Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

883-884

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Matera, Frank J.

Titel/Untertitel:

What are they saying about Mark? 1989

Rezensent:

Sellin, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

883 "

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 12

884

daß die Psalmen Salomos nichts mit dem Bruderstreit zwischen
Aristobulos II. und Hyrkan II. und mit den Maßnahmen des
Pompeius zu tun haben, somit auch kein Zeugnis der Feindschaft der
Pharisäer gegen den Staat der Hasmonäer sein können. Insbesondere
die Beschreibung von Pompeius' Ermordung in Ägypten in
PsSal 2,26 f entspreche entgegen herkömmlicher Auslegung dem tatsächlichen
Vorgang nicht. Der Passus sei kein Reflex eines historischen
Ereignisses in der Hasmonäerzeit, sondern ziele auf das Ende
des Antichrist. Die Psalmen Salomos seien in Wahrheit ein Stück
christlicher Literatur in israelitisch-jüdischem Gewände. Das Anliegen
, das Vf. mit dieser Interpretation verfolgt, lautet: "The Jewish
State which the Hasmoneans were appointed to head was established
and built up with the help of the whole people." Auch wenn Vf. die
hasmonäische Epoche mit einer solchen These idealisiert, und auch
wenn man ihm die rein christliche Herkunft der PsSal nicht abnimmt
, so sollte darüber nicht verkannt werden, daß diese Schrift
doch wohl mehr christliche Züge aufweist, als meistens angenommen
worden ist.

Um das Verhältnis des Alexander Jannaios (103-176) zu den Pharisäern
geht es in dem ausführlichen Kapitel 5 (Simeon Ben Shatah and
Alexander Jannaeus). Bei seiner Untersuchung der Quellen gibt Vf.
wie auch sonst dem Jerusalemer Talmud vor dem Babylonischen den
Vorzug. Die Jerusalemer Version einer Legende über Simon Ben
Schetach (vgl. E. Schürer, I, S. 279ff) wird mit dem Zeugnis des F.
Josephus verglichen, der über die hasmonäischen Herrscher seit
Aristobul I. wenig Positives berichtet und deshalb des Vf. Hochschätzung
dieser Dynastie arg widerspricht. Die Darstellung des F.
Josephus beruht, wie Vf. richtig hervorhebt, weitgehend auf nichtjüdischen
Quellen und insbesondere auf Nikolaus von Damaskus, der
die Hasmonäer von seinem pro-herodianischen Standpunkt aus diffamiere
. Das Ergebnis dieses Kapitels lautet: "That Eretz Israel tradi-
tion culminating in the Mishnah, the Jerusalem Talmud, and related
midrashic works, is not alien or hostile to the Hasmoneans,
notwithstanding the erroneous opinions disseminated by various exe-
getic schools." (S. 215) Man kann dem gewiß zustimmen, die Frage
aber, welche Version der historischen Wirklichkeit nähersteht, die -
tendenziöse - Historiographie oder die Legendenbildung, wohl nicht
im Sinne des Vf. beantworten.

Das Kap. 7 (The Great Sanhedrin in Vision and Reality) geht über
die Epoche der Hasmonäer hinaus. Eine historische Durchsicht der
rabbinischen Literatur ergibt, daß es den „großen Sanhedrin" in der
Zeit des Zweiten Tempels nicht gegeben hat, sondern lediglich
•einzelne, boule, gerousia, synedrion genannte Räte und Versammlungen
. Auch F. Josephus und andere, apokryphe und hellenistische
Quellen bieten keinen Beleg für eine solche Zentralinstanz, wie sie
auch noch das NT voraussetzt. Insbesondere das neutestamentliche
Synedrion sei vielmehr ein Erzeugnis christlicher Theologiebildung:
das die gesamte Judenheit repräsentierende Kollegium, welches für
den Tod Jesu verantwortlich gemacht wird.

Die Studien sind mit leidenschaftlicher Inbrunst und oft harter
Polemik geschrieben. Wer sich hierdurch nicht beirren und verärgern
läßt, wird zu mancher wichtigen Korrektur an fast kanonisch gewordenen
Vorstellungen angeregt.

Bonn Antonius H. J. Gunneweg

Neues Testament

Matera, Frank J.: What Are They Saying About Mark? New

York-Mahwah: Paulist 1987. IX, 115 S. 8°. Kart. $ 4.95.

Dieses Buch gehört zu einer Reihe ("What Are They Saying
About..."), die die unterschiedlichen Forschungsergebnisse zu
diversen theologischen Themen übersichtlich vorstellt. Dieser Band
über Mk ist Tür deutsche Leser besonders interessant, weil hier vor

allem über die Theorien und Ergebnisse amerikanischer Exegese zu
Mk berichtet wird, die in methodischer und hermeneutischer Hinsicht
weitreichende Konsequenzen haben und in Europa noch nicht genügend
bekannt sind. Der Vf. gliedert den Stoff in fünf Abteilungen:
(l)zum historischen Rahmen (Einleitungsfragen), (2) über die
Christologie des Mk, (3) über das Jüngerbild in Mk, (4) zur Komposition
und zu den Quellen des Mk, (5) Mk als Erzählung. Durchweg
referiert er fair, auch wenn er seine eigene Meinung nicht verschweigt,
die meist ein wenig konservativ ausfällt. So votiert er z. B. mit E. Best
und M. Hengel Tür eine Abfassung des Mk vor 70 in Rom, stellt aber
die dem widersprechenden Theorien von Niederwimmer, Brandon,
Marxsen, Kelber und Kee in ihrer je eigenen Plausibilität vor. Mich
selbst überzeugt dabei am meisten die Syrien-Hypothese von Kee. -
Die Christologiedarstellungen, die sich alle mit dem Messiasgeheimnis
auseinandersetzen, sortiert er in eine „Korrektiv-Christologie"
(Weeden, Perrin) und eine messianische „Sohn-Gottes-Christologie"
(Kazmierski, Juel, Steichele, Kingsbury), wobei er selbst zur letzteren
neigt. Auch wenn Weedens Theorie mit Recht abgelehnt wird, sind
doch die Themen theios- aner und ,,Menschensohn" bei Mk keineswegserledigt
. - Mit dem Thema der Jüngerrolle in Mk nähert sich das
Buch den neuesten Methoden: der Kompositionsanalyse und der literaturwissenschaftlichen
Analyse. Hier werden vom Vf. m. E. zu Recht
Weedens und Kelbers häresiologische Deutungen der Jüngerrolle abgelehnt
. Das Jüngerversagen wird (mit Tannehill) gerade unter der
Voraussetzung erklärt, daß sich die Leser mit den Jüngern identifizieren
. - Während die Quellenfrage bisher ungelöst ist, ergibt sich doch
ein zunehmender Trend zur synchronen literarischen Analyse des
Mk. Ob Mk ein konservativer Redaktor (Pesch, Best) oder ein kreativer
Theologe (Kelber) war, diese Frage wird also vorläufig zurückzustellen
sein. - Statt dessen gibt es einen neuen Konsens darüber, daß
das Mk als literarisches Erzählwerk in erster Linie nicht historisch (in
bezug auf seine Referenten), sondern literaturwissenschaftlich (in
bezug auf die Strukturen seiner erzählten Welt) auszulegen ist. Hier
werden vom Vf. zunächst rhetorisch-analytische Gattungshypothesen
(Bilezekian, Standaert, Robbins) und dann vor allem die erzähltext-
analytische Methode des "Literary Criticism" (Norman R. Peterson,
D. Rhoads - D. Michie) vorgestellt. Zu Recht aber betont der Vf., der
diesem neuesten Trend synchroner Analyse zustimmt, daß die historischen
Fragen dabei nicht unter den Tisch fallen dürfen. - Das ganze
Buch stellt vorbildlich die Forschungsergebnisse gebündelt, übersichtlich
, strukturiert und präzise vor. Man kann es allen Studenten, die
über den klassischen Lehrbuchstoff hinauswollen, nur empfehlen.

Oldenburg Gerhard Sellin

Magness, J. Lee: Sense and Absence. Structure and Suspension in the
Endingof Mark'sGospel. Atlanta, GA: Scholars 1986. VI, 136 S. 8"
= SBL. Semeia Studies. Kart. $ 10.95;Lw.$ 14.95.

M. hat seine Monographie dem abrupten Schluß des Markusevangeliums
gewidmet, der in den ältesten Handschriften bezeugt ist.
Im Grunde ist es jedoch auch eine Studie über die Bedeutung des
Nicht-Gesagten und des Ausgelassenen als Mittel literarischer
Kommunikation.

Mit der konsequent literarischen Methode hängt zusammen, daß
die Diskussion über die mögliche Erklärung des abrupt scheinenden
Schlusses des Markusevangeliums (mit Mk 16,8) nur sehr kurz
wiedergegeben ist. M. erwähnt die Umstände, die einen vorzeitigen
Schluß verursachen könnten, mit m. E. berechtigt kritischer Einschätzung
. Über die Motive Tür eine solche Art des Schlusses, die in
der theologischen Absicht des Evangelisten liegen können, berichtet
er nur allgemein (Bultmann und Bousset werden überhaupt nicht erwähnt
, die Theorie des Messiasgeheimnisses wird nicht näher charakterisiert
). Für die weitere Argumentation ist entscheidend, daß die
apokalyptische Auffassung von Mk 16,7 als Hinweis auf die Parusie
(N. Perrin und seine Schüler; wir lügen hinzu, daß es schon E.