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Ausgabe:

1989

Spalte:

65-67

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Buttrick, David G.

Titel/Untertitel:

Homiletic 1989

Rezensent:

Theurich, Henning

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Theologische Literaturzeitung l 14. Jahrgang 1989 Nr. I

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Praktische Theologie: Homiletik

lichung oder Kompensation?" und 11: „Pneumatologie und Metho- "struetures" im engeren Sinn von Predigtentwurf und -absieht ("plots

dik in der kirchlichen Praxis - Sozialtechnik oder Selbstbegren- and intentions") dargestellt; aus Exegese und homiletischer Analyse

zur>g?". Im 10. Kap. warnt er vor „einer unrealistischen Überschät- ergibt sich ein "field of understanding" als Basis für den Entwurfeiner

zung der Gefahren, die in der angeblich .totalen'Freizeit lauern, und Predigt ("plot") mit den Schritten: "basic strueture", "expanded

einer ebenso unrealistischen Überschätzung der Chancen, die im F. ei- sketch" und "final strueture" (Kap. 18-25). Eine „kurze Theologie

Zeitbereich tür die kirchliche Arbeit zu liegen scheinen" (238). Der der Predigt" (Kap. 26) schließt das vielschichtige Werk, dessen Cha-

Beitrag zielt mehr auf Desillusionierung, als daß er positive Möglich- rakter B. als „theoretisch - technisch" bezeichnet. In der Tat finden

keiten zeigt. Im Schlußkapitel skizziert J. den Erfahrungshorizont, sich grundsätzliche Überlegungen und praktische Anweisungen

den die theologische Rede vom heiligen Geist interpretiert. Sie „arti- (anhand vieler Beispiele, die zumeist von B. selbst stammen) in beiden

kuliert die Freiheit des Gegenstandes menschlicher Kommunikation Teilen, wenn auch die ausdrücklichen Regeln ("rules") im Sinne

gegenüber dem menschlichen Zugriff ebenso wie dessen Kraft zur angewandter Rhetorik sich auf den 1. Teil beschränken.

Selbsterschließung in jenem Ereignis, das der Mensch als nicht her- Beide Teile sind selbständig und bilden zusammen einen „homile-

stellbares Geschenk des Verstchens erfährt" (266). Das bedeutet Ent- tischen Zirkel" (Teil und Ganzes), so daß B. es dem Leser überläßt, ob

'astung vom Perfektionszwang ohne Verzicht auf das methodisch er die Lektüre mit "moves" oder mit "struetures" beginnen will. Aber

Möglichc. Daß eine ..Neuentdeckung des Geistes in der Theologie, nicht nur die beiden Hauptteile sind aus sich heraus verständlich, son-

le sie mancherorts propagiert wird, auch eine neue Geisterfahrung dem jedes einzelne Kapitel zeichnet sich durch rhetorische und gc-

erwarten" lassen könnte, lehnt J. mit befremdlicher Schärfe ab (268). dankliche Geschlossenheit aus (so sind auch einige der Kapitel bereits

Darin äußert sich eine theologische Selbstbegrenzung, die auch unter früher an anderer Stelle veröffentlicht worden). Besonders das 1. Kv-

empirischem Aspekt fragwürdig ist. E. W. pitel: "Naming and Narration" ist dafür ein gutes Beispiel: B. beginnt

mit einer Phänomenologie der Sprache, deren Funktionen für
menschliches Bewußtsein er theologisch interpretiert und homiletisch
programmiert. "Language constitutes our world by namirif;, and con-
fers identity in the world by story." "Preaching can rename the world

Bu«nck. David: Homiletic. Moves and Struetures. Philadelphia. PA: 'God's world' witn metaphorical power, and can change identity by

Fortrcss Press 1987. XIII. 498 S. gr. 8". incorporating all our stories into 'God's story'. Preaching construets

in consciousness a 'faith-world' related to God" (II). Durch die Pre-

Buttrick (Jg. 1927). Professor für Homiletik und Liturgik an der digt der "God-with-us story" seit Beginn der Schöpfung (steht hier

^anderbilt Divinity School in Nashville (Tennessee), ist evangelisch- Barths Deutung von „Immanuel" im Hintergrund?) und von Jesus

^formierter Theologe. Gleichwohl schreibt er seine Homiletik in Christus als ihrem "Living Symbol" erhält die Gemeinde ihre Identi-

°kumenischerOffenheit Tür Prcdigeraller Konfessionen und Denomi- tat als eine "being-saved Community in the world": "The point-

"ationcn. Mit diesem Buch legt er das Ergebnis langjähriger For- of-view from which Christian preaching speaks is in Christ, that is.

schungsarbeit ("how sermons happen in consciousness") im leicht from within a being-saved Community constituted by the Chrisl-

Verständlichen Stil einer Einführung vor, ohne gelehrten Apparat, mit event and animated by his Spirit" (16).

Utri so mehr Witz und Humor. B. führt das Gespräch mit theolo- Grundsätzlich geht B. von der paulinisch-reformatorischen Er-
g'scher Tradition (z. B. Luther. Calvin. Barth. Bultmann) und übt Kri- kenntnisaus: "faith comesfrom hearing" (Rom 10,17). Die Verständ-
an traditioneller und zeitgenössischer homiletischer Praxis in lichkeit einer Predigt im Bewußtsein derGemcinde ist für B. ein wich-
merika. Für weiteres Studium bietet eine kommentierte Bibliogra- tiges Kriterium bis in Einzelheiten der mündlichen Rede ("oral
Phie eine Fülle an nicht nur fachspezifischer Literatur, die sich aller- language") hinein. "Congregational consciousness" - die Formel ist
lngs aul englischsprachige Werke (auch deutscher Theologen) be- der cantus firmus dieser Homiletik. Das läßt fragen, inwieweit sich B.
^'hränkt. Ein Personen-, Sach- und Bibelstellenregister erleichtert das in der Tradition seit Schleiermacher bewegt, den er im Vorwort aller-
achsehlagen. dings nur beiläufig erwähnt (vgl. z. B. eine Formulierung wie:
^as Buch umläßt 26 Kapitel in zwei Teilen: I."moves" "preaching is the articulation of Christian faith-consciousness". 249).
aP- 1-14). 2. "struetures" (Kap. 15-26). Unter "move" im enge- Jedenfalls gilt: "Every sermon will be doing somelhing in congregatio-
^'nn versteht B. einen in sich geschlossenen Gedankengang als nal consciousness" (98). Damit aber eine Predigt in ihrer ganzen
e,l einer Rede, einen rhetorisch und logisch selbständigen Rede- Intention verstanden wird, muß im Gemcindebewußtscin vor allem
r,U. Im erweiterten Sinn werden unter "moves" auch andere rhe- ein Abweichen der Gedanken ("wandering ofmind") vermieden wer-
n«he Elemente und Stilmittcl ("ofwhat sermons are made of) ver- den. Das geschieht am besten dadurch, daß die Predigt selber Veranden
. Dieser doppelten Bestimmung entsprechend, finden sich im Stehensvorgänge im Bewußtsein nachbildet: "What we are after is a
I rsten Teil nicht nur Ausführungen über das Sprechen in Redcschril- kind of imitation of the way in which humans grasp meaning" (169).
jj*"t die Entwicklung von Redeschritten, den Gesichtspunkt ("poinl- Zur Veranschaulichung wählt B. bezeichnenderweise ein Beispiel aus
^v'ew ') in Redeschritten und die Verbindung von Redeschritten der Optik. Wie es bei jedem Schakt in räumlicher Hinsicht einen
aP. 2-5), sondern auch Überlegungen zum Rahmen ("framework") Standort, eine Orientierung, eine bestimmte Tiefe der Wahrnehmung.
^ner Predigt mit Einleitung und Schluß (Kap. 6 und 7), zu Bild und eine Distanz, ein Gesichtsfeld und eine bestimmte Tiefenschärfe gibt,
etaPher (eine Theorie über die theologische Bedeutung metapho- so kommt es auch bei allem Reden und Hören im übertragenen Sinn
lseher Rede in der Predigt), zu Beispielen und Illustrationen, zur Ver- auf den "point-of-view". auf die Perspektive an. Wenn diese Katego-
'ung von Bildern ("The Image Grid") und zu Sprache und Stil der rien nicht beachtet oder willkürlich verändert werden, so kann dies bei
redigt (Kap. 8-13). Das 14. Kapitel: "Words in the Church" bietet den Hörern nur Verwirrung stiften. Zwischen Predigerund Gemeinde
'ne eigenständige Behandlung der Unterscheidung von Gemeinde- kommt es dann zu keinem gemeinsamen Bewußtsein ("shared
^nd Missionspredigt ("Preaching in Church and Out") und markiert consciousness"). Mit Beispielen und einleuchtenden Regeln gelingt es
. as Ende des I. Teils, indem es auf Kapitel 1 zurückverweist: "Words B., auf zahlreiche Störfaktoren in mündlicher Kommunikation und
'he World". auf ihre Ursachen hinzuweisen. Rhetorik wird hier Tür die Predigt
v 1,1 ~- Teil wird die Predigt als ganze in den Blick einer „strukturalen nicht bloß reklamiert, sondern auf überzeugende Weise in strenger
eorie" genommen, wobei zunächst von Grundsatzfragen der Her- Relation von Predigt und Gemeinde praktiziert. •
"eutik gehandelt wird: Predigt und Autorität (hier entfaltet B. sein Nicht nur zur Beurteilung von Predigtteilen ("moves"). sondern
^hriftverständnis). der theologische Ort der Predigt und die Predigt auch zur Beschreibung von Predigtarten ("struetures") geht B. vom
Hermeneutik (Kap. 15-17). Erst dann werden homiletische bewußten Vorgang optischer Wahrnehmung aus. diesmal in zeit-