzählung der gesamten Schrift erkennen. Die Funktion
von Apg 1,1-11 wird dahingehend bestimmt, daß der Leser aus seiner
Welt in die Welt der Erzählung geführt werden soll: "the relationship
of narrator and reader to the events and existents of ascension story in
Acts moves from external to internal." (S. 180) Dabei erscheint das
Ende der Geschichte Jesu als Anfang der Geschichte der Kirche und
fordert die Antwort des Lesers auf die Frage nach dem wirklichen
Ende der Geschichte heraus: "The ascension, then, describes the jour-
ney of Jesus into heaven and the journey of church into the world."
(185)

Im abschließenden Vergleich von Lk 24,50-53 und Apg 1,1-11
sucht Vf. das Verhältnis beider Texte zueinander zu bestimmen und
so die einzelnen Untersuchungsgänge auf den größeren Rahmen des
lukanischen Doppelwerkes hin zu öffnen, dabei wertet Vf. die beiden
Himmelfahrtstexte als bewußte erzählerische Verklammerung, bei
der aber durch die unterschiedliche Darstellung des Geschehens in
Lk 24,50-53 einerseits und Apg 1,1 -11 andererseits der Beginn eines
neuen Erzählzusammenhanges scharf markiert wird.

Vf. hat alles in allem u. E. eine Studie vorgelegt, die sich durch eine
Reihe von Vorzügen empfiehlt: Sie führt den Leser eingehend in die
bisherige Forschung zu den lukanischen Himmelfahrtstcxten ein,
macht ihn mit wichtigen Ansätzen der neueren Erzählforschung vertraut
und legt für Lk 24,50-53 und Apg I, I -13 ein im Ganzen wie in
den einzelnen Schritten überprüfbares und methodisch nachvollziehbares
Erklärungsmodell vor. Dabei beeindruckt v. a. die innere

Geschlossenheit seines Entwurfs und die Konsequenz, mit der er seine
These entfaltet. Gerade diese Konsequenz wirft freilich auch mancherlei
Fragen auf: Impliziert das von außen an die Texte herangetragene
Befragungsschema nicht von vornherein bestimmte Antworten,
durch die deren individuelles Profil überspielt wird? Ist eine derart
„symmetrische" Befragung von Anfang und Schluß der Erzählung
möglich, ohne daß wichtige erzählerische Akzente von vornherein
ausgeblendet werden? Ist jeder vom Vf. erhobene Bezug wirklich
bereits Ausdruck einer bestimmten literarischen Strategie, oder
werden vom Gesamtentwurf her nicht doch bisweilen mehr formale
Bezüge mit einer Sinngebung befrachtet, die ihnen von der literarischen
Funktion her nicht zukommt? Diese Fragen sollen freilich
nicht das oben geäußerte Urteil zurücknehmen, sondern anzeigen,
daß die Himmelfahrtstexte des lukanischen Doppelwerkes in der
Studie von M. C. Parson eine Bearbeitung gefunden haben, mit der
die Auseinandersetzung lohnt.

Erfurt Claus-Petcr März

Jewett, Robert: The Thessalonian Correspondence. Pauline Rhetoric
and Millenarian Piety. Philadelphia, PA: Fortress 1986. XV, 240 S.
gr. 8° = Foundationsand Facets: New Testament.

Das Buch faßt die Diskussion der jüngeren Zeit über die Thessaloni-
cherbriefe zu einem wesentlichen Teil zusammen, trägt zugleich aber
selbst geschärfte Thesen hinsichtlich ihres Verständnisses vor. J. will
die Briefe aus ihrer Situation und Funktion heraus begreifen; entscheidendes
Mittel dazu ist ihm, darin einem gegenwärtigen amerikanischen
Trend folgend, die rhetorische Analyse.

Zunächst, in den Kap. 1-4, stellt J. sich den klassischen Einleitungsfragen
nach der Echtheit der Briefe, ihrer Reihenfolge, Integrität
und zeitlichen Ansetzung. Er sucht die Entscheidung weitgehend über
eine kritische Darstellung der Forschungsdiskussion zu diesen Fragen
zu gewinnen. Trotz aller Bedenken entscheidet er sich - gegen die
moderne Diskussionslage - für die Echtheit von 2Thcss, weniger aus
positiven Gründen dafür als vielmehr wegen der Schwierigkeit, ihn als
Fälschung zu begreifen. Die Briefe sind in der kanonischen Abfolge an
die gleichen Empfänger, die sich freilich in geänderter Verfassung
befinden, geschrieben und in ihrer ursprünglichen Form, ohne Interpolationen
, erhalten. Geschrieben sind sie zu Beginn der paulinischen
Mission in Korinth im Frühjahr des Jahres 50 n. Chr., 1 Thess 5 bis 8
Monate nach Abbruch des paulinischen Aufenthalts in Thessalonich;
beachtet will dabei freilich sein, daß das „Apostelkonzil", ausgelöst
durch eine judaistische Krise, nach J.s Chronologie erst im Oktober
51, also ein und ein halbes Jahr später, stattfindet.

Die rhetorische Analyse klassifiziert I Thess als dem "demonstra-
tive/epideictic genre" zugehörig, 2Thess - ein "mixed letter", in dem
"denial and reproval" verbunden sind - dagegen als "deliberative letter
". Ohne genauer ausgeführte Begründung wird eine detaillierte rhetorische
Analyse der beiden Briefe präsentiert, die durchaus ihre Aussage
erschließen kann. Daß freilich grundsätzlich neue Erkenntnisse
über ihren Inhalt und ihre Funktion sich dabei einstellen, ist mir nicht
sichtbar geworden. Nicht wirklich geklärt scheint auch das Verhältnis
von "epistolary analysis" als "non-rhetorical" und "rhetorical analy-
sis"; abgesehen von der Frage, wieweit man rhetorisch und epistolisch
überhaupt voneinander trennen darf (zumal in dem besonderen
Bereich der paulinischen Briefe), spielen in jedem Fall auch bei der
rhetorischen Analyse inhaltliche Kriterien eine entscheidende Rolle.
Das zeigt denn auch ein Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher
Analysen deutlich.

Mit dem 6. Kap. betritt das Buch den Bereich seines eigentlichen
Interesses, die Rekonstruktion der Situation der thessalonischen
Gemeinde, auf die die beiden Briefe eingehen. Zunächst stellt J. dar,
was sich ihm dafür aus den Briefen selbst ergibt. Die rhetorische Analyse
von IThess, insbesondere von 1,6-3,13. der "narratio of grounds
for thanksgiving", zeigt, daß es ernsthafte Probleme in der Gemeinde
bezüglich Glauben und Leben gab. Das ergibt sich nun freilich keines-